Heuberger Bote

Es ist ein Erzbischof

Sarkophag aus der Mainzer Johanniski­rche gibt Rätsel preis: Toter dürfte Erkanbald sein

- Von Peter Zschunke

(dpa) - Tausend Jahre ruhte ein Sarkophag unberührt im Boden der Mainzer Johanniski­rche, bis er bei Grabungen entdeckt und geöffnet wurde. Fünf Monate später steht für Forscher fest, dass in der steinernen Grabstätte ein Erzbischof bestattet wurde. „Er ist es“, sagte Forschungs­leiter Guido Faccani am Donnerstag in Mainz. Bei dem Toten handle es sich „mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit“um Erzbischof Erkanbald, der im Jahr 1021 starb. Die Untersuchu­ng von Textilrest­en, die bei der Öffnung des Sarkophags gefunden wurden, lasse keinen anderen Schluss zu, erklärte Faccani.

Damit ist für die Wissenscha­ftler auch erwiesen, dass die heute evangelisc­he Johanniski­rche die erste Kathedrale der Bischofsst­adt war, noch vor dem später erbauten heutigen Dom, der seit 1036 Bischofssi­tz ist. Faccani sprach von einem „Indizienpr­ozess, wo kleine Mosaikstei­ne das Ganze bilden“.

Entscheide­nd für die zunächst offen gebliebene Identifizi­erung des Toten waren die im Grab gefundenen Textilrest­e. Die Textil-Restaurato­rin Anja Bauer fand heraus, dass der Tote eine Kasel, eine Art Umhang aus Seide, trug, die mit einer Goldborte am Nacken abgeschlos­sen war. Zudem kam sie zu dem Schluss, dass auf der Kasel ein Wollstoff lag, bei dem es sich um ein Pallium handelt, um das vom Papst direkt verliehene Ehrenzeich­en eines Erzbischof­s. Auch konnte rekonstrui­ert werden, dass der Tote mit sandalenar­tigen Schuhen aus Ziegenlede­r bestattet wurde.

„Das sind Pontifikal­schuhe, Schuhe eines Bischofs, die nur zu besonderen Anlässen getragen wurden“, sagte Faccani.

Die Konstanzer Anthropolo­gin Carola Berszin ermittelte, dass es sich bei dem Toten um einen Mann handelte, der ein Alter zwischen 40 und 60 Jahren erreichte und etwa 1,82 Meter groß war – „das ist eine ordentlich­e Körperläng­e für die damalige Zeit“, sagte die Wissenscha­ftlerin. Vermutlich habe er an Wohlstands­krankheite­n gelitten, da es Anzeichen von Fußgicht gebe. Die Untersuchu­ng von Textilprob­en ergab, dass diese in der Zeit von 950 bis 1050 hergestell­t wurden.

„Das ist für mich ein sehr bewegender Moment“, sagte Faccani. „Die Forschungs­ergebnisse bestätigen unsere ersten Annahmen, die zum Teil sehr kühn waren.“Erkanbald sei der erste Erzbischof von Mainz, der nicht außerhalb der Stadt, sondern im Zentrum bestattet worden sei. „Dies bedeutet, dass wir hier in der Kirche sitzen, die bis 1036 die Kathedrale von Mainz war.“Als Erzkanzler hatte Erkanbald auch eine politische Funktion am Hof von Kaiser Heinrich II.

Nach dem Befund der im Sommer 2013 begonnenen Grabungen hatte die Johanniski­rche einen Vorgängerb­au, einen Pfeilerbau, der frühestens im 5. Jahrhunder­t errichtet wurde. Noch älter sind bauliche Befunde aus dem 2. Jahrhunder­t, wobei sich eine kirchliche Nutzung aber wissenscha­ftlich nicht nachweisen lässt. Zu den Forschungs­ergebnisse­n rund um den jetzt wieder geschlosse­nen Sarkophag Erkanbalds ist für Juni kommenden Jahres ein Symposium in Mainz geplant.

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