Polizeieskorte für ein Prunkstück
Spektakuläre Ausstellung „Gold & Ruhm“in Basel über die Zeit Kaiser Heinrichs II. vor 1000 Jahren
- Als 2001 der in alle Welt zerstreute Basler Münsterschatz für eine Ausstellung in der Schweizer Stadt vereint war, fehlte das Paradestück. Die berühmte goldene Altartafel, ein Spitzenwerk des deutschen Mittelalters und 1854 ins Pariser Musée de Cluny gelangt, werde nie mehr ausgeliehen, stand damals auch auf dieser Kulturseite. Aber man soll niemals nie sagen. Selbst die hartgesottensten Museumsleute lassen sich irgendwann erweichen. Nun ist sie doch in Basel, aus Frankreich mit Polizeieskorte herbeigebracht und bis Anfang Januar glänzender Mittelpunkt der Ausstellung „Gold & Ruhm“über die Zeit des letzten Sachsenkaisers Heinrich II. vor 1000 Jahren.
Am 11. Oktober wurde die Ausstellung des Historischen Museums Basel eröffnet, just auf den Tag 1000 Jahre nach der Einweihung des Münsters im Beisein von Heinrich II. (973–1024). Gezeigt wird die Schau mit unermesslich kostbaren Schätzen allerdings aus Gründen der Sicherheit im todschicken Neubau des Kunstmuseums. 170 Leihgaben waren weltweit angefragt, 160 kamen zusammen, wie Marc Fehlmann, Direktor des Historischen Museums, nicht ohne Stolz anmerkt. Eine Traumquote! Beste globale Beziehungen sind eben alles in diesem Geschäft. Deswegen bietet sich nun auch ein fantastischer Einblick in jene uns fremd gewordene Welt des Mittelalters.
Basel – ein „Kaff“am Rhein
Wie fremd, wird schon im ersten Raum deutlich. Riesen-Dias zeigen das karge Leben um 1000: eine Trutzburg oben auf dem Berg, armselige Hütten unten am Fluss. In den Vitrinen Funde aus der Region: Scherben, Knochen, Nadeln, Lederfetzen, versteinerter Hundekot zum Gerben ... Basel – laut Fehlmann damals allenfalls ein „Kaff“am Rhein.
Aber dann tat sich etwas in diesem Kaff. Zuvor ostfränkisch, kam die strategisch wichtige Siedlung 926 an das neue Königreich Burgund, aus dem sie Heinrich mit Billigung des mit ihm verwandten Burgunderkönigs 1006 wieder herauslöste. Zur Sternstunde für Basel wurde dann die Einweihung des Münsters 1019, verbunden mit großzügigen Weihegaben des inzwischen zum Kaiser aufgestiegenen Heinrich II. Fehlmann macht eine einfache Rechnung auf: Ohne Heinrich wäre Basel immer noch ein Kaff. Ohne ihn hätte es kein Münster gegeben, ohne seine Geschenke keinen Aufschwung, keine Brücke über den Rhein, kein Konzil um 1450 und keine Universitätsgründung. Ohne Universität aber keine Forschung und letztlich keine chemische und pharmazeutische Industrie von Weltrang. Kein Wunder, dass dieser deutsche Kaiser auch heute noch etwas gilt im reichen Basel. Und der Verehrung tat auch kaum Abbruch, dass Heinrich und Kunigunde – als einziges deutsches Kaiserpaar heiliggesprochen – zu der stockprotestantisch gewordenen Stadt nach 1529 eigentlich nicht mehr passten.
„Geschenke für die Ewigkeit“lautet der Untertitel der prachtvoll inszenierten Ausstellung. Und die Gesamtschau der erlesenen Exponate – rund die Hälfte davon aus deutschen Kirchen und Sammlungen – lässt nun erleben, wie eng Staat und Kirche zu jener Zeit verzahnt waren. Gespiegelt werden Reichspolitik, Glaubenswelt und Wissen in Schriften, Urkunden und Kulturgut. Die von weltlichen und geistlichen Würdenträgern gestifteten Kunstwerke wiederum – Tragaltäre, Reliquiare, Messbücher, liturgische Gerätschaften aus Gold, Silber und Elfenbein – waren wohl zu einem Teil politischen Ambitionen geschuldet. So sicherte Heinrich seine Macht stets durch Schenkungen an die Bistümer. Vor allem aber wollten die tiefgläubigen Stifter etwas für ihr ewiges Seelenheil tun.
Bei einzelnen Stücken wird das Denken um 1000 manifest: Aus dem Vatikan kam jenes Evangeliar nach Basel, das Heinrich II. wohl bei seinem Besuch Monte Cassinos 1022 dem Mutterkloster der Benediktiner schenkte. Darin thront er wie Christus mit der Weltkugel, über ihm die Taube des Heiligen Geistes – symbolisch für seine göttliche Legitimation. Wie sehr man andererseits versuchte, an die Traditionen des römischen Kaisertums anzuknüpfen, beweist das Herimann-Ida-Kreuz aus Köln. Da ist als Kopf Christi eine Lapislazuli-Gemme des 1. Jahrhunderts eingesetzt, ein Frauenporträt aus der julisch-claudischen Kaiserfamilie …
Schätze mit verrückter Geschichte
Schätze über Schätze! Als gewichtige steinerne Zeugen imponieren der Thron Kaiser Heinrichs aus St. Emmeram in Regensburg oder der Sarkophag Kaiserin Kunigundes aus dem Bamberger Dom. Filigrane Kunstwerke von höchster Qualität wiederum sind der Gertrudis-Tragaltar aus dem Welfenschatz, heute in Cleveland/Ohio, oder ein Leuchterpaar aus dem Hildesheimer Dom.
Schließlich die Weihegaben Heinrichs für das Münster. Zehn waren es, nur zwei haben sich erhalten. Zum einen das mit Juwelen übersäte Heinrichskreuz, das wegen seiner Reliquien vom Heiligen Blut und vom Kreuz Christi damals als das wertvollste Geschenk galt und heute ein Glanzstück ist im Berliner Kunstgewerbemuseum. Zum anderen die Altartafel mit ihrer verrückten Geschichte. Den rigorosen reformatorischen Bildersturm in Basel 1529 überlebte der Münsterschatz, also auch das goldene Antependium in den Maßen 1,20 m x 1,80 m. Weil liturgisch nicht mehr vonnöten, wurden die sakralen Kunstwerke anschließend rund 300 Jahre in der Sakristei verwahrt. Dann kam 1833 die Trennung des Basler Kantons in Basel-Stadt und Basel-Land, und da teilte man auch den Münsterschatz per Los.
Während der Stadtkanton seinen Anteil in ein Museum einbrachte, machte der arme Landkanton den seinen – darunter das Heinrichskreuz und das Antependium – zu Geld. 1836 wurde die Tafel für 9050 Franken von einem Goldschmied ersteigert, dann von diesem an einen französischen Offizier weiterverkauft, und nachdem der sie vergeblich großen Museen angeboten hatte, schlug 1854 der französische Staat für 50 000 Francs zu. Umgerechnet ist heute allein die Versicherungsprämie viel höher als der damalige Kaufpreis.
Derzeit wird das Musée de Cluny saniert, und deswegen ließ man das Prunkstück wohl auch nach Basel ziehen. Wie selten wird einem nun deutlich, wie unvergleichlich doch die Aura eines Originals ist. Nur an höchsten Feiertagen wurde die Tafel vor den Altar gestellt. Abgebildet sind in der Mitte Jesus, zu seiner Rechten der Erzengel Michael, außen Benedikt von Nursia. Auf der anderen Seite sind die Erzengel Gabriel und Raphael zu sehen. Zu Füßen Jesu knien Heinrich und Kunigunde in tiefer Anbetung. Seit Langem wird die Herkunft der Tafel diskutiert. Wahrscheinlich war sie für die Benediktinerabtei Michaelsberg in Bamberg bestimmt, wofür auch das Programm spricht. Von Heinrich weiß man, dass er solche von ihm bestellten Auftragsarbeiten auch umwidmete. Und 1019 brauchte er wohl dringend ein Geschenk für Basel.
Auch die Inschrift gibt Rätsel auf, nicht zuletzt wegen ihrer hebräischgriechisch-lateinischen Mischung. Eine Lesart: „Wer ist wie Gott ein starker Arzt, ein gesegneter Heiland / Sei gnädig zu den Erdgeborenen, barmherziger Mittler des Seins.“Aber wie auch immer: Der spirituellen Sogkraft dieser wunderbaren Arbeit kann man sich kaum entziehen.
Der Direktor des Kunstmuseums, Josef Helfenstein, erklärte zum Auftakt: „Noch nie hat es eine solche Ausstellung gegeben, und zu unseren Lebzeiten wird es auch nie mehr eine solche geben.“Wahrscheinlich hat er recht. Aber man soll niemals nie sagen – siehe oben.