Größter Wunsch wäre, irgendwann überflüssig zu werden
Das Frauenhaus Tuttlingen feiert Jubiläum – Lustig wird es erst mit dem Musik-Comedy-Quartett „Belle Mélange“
- Der größte Wunsch wäre, in Zukunft überflüssig zu werden – doch passieren wird dies wohl kaum. Mit Blick auf beeindruckende, wenngleich erschreckende Zahlen, hat das Frauenhaus Tuttlingen in der Angerhalle sein 25-jähriges Bestehen gefeiert.
Es war ein langer und oft schwieriger Weg, bis das Frauenhaus im Oktober 1994 gegründet werden konnte. Drei Jahre zähen Ringens lag hinter den „Frauen der ersten Stunde“. „Was wollen diese jungen Weiber denn?“und „Wenn ihr so ein Angebot schafft, schafft ihr auch die Nachfrage“, waren Aussagen, die damals häufiger gefallen seien, erinnerte sich das Vorstands-Team zurück. „Wir wurden nicht wirklich ernst genommen“, erzählte Frauenhaus-Geschäftsführerin Juliane Schmieder, die zusammen mit Karin Bacher vom Vorstand des Frauenhaus-Vereins und Mitarbeiterin Gundula Tascher das Vierteljahrhundert Revue passieren ließ.
In der Tat: Drei Anläufe brauchte es, bis der damalige Kreistag überzeugt war – zwei Mal wurde der Antrag abgeschmettert, erst beim dritten Mal ging er durch. „Man war damals nicht nur skeptisch, sondern ultra-kritisch“, fasste Landrat Stefan Bär während seiner Rede in der vollbesetzten Angerhalle zusammen. Auch die Finanzen seien noch lange Zeit Grund für Diskussionen in den Gremien gewesen.
25 Jahre später zeigt sich: Die Einrichtung ist mittlerweile unverzichtbar geworden. Rund 900 Frauen mit mehr als 1000 Kindern nahmen das Frauenhaus seitdem in Anspruch.
Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden waren – meist durch den eigenen Partner. Und gäbe es mehr Plätze, wären die Zahlen noch höher: Regelmäßig müssen Frauen an andere Frauenhäuser der Region abgewiesen werden, da die zwölf vorhandenen Plätze belegt sind.
Für die Mitarbeiter – drei Fachberaterinnen, vier Hauptamtliche und rund 15 Ehrenamtliche – ist die Arbeit nicht immer einfach: Eine große Portion Frustrationstoleranz gehört dazu, wie aus den Reden des Jubiläumsabends deutlich wurde. Denn: Viele der Frauen kehren nach einer gewissen Zeit im Frauenhaus doch wieder zu dem Partner zurück, vor dem sie zuvor flüchteten. Und so brachte es Tanja Szymanski vom Vorstand des
Frauenhausvereins auf den Punkt: „Wir feiern heute nicht die traurige Tatsache, dass das Frauenhaus noch immer notwendig ist, sondern dass wir so viele Frauen in ein selbstbestimmtes Leben entlassen konnten.“
Hierzu zählt auch die Geschichte der allerersten Bewohnerin des Frauenhauses, die just an dem Tag eintraf, an dem die Einrichtung eröffnet wurde. Frustriert waren die Mitarbeiterinnen, als die Frau nach einiger Zeit samt ihrer sieben Kinder zum gewalttätigen Ehemann zurückkehrte. „Nach 15 Jahren habe ich sie wieder getroffen“, erzählte Schmieder. Die Frau berichtet ihr, dass sie ihren Mann später dann doch noch verlassen habe und dafür Mut aus den früheren Gesprächen im Frauenhaus geschöpft habe.
Oder die Erinnerung an eine 80jährige Frau – übrigens die bisher älteste Bewohnerin des Tuttlinger Frauenhauses – die nach 50 Jahren Ehe und Gewalt die Trennung wagte. „Das hat mich sehr beeindruckt“, so Schmieder.
„Wir werden die Gewalt nicht ändern können“, gab Landrat Bär am Rednerpult zu bedenken. Sie sei schon immer in der Welt vorhanden gewesen und werde immer da sein. Ebenso wie Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck sprach er davon, dass besonders die häusliche Gewalt perfide sei: „Sie geschieht da, wo eigentlich Vertrauen sein sollte – nämlich in der Familie.“Beck ging zudem darauf ein, dass die Menschen immer noch viel zu häufig wegsähen, wenn es zu Gewalt kommt.
Beide Vertreter – Bär für den Landkreis, Beck für die Stadt Tuttlingen – sicherten dem Frauenhausverein jedenfalls ihre Unterstützung in puncto Anschlussunterbringungen zu. Denn: Größtes Problem des Frauenhauses ist es nach wie vor, für diejenigen Frauen, die ihren Partner tatsächlich verlassen möchten, geeignete Wohnungen zu finden.
Im Anschluss an den offiziellen, überwiegend ernsten Teil, gab es dann doch noch einiges zu lachen. Das weibliche Musik-Comedy-Quartett „Belle Mélange“übernahm mit einer Reise ins Universum der Frau die Regie über die Bühne. Der facettenreiche Auftritt zwischen Musik und Kabarett ließ zwar besonders die Männer alt aussehen, doch er war mit ausreichend Charme und Witz versehen, um allen Anwesenden glaubhaft zu machen, dass eben doch nicht alles zu ernst zu nehmen sei.