Heuberger Bote

Nur vordergrün­dig Kleinigkei­ten

Skisprung-Bundestrai­ner Stefan Horngacher will seine Sportler mit neuen Impulsen um wichtige Nuancen stärker machen

- Von Joachim Lindinger

Von Markus Eisenbichl­er weiß man, dass er sich gern Gedanken macht, viele Gedanken. Früher, als der Siegsdorfe­r noch nicht viermalige­r Skisprung-Weltmeiste­r war, deuteten Beobachter dieses Grüblerisc­he häufig als hemmenden, bremsenden Faktor. Nach Seefeld und drei WM-Goldmedail­len dort aber wird Markus Eisenbichl­er durchaus auch attestiert, dass er den Dingen schlicht auf den Grund geht. Denen seiner selbst. Und denen seines Sports. Was der 28-Jährige sagt, hat Gewicht. Über Stefan Horngacher sagt er: „Er ist ein sehr bodenständ­iger, ruhiger Mensch – doch sehr zielstrebi­g. Er hat sich natürlich weiterentw­ickelt in Polen, und wir können viel von ihm profitiere­n, weil er mit Weltklasse-Athleten wie Kamil Stoch zusammenge­arbeitet hat (und speziell diesen mittels hochkomple­xer Korrektur der Anfahrtsho­cke zurück auf Erfolgskur­s brachte; d. Red.). Er weiß, wie solche Athleten ticken, und kann uns da was beibringen.“

Nicht die schlechtes­ten Voraussetz­ungen für den Bundestrai­ner-Job. Auch nicht nach elf Wintern Werner Schuster, Ausnahmewi­ntern mitunter in Sachen Ertrag. Der wie der Kleinwalse­rtaler Schuster im September 1969 geborene Tiroler Horngacher war von 2011 bis 2016 dessen Assistent im deutschen WeltcupTea­m. Dann holten sie ihn als Cheftraine­r nach Polen. Stefan Horngacher­s letzte Amtshandlu­ng dort: Bei besagter Weltmeiste­rschaft in Seefeld coachte er Dawid Kubacki Ende Februar zu Normalscha­nzen-Gold vor Kamil Stoch. Werner Schuster hatte den Landsmann da längst so geadelt: „Der ,Steff‘ kann alles: Material, Technik, Menschenfü­hrung.“

Konsequent die Technik einhalten

Der Steff lächelt freundlich-verbindlic­h, als er in den Tagen zwischen Porzellanu­nd Eisspur, zwischen Mattenund Schneesprü­ngen (nicht das erste Mal vermutlich) auf seinen Vorgänger angesproch­en wird: Was er fortführe, was anders mache? „Das, was vorher war, darüber denkt man gar nicht nach. Wir schau’n nach vorne.“Will sagen? „Ich hab’ das Team übernommen und hab’ versucht, die Philosophi­e, die ich im Skispringe­n hab’, einfließen zu lassen.“Stefan Horngacher­s Philosophi­e „ist, dass wir eine gute Disziplin haben, dass wir wirklich konsequent trainieren, konsequent die Technik einhalten und uns im Materialbe­reich nach vorne entwickeln“.

Das Rad neu erfinden kann/will Stefan Horngacher nicht, wohl aber „versuchen, einen etwas anderen Ansatz zu finden – überlegen, wie kann man gewisse Dinge einfach noch verbessern, ausbauen“. Unterstütz­t wird er dabei von Jens Deimel (der CoTrainer blieb), Bernhard Metzler und Christian Heim (sie rückten aus der Lehrgangsg­ruppe 1b auf), einem Assistente­n-Trio, das – da neu zusammenge­setzt – „automatisc­h viele neue Impulse für die Athleten“liefern soll. Und liefert. Karl Geiger, der Oberstdorf­er, vergangene­n Winter ebenfalls reichlich gold-/silberdeko­riert, nennt zwei: „Zum Beispiel wärmen wir uns, kurz bevor wir springen gehen, jetzt außerhalb der Schanzenan­lage auf. Man macht in Ruhe seine Sachen, fährt dann an die Schanze, steigt auf und springt.“Den „Fokus verlagert“habe man „auch im Krafttrain­ing – einfach geschaut, dass wir dort noch mal einen Schritt nach vorne machen“. Nuancen, Kleinigkei­ten vordergrün­dig.

Auf höchstem Niveau aber machen Kleinigkei­ten den Unterschie­d. Da hilft einem der „viel, viel größere Background“im Deutschen Skiverband als Bundestrai­ner ungemein; „es ist“, sagt Stefan Horngacher, „ein bisschen einfacher als in Polen. Mir taugt’s gut!“Dass ideale Voraussetz­ungen Ambitionen wachsen lassen, ist dem 50-Jährigen wohl bewusst. „Ich versuch’ einfach, straight zu bleiben im Training, die Dinge, die ich weiß, einzusetze­n, versuch’, mich selber noch immer zu hinterfrag­en, ob alles richtig ist, ob wir auf dem richtigen Weg sind.“Wegweiser, Korrektiv ist der eigene Ehrgeiz: „Das liegt bei mir im Blut: Ich will erfolgreic­h sein.“

Die Qualität seiner Sportler, das muss Stefan Horngacher niemand sagen, lässt das zu! Und wie: „Es ist nicht mehr so, dass alles an einem Mann aufgehängt ist.“Wie anno Schmitt, anno Hannawald. Es ist auch nicht so, dass die fatale Serie von Kreuzbandr­issen nebst Folgeverle­tzungen das deutsche Weltcup-Team total aus der Bahn geworfen hätte:

Andreas Wellinger zwangspaus­ierend, Severin Freund und David Siegel rekonvales­zent. Bleiben – neben dem erst 19-jährigen Constantin Schmid – Markus Eisenbichl­er, Karl Geiger, Stephan Leyhe und Richard Freitag. „Definitiv Leute, von denen jeder ganz vorne mitspringe­n kann.“

Womöglich gleich zum Saisonauft­akt kommendes Wochenende in Wisla. Ein Team- (Sa., 23. November) und ein Einzelwett­bewerb (So., 24. November) sind auf der MalinkaSch­anze angesetzt, für Stefan Horngacher, den Seit-Langem-Wahl-Titisee-Neustädter aus Wörgl, wird es ein Zurückkomm­en. Dorthin auch, wo Geiger/Eisenbichl­er/Leyhe/Freitag 2018 im Quartett Zweite waren, Stephan Leyhe solo Zweiter war. Und 2019? Der Steff lächelt. Freundlich­verbindlic­h. „Die Athleten sind fit.“

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FOTO: IMAGO IMAGES Alles im Blick: Skisprung-Bundestrai­ner Stefan Horngacher geht seine neue Aufgabe mit Akribie – und Vorfreude – an.

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