„Insekten lieben Massentierhaltung“
(dpa) - Ernährungsforscher Professor Guido Ritter (Foto: FH) von der Fachhochschule Münster wirbt dafür, dass auch wir in Europa mehr Grillen und Mehlwürmer zu uns nehmen. Er hat junge Firmengründer unterstützt, die ein Insekten-Proteinpulver für Sportler auf den Markt gebracht haben. Im Interview mit Petra Kaminsky sagt er, dass er für die Zukunft auch größere Züchtungen in Europa erwartet.
Lässt sich der Ekelfaktor auch bei uns überwinden?
Ja, aber das braucht Zeit. Das ist ja kein genetisch angeborener Ekelfaktor, sondern das ist sozio-kulturell geprägt. Wenn die Mutter sagt: Igitt, das darfst du nicht in den Mund nehmen, dann lernt das Kind, dass das tabuisiert ist. Es ist eine Sache, die man über eine Generation neu lernen kann.
Wie läuft ein Lernprozess ab?
Ich erwarte jetzt eine Phase, wo der Kribbelfaktor, etwas Neues auszuprobieren, noch eine Rolle spielt. Dabei werden eine Reihe von Produkten auf den Markt gebracht, die unter dem Aspekt Innovation und kurzfristige Aufmerksamkeit wichtig sind. Dann wird ein Stück Ernüchterung eintreten, weil man merkt: Hoppla, es ist ja gar nicht so spektakulär. Und wenn der Preis dann akzeptabel ist und die Quellen sicher sind, geht der Trend langfristig in Richtung Normalität. Insekten werden dann – gerade in verarbeiteter Form – Stück für Stück in unsere Lebensmittel-Produkte hineinkommen.
Welche Hürden sehen Sie noch?
Alles muss ordentlich deklariert werden. Auch die Allergen-Kennzeichnung muss ordentlich gemacht werden, da Menschen mit einer Schalentierallergie wahrscheinlich auch auf Insekten allergisch reagieren können. Gerade sind die Rohstoffe auch noch teuer.
Wo sehen sie in Zukunft die Insektenzucht?
Ich bekomme Anfragen von Bauern, die aus dem System aussteigen wollen, Kühe, Schweine oder Hühner zu züchten. Wegen der zunehmenden Diskussion um Säugetiere in der Massentierhaltung. Diese Bauern suchen Alternativen. Ich glaube, dass auch in Europa noch größere Produktionsstätten für Insekten entstehen werden. Sie lieben Massentierhaltung, sie fühlen sich erst kuschelig warm, wenn sie zusammenrücken.