Satellit Sentinel-6A dokumentiert den Klimawandel
High Tech aus Immenstaad liefert Daten für Küstenschutz, Städteplanung oder Gebäudesicherung
- Die Meeresspiegel steigen im Zuge des Klimawandels kontinuierlich an. Verlässliche Daten diesbezüglich liefern Erdbeobachtungssatelliten, die die Meere bereits seit 1992 aus dem All vermessen. Ein neues Niveau der Kartierung der Meeresoberflächen soll ab Ende 2020 mit dem Einsatz des Sentinel 6A-Satelliten erreicht werden. Er wurde von Airbus in Immenstaad federführend für das europäische Umwelt- und Sicherheitsprogramm Copernicus entwickelt und gebaut. Am vergangenen Donnerstag wurde Medienvertretern ein letzter Blick auf den 1,5 Tonnen schweren, 330 Millionen Euro teuren Trabanten gewährt. Er ist laut Airbus doppelt so leistungsfähig wie die bisherigen Systeme.
„Sentinel-6A ist ein Programm, das wir als Hauptauftragnehmer in Immenstaad mit einem Team von 80 Leuten gefertigt haben“, sagt Eckard Settelmeyer, Director Earth Observation, Navigation & Science bei Airbus. „ Es ist eines der ganz wichtigen Programme für die Erdbeobachtung, die Europa installiert.“
Sentinel-6A war der erste Satellit, der von Airbus im neuen „Integrated Technology Center“in Immenstaad zusammengebaut wurde. Für den Bau von Europas größtem Reinraum hatte der Konzern 45 Millionen Euro investiert. Der Satellit wurde hier Ende August fertiggestellt und anschließend ins Raumfahrtzentrum der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft (IABG) in Ottobrunn gebracht. Hier wird er noch bis Frühjahr
2020 von den Raumfahrtingenieuren von Airbus auf Herz und Nieren geprüft. Bei verschiedenen Tests soll sichergestellt werden, dass der Satellit die Belastungen des Raketenstarts sowie die Bedingungen im Weltraum aushält. „Wir bereiten ihn bestmöglich auf den Start vor“, sagt Settelmeyer. Ende 2020 wird Sentinel-6A mit einer amerikanischen Falcon-Rakete (Space X) von der amerikanischen Air Force Base Vandenberg aus ins All geschossen.
„Die Mission passt in den aktuellen politischen Debattenrahmen“, sagt Settelmeyer über Sentinel. Die Veränderung der Meeresspiegel sei ein wichtiger Indikator für den Klimawandel.
Die globalen Meeresspiegel steigen demnach momentan um durchschnittlich 3,3 Millimeter jährlich im Zuge der Erderwärmung. Das könne dramatische Folgen haben für Länder, deren Küsten dicht besiedelt seien.
Mit Copernicus Sentinel-6A wollen die Wissenschaftler künftig eine hochpräzise Messung der Topografie der Meeresoberflächen vornehmen. Das heißt, Sentinel 6A soll mit seinem Hauptsensor, einem Radarhöhenmesser, aus 1300 Kilometern Höhe den Abstand zur Meeresoberfläche bis auf wenige Zentimeter genau messen. „Die Instrumentierung ist auf dem neuesten Stand, es wurden wesentliche Verbesserungen zu den Vorgängersystemen gemacht“, sagt Settelmeyer. Man erreiche eine sehr hohe Präzision in der Wasserstandsbestimmung. Die Qualität der Daten sei doppelt so gut wie die bisherigen.
Die Sentinel-6A-Mission soll bis zu sieben Jahre dauern, mindestens aber fünfeinhalb Jahre. Alle zehn Tage soll der Satellit bis zu 95 Prozent der eisfreien Meeresoberfläche kartieren. Er wird dabei laut Settelmeyer Informationen liefern über die Höhenveränderungen der Meeresoberflächen, Windgeschwindigkeiten, Meeresströmungen, über die in den Ozeanen gespeicherte Wärme und über Wellen, die für die Sicherheit auf See von Bedeutung seien.
Laut Eumetsat-Chef Alain Ratier haben die Ozeane einen entscheidenden Einfluss auf das weltweite Wetter. Durch die Sentinel-Messungen erhoffe man sich deshalb auch diesbezüglich mehr Daten und dadurch verbesserte Wettermodelle, indirekt auch für Extremwetterereignisse wie Hurrikane.
Die Auswirkungen des Abschmelzens der Polkappen auf die Meere soll ebenfalls besser erforscht werden können. Diese Erkenntnisse sollen laut Airbus Regierungen und Institutionen in die Lage versetzen, einen wirksamen Schutz für küstennahe Regionen aufbauen zu können. Wertvoll seien die Daten für Katastrophenschutzorganisationen, aber auch für Behörden, die Städteplanung betreiben, Gebäudesicherungen vornehmen oder Deichbauten in Auftrag geben.
Sentinel-6A ist ein Teil der Copernicus-Satellitenmissionen der Europäischen Union. Es gibt bei dem Projekt eine internationale Zusammenarbeit zwischen den europäischen und amerikanischen Weltraumorganisationen Esa und Nasa sowie den entsprechenden Wetter- und Umweltbehörden NOAA und Eumetsat. „Die Amerikaner tragen wesentlich zu den Instrumenten bei, die wir auch in Immenstaad integriert haben“, sagt Settelmeyer, „und später auch zur Datenauswertung.“Sentinel-6A ist der erste von zwei neuen Satelliten für die satellitengestützten Messungen der Meeresoberflächen. Der zweite, Sentinel-6B, soll 2025 ins All starten.