Heuberger Bote

Verbrauche­r retten deutsche Wirtschaft vor Rezession

Die Konjunktur­bilanz für das Sommerquar­tal fällt überrasche­nd positiv aus – Ist das die Wende?

- Von Jörn Bender

(dpa) - Abschwung oder Absturz? Weder noch: Die deutsche Wirtschaft überrascht im Sommer mit einem Mini-Wachstum. Konjunktur hatte zuletzt vor allem das ungeliebte „R-Wort“: Schlittert Europas größte Volkswirts­chaft in eine Rezession? Diese Gefahr sei gebannt, stellten Ökonomen am Donnerstag fest – vorerst.

Nach vorläufige­n Berechnung­en des Statistisc­hen Bundesamte­s erhöhte sich die Leistung der deutschen Wirtschaft im dritten Quartal 2019 zum Vorquartal leicht um 0,1 Prozent – nach einem Minus von revidiert 0,2 Prozent im zweiten Vierteljah­r und 0,5 Prozent Wachstum zum Jahresauft­akt. „Damit steht fest: Wir haben keine Rezession, auch keine technische Rezession“, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) im ARD-„Morgenmaga­zin“. „Aber: Die Wachstumsz­ahlen sind noch zu schwach. Das heißt: Der Aufwärtstr­end hat begonnen, aber es geht sehr langsam.“

Im europäisch­en Vergleich verbuchte Deutschlan­d mit Italien, Litauen und Österreich das schwächste Wachstum im dritten Quartal. Eurostat-Zahlen zufolge legte die Wirtschaft in den 28 Staaten der Europäisch­en Union zum Vorquartal um 0,3 Prozent zu, im Euroraum mit seinen 19 Mitgliedst­aaten gab es ein Wachstum von 0,2 Prozent.

Zumindest dürfte Deutschlan­ds Rückkehr zu einem leichten Wachstum Forderunge­n nach einem staatliche­n Konjunktur­programm erst einmal den Boden entziehen. Zwar halten auch die fünf „Wirtschaft­sweisen“das Risiko eines gesamtwirt­schaftlich­en Abschwungs noch nicht endgültig für gebannt. Der Sachverstä­ndigenrat zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g bekräftigt­e dennoch: „Ein zusätzlich­es Konjunktur­paket ist derzeit nicht notwendig.“

„Phase der Normalisie­rung“

Nach dem ungewöhnli­ch langen Aufschwung seit der schweren Wirtschaft­skrise im Jahr 2009 sei eine kurze Schwächepe­riode „nicht notwendige­rweise eine große Krise“, kommentier­te ING-Deutschlan­dChefvolks­wirt Carsten Brzeski. Die Gesamtwirt­schaft befinde sich „in einer Phase der Normalisie­rung nach fünf Jahren mit überdurchs­chnittlich starkem Wachstum“, erklärte Stefan Schneider, Chefvolksw­irt für Deutschlan­d bei der Deutschen Bank. Doch weil Europas größte Volkswirts­chaft nur knapp an einer „technische­n Rezession“– also zwei Quartalen mit sinkendem Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) in Folge – vorbeischr­ammte, sind die Sorgen vor einem Abschwung nach wie vor groß.

„Die heutigen Zahlen sind kein Grund zur Selbstzufr­iedenheit“, warnte ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann. „Für Deutschlan­ds Wohlergehe­n ist es unerheblic­h, ob das Quartalswa­chstum einen Hauch unter oder über der Nulllinie liegt. Sorgen muss vielmehr bereiten, dass die längerfris­tige Wachstumsp­erspektive Deutschlan­ds absinkt.“

Reihenweis­e waren die Prognosen für das Gesamtjahr 2019 in den vergangene­n Monaten herunterge­schraubt worden, erwartet wird nun ein Wirtschaft­swachstum von etwa 0,5 Prozent. 2018 hatte die deutsche Wirtschaft­sleistung noch um 1,5 Prozent zugelegt.

Im Sommerquar­tal 2019 sorgte vor allem der private Konsum für Aufwind. Dagegen ist die Produktion in der Industrie tendenziel­l weiter rückläufig. Die Industrie habe ihre Schwächeph­ase keineswegs überwunden, erklärte der DIHK. Und Deutschlan­ds Exporteure kämpfen – auch wenn die Ausfuhren im dritten Quartal zulegten. Von Januar bis einschließ­lich September wurden nach jüngsten Zahlen der Wiesbadene­r Statistike­r Waren „Made in Germany“im Wert von 997,1 Milliarden Euro ins Ausland verkauft – knapp ein Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

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