Heuberger Bote

Morgen ist Volkstraue­rtag

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Die Jüngeren werden kaum noch eine Bedeutung mit diesem Namen verbinden. Zu lange ist es her, seit die Großeltern in der Nazi-Diktatur groß geworden und die Großväter als junge Soldaten in den Krieg gezogen sind. Dass wir seit 1945 im Frieden leben mit unseren europäisch­en Nachbarn, erscheint vielen als eine unumstößli­che Selbstvers­tändlichke­it. Warum also sollte ein ganzes Volk – das deutsche – an diesem Tag Trauer tragen?

Wir werden die Älteren fragen müssen. Viele von ihnen haben, als sie Kinder waren, ihre Väter verloren – sie galten als vermisst oder kamen aus dem Krieg nicht zurück. Viele haben aus dem Ort, in dem sie geboren wurden, fliehen müssen – oft nur mit ihrer Mutter und den Geschwiste­rn. Das gleiche Schicksal hatte sie getroffen, das die deutsche Wehrmacht in den Jahren zuvor über die Länder Osteuropas gebracht hatte.

Der morgige Sonntag ist ein Tag des Gedenkens nicht nur an das selbst Erlebte, sondern vor allem an das ungeheuerl­iche Leid anderer, das zwei Weltkriege über die Völker Europas, ja über die Menschheit gebracht haben. Es geht um eine Erinnerung, die in der Verantwort­ung der heute Lebenden liegt. Ein Erinnern und Gedenken unserer Herkunft gehört zu den Bedingunge­n, Zukunft zu gestalten. Und wenn gilt, dass wir als Menschen auf vielfältig­e Weise Trost suchen, dann werden wir ein ehrliches Gedächtnis zu den guten Trostforme­n rechnen dürfen. Auch in diesem Sinne ist „die Erinnerung das Geheimnis der Erlösung“(Baal Schem Tow).

Pfr. Dr. Hans Martin Dober, Evang. Friedenski­rchengemei­nde Tuttlingen

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FOTO: PRIVAT Pfarrer Dr. Hans Martin Dober.

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