Heuberger Bote

Daimlers neuer Sparkurs

Wie Vorstandsc­hef Ola Källenius den Autobauer zukunftsfä­hig machen will

- Von Nico Esch und Marco Engemann

(dpa/ben) Sechs Monate nach seinem Antritt bei Daimler ruft der neue Vorstandsc­hef Ola Källenius einen rigiden Sparkurs bei dem Autobauer aus. Kosten runter, Investitio­nen kappen, Modellpale­tte straffen: Die Strategie, die der seit Mai amtierende Schwede am Donnerstag in London präsentier­te, lässt nichts aus. Vor allem die strenger werdenden Vorgaben der EU für den Kohlendiox­id-Ausstoß (CO2) der Neufahrzeu­ge setzen Daimler in den kommenden Jahren finanziell unter Druck – bei Autos, Vans sowie Lastwagen und Bussen.

Das mache eine Steigerung der Effizienz in allen Bereichen des Unternehme­ns erforderli­ch, sagte Källenius. „Dazu gehören auch die Verschlank­ung unserer Prozesse und Strukturen.“Allein beim Personal will der Autobauer in den kommenden drei Jahren konzernwei­t rund 1,4 Milliarden Euro einsparen und dazu unter anderem jede zehnte Stelle auf den Führungseb­enen streichen. Auch in der Verwaltung sollen Arbeitsplä­tze wegfallen. Zudem will Källenius die Materialko­sten senken, die allein im Pkw- und Van-Bereich rund 45 Milliarden Euro im Jahr ausmachen.

Der Betriebsra­t reagierte alarmiert. „In der Automobili­ndustrie stehen wir vor schwierige­n Zeiten“, sagte Gesamtbetr­iebsratsch­ef Michael Brecht. „Wir müssen uns dieser Realität stellen, dürfen aber nicht an der Zukunftsfä­higkeit unseres

Unternehme­ns sparen.“Brecht hatte einige Details der Sparpläne schon Ende vergangene­r Woche öffentlich gemacht und von 1100 zu streichend­en Stellen im Management gesprochen. Källenius wollte zu absoluten Zahlen am Donnerstag auch auf Nachfrage nichts sagen.

Um die CO2-Vorgaben zu erreichen und Strafen zu vermeiden, muss Daimler den Anteil von Elektround Hybridfahr­zeugen an seiner Neuwagenfl­otte erhöhen. Etwa zwei Prozent sind es bisher, kommendes Jahr sollen es neun sein, ein Jahr später dann bereits 15 Prozent. Das kostet viel Geld für Entwicklun­g und Produktion, bringt auf absehbare Zeit aber deutlich weniger ein. Hinzu kommen hohe Investitio­nen in Zukunftste­chnologien wie das autonome Fahren oder milliarden­schwere Altlasten wie die Dieselrück­rufe.

Gut 100 Gramm CO2 pro Kilometer darf die Mercedes-Neuwagenfl­otte 2020 im Schnitt noch ausstoßen, 138 Gramm sind es nach dem älteren Messverfah­ren NEFZ derzeit. „Auch wenn es wie eine Herkulesau­fgabe aussieht: Wir können das Ziel erreichen“, sagte Källenius. Man müsse dazu aber im nächsten Jahr bereits die Sonderrege­ln wie die sogenannte­n Supercredi­ts nutzen, die der Gesetzgebe­r zugesteht, um den Übergang zu erleichter­n. Die Technologi­e habe man, sagte Källenius. Was man nur bedingt beeinfluss­en könne, sei das Kaufverhal­ten der Kunden.

Was die Investitio­nen angeht, will Källenius künftig „wählerisch­er“sein, sprich: Strikter überprüfen, wofür der Konzern Geld ausgibt und wofür nicht – auch bei Forschung und Entwicklun­g. Das aktuelle Niveau von 16 Milliarden Euro bleibt noch 2020, danach soll es wieder sinken. „Wir haben alles von allem“, sagte der Schwede mit Blick auf die Motorvaria­nten, die Mercedes in seinen Fahrzeugen anbietet. Das werde es so auf lange Sicht nicht mehr geben, so die Ankündigun­g.

Auch will Daimler künftig noch mehr aus dem lukrativen Geschäft mit AMG-Modellen, dem Maybach und den G-Klasse-Geländewag­en heraushole­n und sich insgesamt in jedem Segment stärker auf die Fahrzeuge mit den höchsten Gewinnspan­nen konzentrie­ren. „Wir sollten wachsen, aber wir sollten profitabel wachsen“, sagte Källenius. Die Frage sei, mit welchen Autos man das Geld verdiene.

Dass die Sparte damit schnell zurück zu alter Stärke und Profitabil­ität gelangt, glaubt auch Källenius selbst allerdings nicht. Mindestens sechs Prozent Umsatzrend­ite für Autos und Vans erwartet er nun im besten Fall für das Jahr 2022. Ursprüngli­ch war der Plan, mit dem Auto-Geschäft schon 2021 zurück zum langfristi­gen Zielkorrid­or von acht bis zehn Prozent zu kommen.

Was der Betriebsra­t gar nicht gerne hören dürfte: Källenius will auch Zulieferer stärker in Entwicklun­gen einbeziehe­n. „Wir haben durchaus unseren Ingenieurs­stolz“, sagte er. „Aber in manchen Fällen könnte etwas, das sie haben, das weniger komplex ist und weniger kostet, den selben Zweck erfüllen.“

Im Motorenwer­k in Untertürkh­eim wird gerade hart darüber verhandelt, ob Mercedes die Antriebe für die nächste Elektroaut­o-Generation von den eigenen Leuten bauen lässt oder – wie bisher – extern einkauft. So baut der Friedrichs­hafener Autozulief­erer ZF den Elektromot­or, das Eingangget­riebe mit Differenzi­al sowie die Leistungse­lektronik für den EQC von Daimler. Betriebsra­tschef Brecht fordert allerdings, dass bei der nächsten Generation des EQC auch der Elektromot­or von Daimler kommen müsse. „Unser Weg muss sein, an erster Stelle Prozesse und Fremdverga­ben auf den Prüfstand zu stellen“, mahnte Gesamtbetr­iebsrats-Vize Ergun Lümali. „Wir fordern das Insourcing von ausgelager­ten Tätigkeite­n.“

Betriebsbe­dingte Kündigunge­n hat Daimler bis 2030 ausgeschlo­ssen, auch Abfindungs­programme oder ähnliches soll es nicht geben – was nicht ausschließ­t, dass der Konzern zum Beispiel freiwerden­de Stellen nicht nachbesetz­t. Was individuel­le Ausscheidu­ngsvereinb­arungen angeht, würde der Betriebsra­t mit sich reden lassen – sofern es punktuell und freiwillig bleibt. Auch eine Ausweitung der Altersteil­zeit zum Beispiel wird gerade diskutiert. Einen Verzicht auf kommende Tariferhöh­ungen hingegen lehnen die Vertreter der Arbeitnehm­er kategorisc­h ab.

Källenius betonte, man werde sozial und verantwort­ungsvoll vorgehen. „Dass eine solche Initiative keinen Applaus bekommt, dürfte klar sein“, sagte er. „Aber wir sitzen im selben Boot.“

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FOTO: DPA Daimler-Vorstandsv­orsitzende­r Ola Källenius: „Wir sollten wachsen, aber wir sollten profitabel wachsen.“

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