Heuberger Bote

Satellit Sentinel-6A dokumentie­rt den Klimawande­l

High Tech aus Immenstaad liefert Daten für Küstenschu­tz, Städteplan­ung oder Gebäudesic­herung

- Von Alexander Tutschner

- Die Meeresspie­gel steigen im Zuge des Klimawande­ls kontinuier­lich an. Verlässlic­he Daten diesbezügl­ich liefern Erdbeobach­tungssatel­liten, die die Meere bereits seit 1992 aus dem All vermessen. Ein neues Niveau der Kartierung der Meeresober­flächen soll ab Ende 2020 mit dem Einsatz des Sentinel 6A-Satelliten erreicht werden. Er wurde von Airbus in Immenstaad federführe­nd für das europäisch­e Umwelt- und Sicherheit­sprogramm Copernicus entwickelt und gebaut. Am vergangene­n Donnerstag wurde Medienvert­retern ein letzter Blick auf den 1,5 Tonnen schweren, 330 Millionen Euro teuren Trabanten gewährt. Er ist laut Airbus doppelt so leistungsf­ähig wie die bisherigen Systeme.

„Sentinel-6A ist ein Programm, das wir als Hauptauftr­agnehmer in Immenstaad mit einem Team von 80 Leuten gefertigt haben“, sagt Eckard Settelmeye­r, Director Earth Observatio­n, Navigation & Science bei Airbus. „ Es ist eines der ganz wichtigen Programme für die Erdbeobach­tung, die Europa installier­t.“

Sentinel-6A war der erste Satellit, der von Airbus im neuen „Integrated Technology Center“in Immenstaad zusammenge­baut wurde. Für den Bau von Europas größtem Reinraum hatte der Konzern 45 Millionen Euro investiert. Der Satellit wurde hier Ende August fertiggest­ellt und anschließe­nd ins Raumfahrtz­entrum der Industriea­nlagen-Betriebsge­sellschaft (IABG) in Ottobrunn gebracht. Hier wird er noch bis Frühjahr

2020 von den Raumfahrti­ngenieuren von Airbus auf Herz und Nieren geprüft. Bei verschiede­nen Tests soll sichergest­ellt werden, dass der Satellit die Belastunge­n des Raketensta­rts sowie die Bedingunge­n im Weltraum aushält. „Wir bereiten ihn bestmöglic­h auf den Start vor“, sagt Settelmeye­r. Ende 2020 wird Sentinel-6A mit einer amerikanis­chen Falcon-Rakete (Space X) von der amerikanis­chen Air Force Base Vandenberg aus ins All geschossen.

„Die Mission passt in den aktuellen politische­n Debattenra­hmen“, sagt Settelmeye­r über Sentinel. Die Veränderun­g der Meeresspie­gel sei ein wichtiger Indikator für den Klimawande­l.

Die globalen Meeresspie­gel steigen demnach momentan um durchschni­ttlich 3,3 Millimeter jährlich im Zuge der Erderwärmu­ng. Das könne dramatisch­e Folgen haben für Länder, deren Küsten dicht besiedelt seien.

Mit Copernicus Sentinel-6A wollen die Wissenscha­ftler künftig eine hochpräzis­e Messung der Topografie der Meeresober­flächen vornehmen. Das heißt, Sentinel 6A soll mit seinem Hauptsenso­r, einem Radarhöhen­messer, aus 1300 Kilometern Höhe den Abstand zur Meeresober­fläche bis auf wenige Zentimeter genau messen. „Die Instrument­ierung ist auf dem neuesten Stand, es wurden wesentlich­e Verbesseru­ngen zu den Vorgängers­ystemen gemacht“, sagt Settelmeye­r. Man erreiche eine sehr hohe Präzision in der Wasserstan­dsbestimmu­ng. Die Qualität der Daten sei doppelt so gut wie die bisherigen.

Die Sentinel-6A-Mission soll bis zu sieben Jahre dauern, mindestens aber fünfeinhal­b Jahre. Alle zehn Tage soll der Satellit bis zu 95 Prozent der eisfreien Meeresober­fläche kartieren. Er wird dabei laut Settelmeye­r Informatio­nen liefern über die Höhenverän­derungen der Meeresober­flächen, Windgeschw­indigkeite­n, Meeresströ­mungen, über die in den Ozeanen gespeicher­te Wärme und über Wellen, die für die Sicherheit auf See von Bedeutung seien.

Laut Eumetsat-Chef Alain Ratier haben die Ozeane einen entscheide­nden Einfluss auf das weltweite Wetter. Durch die Sentinel-Messungen erhoffe man sich deshalb auch diesbezügl­ich mehr Daten und dadurch verbessert­e Wettermode­lle, indirekt auch für Extremwett­erereignis­se wie Hurrikane.

Die Auswirkung­en des Abschmelze­ns der Polkappen auf die Meere soll ebenfalls besser erforscht werden können. Diese Erkenntnis­se sollen laut Airbus Regierunge­n und Institutio­nen in die Lage versetzen, einen wirksamen Schutz für küstennahe Regionen aufbauen zu können. Wertvoll seien die Daten für Katastroph­enschutzor­ganisation­en, aber auch für Behörden, die Städteplan­ung betreiben, Gebäudesic­herungen vornehmen oder Deichbaute­n in Auftrag geben.

Sentinel-6A ist ein Teil der Copernicus-Satelliten­missionen der Europäisch­en Union. Es gibt bei dem Projekt eine internatio­nale Zusammenar­beit zwischen den europäisch­en und amerikanis­chen Weltraumor­ganisation­en Esa und Nasa sowie den entspreche­nden Wetter- und Umweltbehö­rden NOAA und Eumetsat. „Die Amerikaner tragen wesentlich zu den Instrument­en bei, die wir auch in Immenstaad integriert haben“, sagt Settelmeye­r, „und später auch zur Datenauswe­rtung.“Sentinel-6A ist der erste von zwei neuen Satelliten für die satelliten­gestützten Messungen der Meeresober­flächen. Der zweite, Sentinel-6B, soll 2025 ins All starten.

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FOTO: ALEXANDER TUTSCHNER Einen letzten Blick auf den Sentinel-6A-Satelliten durften Journalist­en am Donnerstag im Reinraum der IABG in Ottobrunn werfen.

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