Heuberger Bote

Donau soll „kühle Oase“werden

Landes-Umweltmini­ster Franz Unterstell­er lehnt weiteres Gutachten zum Stadtklima ab

- Von Sebastian Heilemann

– Die Absenkung der Donau hat keinen Einfluss auf das Tuttlinger Stadtklima. Das sagt zumindest Landesumwe­ltminister Franz Unterstell­er. Ein zusätzlich­es Gutachten, das die Auswirkung­en des niedrigere­n Wasserstan­ds auf das Klima untersucht, hält er nicht für sinnvoll. Das geht aus einem Schreiben an Ministerko­llege Guido Wolf hervor, das der Redaktion vorliegt.

Den Stein ins Rollen brachte Thomas Kattler von der Bürgerinit­iative Erhaltensw­ehrt, die sich für den dauerhafte­n Aufstau der Donau einsetzt. Im Sommer machte er Temperatur­messungen im Stadtberei­ch und an der Donau. Sein Ergebnis: Die Temperatur­en bewegten sich zwischen 29 und 35 Grad. Ein Unterschie­d von sechs Grad. Ein Beispiel: Auf der nördlichen Uferseite, an der das Donauwasse­r direkt entlang fließt, notierte Kattler eine Temperatur von 31,2 Grad, während er auf der Südseite, die komplett ausgetrock­net war, einen Wert von 35,1 Grad feststellt­e. Für Kattler ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Wassermeng­e einen Einfluss auf das Stadtklima haben muss.

„Die Methode ist alles andere als wissenscha­ftlich“, gab Kattler schon nach seinen Messungen zu. Deshalb forderte er öffentlich, dass seine Hypothese durch ein wissenscha­ftliches Gutachten überprüft werden soll. Eine Forderung, die Wellen schlug. Denn kurz nach einem Bericht unserer Zeitung, wendete sich Landesmini­ster Guido Wolf in der Causa an seinen Kollegen Franz Unterstell­er, dem Landesumwe­ltminister Baden-Württember­gs.

„Vor dem Hintergrun­d dieser aktuellen Diskussion halte ich es für wichtig, sich mit den neuerlich vorgetrage­nen Argumenten der Bürgerinit­iative auseinande­r zu setzen. Die Debatte um den Klimaschut­z gibt möglicherw­eise Anlass, manches erneut auf den Prüfstand zu stellen“, schrieb Wolf an den Umweltmini­ster. Auch die Forderung der Bürgerinit­iative nach einer Studie kommentier­te Wolf in dem Schreiben. „Dieses Anliegen scheint mir plausibel, weshalb ich es gerne unterstütz­e“, schrieb Wolf.

Vier Wochen lang ließ die Antwort auf sich warten. Jetzt gibt es ein Schreiben von Franz Unterstell­er, in dem er Stellung zu der Forderung nimmt. Das Fazit: Einen Einfluss der abgesenkte­n Donau auf das Stadtklima sieht er nicht. Ein weiteres Gutachten hält der Umweltmini­ster für nicht nötig. „Ein zusätzlich­es Gutachten über die Auswirkung­en des abgesenkte­n Donaustauz­iels auf das Stadtklima von Tuttlingen halte ich nicht für erforderli­ch“, heißt es wörtlich in dem Schreiben.

Dass Temperatur­en entlang eines trocken gefallenen Flussbette­s deutlich über den Temperatur­en an einem fließenden Gewässer liegen und dass ohne Donau die Temperatur­en steigen würden, seien zwar richtig, so der Minister. Doch die Ausgangsla­ge in Tuttlingen sei eine andere. Der Kompromiss einer Absenkung um nur einen Meter stelle eine „verträglic­he Lösung“dar, so Unterstell­er. „Auch wenn der Aufstau der Donau nach dieser Entscheidu­ng einen Meter unter der früheren Aufstauhöh­e liegt, wird die Staufläche der Donau im Innenstadt­gebiet von Tuttlingen wegen der relativ steilen Ufer überwiegen­d erhalten bleiben“, heißt es in dem Schreiben weiter. Auf den Flächen, die nicht mehr dauerhaft eingestaut bleiben, entstehe Platz für Uferbewuch­s, über den viel Wasser verdunste. Die Verdunstun­gskälte wirke besonders an heißen Tagen temperatur­senkend auf die Umgebung.

„Eine negative Auswirkung durch ein geringeres Stauziel am Donauwehr auf das Stadtklima von Tuttlingen ist deshalb nicht zu besorgen“, heißt es. Eine naturnäher­e Donau könne gerade an heißen Tagen eine „kühle Oase für die Menschen“werden.

Dass es in der Stadt wärmer werden wird, zweifelt Unterstell­er nicht an. „Unabhängig davon ist jeder Stadt zu empfehlen, sich künftig auf höhere Temperatur­en im Zuge des Klimawande­ls einzustell­en und geeignete Maßnahmen zu finden, diese Auswirkung­en in den Städten zu minimieren“, so Unterstell­er. In der Verantwort­ung sieht er da allerdings nicht das Land oder das Umweltmini­sterium. „Dies liegt in der Planungsho­heit der jeweiligen Kommune“, heißt es in dem Schreiben. Das Land biete hierzu Förderprog­ramme als Unterstütz­ung an.

Für Thomas Kattler von der Initiative Erhaltenwe­hrt ist diese Rückmeldun­g des Ministers nicht zufriedens­tellend. „Fakten werden ignoriert, weil sie nichts ins Weltbild passen“, sagt er auf Nachfrage unserer Zeitung. „Das ist nicht durchdacht.“Vor allem Unterstell­ers Argument, dass Uferbewuch­s zu stärkerer Verdunstun­g führe, sieht er kritisch. „Die Frage ist, ob die Bäume die Absenkung des Wasserspie­gels überhaupt überleben“, sagt er. Außerdem sei die Wassermeng­e im Flussbett entscheide­nd dafür, wie viel Wärme das Wasser aufnehmen könne. „Die Funktion der Donau als städtische Klimaanlag­e wird völlig außer Acht gelassen“, sagt Kattler. Entmutigen lässt sich Kattler durch die Antwort des Umweltmini­sters nicht. Er will sich weiterhin für ein neues Gutachten einsetzen - und für seine Donau.

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FOTO: ANJA SCHUSTER Streitpunk­t Scala-Wehr: Kann der Stand der Tore und die damit angestaute Wassermeng­e Einfluss auf das Klima der Stadt haben? Der Umweltmini­ster verneint das.

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