Donau soll „kühle Oase“werden
Landes-Umweltminister Franz Untersteller lehnt weiteres Gutachten zum Stadtklima ab
– Die Absenkung der Donau hat keinen Einfluss auf das Tuttlinger Stadtklima. Das sagt zumindest Landesumweltminister Franz Untersteller. Ein zusätzliches Gutachten, das die Auswirkungen des niedrigeren Wasserstands auf das Klima untersucht, hält er nicht für sinnvoll. Das geht aus einem Schreiben an Ministerkollege Guido Wolf hervor, das der Redaktion vorliegt.
Den Stein ins Rollen brachte Thomas Kattler von der Bürgerinitiative Erhaltenswehrt, die sich für den dauerhaften Aufstau der Donau einsetzt. Im Sommer machte er Temperaturmessungen im Stadtbereich und an der Donau. Sein Ergebnis: Die Temperaturen bewegten sich zwischen 29 und 35 Grad. Ein Unterschied von sechs Grad. Ein Beispiel: Auf der nördlichen Uferseite, an der das Donauwasser direkt entlang fließt, notierte Kattler eine Temperatur von 31,2 Grad, während er auf der Südseite, die komplett ausgetrocknet war, einen Wert von 35,1 Grad feststellte. Für Kattler ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Wassermenge einen Einfluss auf das Stadtklima haben muss.
„Die Methode ist alles andere als wissenschaftlich“, gab Kattler schon nach seinen Messungen zu. Deshalb forderte er öffentlich, dass seine Hypothese durch ein wissenschaftliches Gutachten überprüft werden soll. Eine Forderung, die Wellen schlug. Denn kurz nach einem Bericht unserer Zeitung, wendete sich Landesminister Guido Wolf in der Causa an seinen Kollegen Franz Untersteller, dem Landesumweltminister Baden-Württembergs.
„Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Diskussion halte ich es für wichtig, sich mit den neuerlich vorgetragenen Argumenten der Bürgerinitiative auseinander zu setzen. Die Debatte um den Klimaschutz gibt möglicherweise Anlass, manches erneut auf den Prüfstand zu stellen“, schrieb Wolf an den Umweltminister. Auch die Forderung der Bürgerinitiative nach einer Studie kommentierte Wolf in dem Schreiben. „Dieses Anliegen scheint mir plausibel, weshalb ich es gerne unterstütze“, schrieb Wolf.
Vier Wochen lang ließ die Antwort auf sich warten. Jetzt gibt es ein Schreiben von Franz Untersteller, in dem er Stellung zu der Forderung nimmt. Das Fazit: Einen Einfluss der abgesenkten Donau auf das Stadtklima sieht er nicht. Ein weiteres Gutachten hält der Umweltminister für nicht nötig. „Ein zusätzliches Gutachten über die Auswirkungen des abgesenkten Donaustauziels auf das Stadtklima von Tuttlingen halte ich nicht für erforderlich“, heißt es wörtlich in dem Schreiben.
Dass Temperaturen entlang eines trocken gefallenen Flussbettes deutlich über den Temperaturen an einem fließenden Gewässer liegen und dass ohne Donau die Temperaturen steigen würden, seien zwar richtig, so der Minister. Doch die Ausgangslage in Tuttlingen sei eine andere. Der Kompromiss einer Absenkung um nur einen Meter stelle eine „verträgliche Lösung“dar, so Untersteller. „Auch wenn der Aufstau der Donau nach dieser Entscheidung einen Meter unter der früheren Aufstauhöhe liegt, wird die Staufläche der Donau im Innenstadtgebiet von Tuttlingen wegen der relativ steilen Ufer überwiegend erhalten bleiben“, heißt es in dem Schreiben weiter. Auf den Flächen, die nicht mehr dauerhaft eingestaut bleiben, entstehe Platz für Uferbewuchs, über den viel Wasser verdunste. Die Verdunstungskälte wirke besonders an heißen Tagen temperatursenkend auf die Umgebung.
„Eine negative Auswirkung durch ein geringeres Stauziel am Donauwehr auf das Stadtklima von Tuttlingen ist deshalb nicht zu besorgen“, heißt es. Eine naturnähere Donau könne gerade an heißen Tagen eine „kühle Oase für die Menschen“werden.
Dass es in der Stadt wärmer werden wird, zweifelt Untersteller nicht an. „Unabhängig davon ist jeder Stadt zu empfehlen, sich künftig auf höhere Temperaturen im Zuge des Klimawandels einzustellen und geeignete Maßnahmen zu finden, diese Auswirkungen in den Städten zu minimieren“, so Untersteller. In der Verantwortung sieht er da allerdings nicht das Land oder das Umweltministerium. „Dies liegt in der Planungshoheit der jeweiligen Kommune“, heißt es in dem Schreiben. Das Land biete hierzu Förderprogramme als Unterstützung an.
Für Thomas Kattler von der Initiative Erhaltenwehrt ist diese Rückmeldung des Ministers nicht zufriedenstellend. „Fakten werden ignoriert, weil sie nichts ins Weltbild passen“, sagt er auf Nachfrage unserer Zeitung. „Das ist nicht durchdacht.“Vor allem Unterstellers Argument, dass Uferbewuchs zu stärkerer Verdunstung führe, sieht er kritisch. „Die Frage ist, ob die Bäume die Absenkung des Wasserspiegels überhaupt überleben“, sagt er. Außerdem sei die Wassermenge im Flussbett entscheidend dafür, wie viel Wärme das Wasser aufnehmen könne. „Die Funktion der Donau als städtische Klimaanlage wird völlig außer Acht gelassen“, sagt Kattler. Entmutigen lässt sich Kattler durch die Antwort des Umweltministers nicht. Er will sich weiterhin für ein neues Gutachten einsetzen - und für seine Donau.