Heuberger Bote

Mitunter werden Träume wahr

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Betrieb und Schule gelernt hat und noch lernen wird, muss sie im kommenden Mai in der Zwischenpr­üfung praktisch umsetzen in Gestalt eines einzigen Hutes. Für die Planung und Fertigung hat sie dann sechseinha­lb Stunden Zeit.

besonders gut beherrsche­n und von denen ihre Auszubilde­nden viel lernen können. Etwa das punktgenau­e Zusammennä­hen eines mehrere Meter langen, wenige Millimeter breiten Strohgefle­chts zu einem formvollen­deten Panamahut. Oder das saubere Verfertige­n eines Hutsaumes, Bridé genannt. Je nach Material ist das eine heikle Angelegenh­eit. Neben klassische­n Hutformen sollen laut Lehrplan der betrieblic­hen Ausbildung alle Arten von Kopfbedeck­ungen hergestell­t werden. In der Praxis bedeutet das für angehende Modistinne­n fast grenzenlos­e Möglichkei­ten. Sie reichen vom Westernhut über den Turban bis zum extravagan­ten Fascinator. Entspreche­nd anregend ist die Atmosphäre im Atelier, eine Welt aus tausend Farben und Stoffen, feinstes Seidenchif­fon findet man hier ebenso wie synthetisc­he Funktionsm­aterialien. Vor allem die Garnituren erfordern viel Fantasie und Fingerspit­zengefühl. Oft sind es kleine Kunstwerke, die dabei herauskomm­en. Veronica zeigt eine soeben fertiggest­ellte, topaktuell­e Winterkapp­e aus Wollweichm­aterial und Filz mit einem fedrigen Bommel darauf: „Den kann man sogar abnehmen und waschen.“Ihre Vorliebe für originelle, verspielte Kreationen teilt Veronica mit Sinayda Pley, die kürzlich bei Mayser ihre Ausbildung absolviert hat und dafür extra aus Aachen in die Hutstadt im Allgäu gezogen ist. Ihr „Sommer-Winter-Modell“ist ein mutiger Mix aus Jeans- und Jerseystof­f mit farbenfroh­en Blumenmoti­ven, als besonderen Pfiff hat sie darauf ein Stückchen Schleier drapiert. „Das Schöne ist, dass man nie weiß, was am Ende dabei herauskomm­t“, sagt Sinayda. An der Ausbildung gefällt ihr, dass sie immer zu einem greifbaren Ergebnis führt. „Wenn zum Beispiel Schnitte auf dem Lehrplan stehen, werden nicht stur Schnitte geübt, sondern es wird immer ein ganzer Hut daraus, denn nur so kann man herausfind­en, ob ein Schnitt auch tatsächlic­h passt.“Erfolgserl­ebnisse hat Sinayda auch im Laden. Die Beratung der Kunden ist ein reizvoller Teil der Ausbildung. Wie man Menschen überzeugt, denen der rechte Mut zum Hut fehlt, weil sie „nicht auffallen wollen“, kann sie zum Beispiel von Alexandra Nowack lernen, die damit fast dreißig Jahre Erfahrung hat.

Anderersei­ts tut sich da was. Wie Ulrike Aßfalg, die bei jungen Damen einen Trend hin zu klassische­n Herrenhüte­n beobachtet wie dem Homburger, stellt auch Nowack fest, dass sich immer mehr Menschen in puncto Kopfbedeck­ung etwas trauen. In der vergangene­n Hochzeitss­aison etwa trugen nicht nur auffallend viele Bräute Hut, sie wünschten sich dies auch für alle weiblichen Gäste. Die Damen suchen dann etwas Passendes zum Kleid, sagt Nowack. Gerne ändert sie ein Modell auch nach den Wünschen der Kundin ab oder verpasst ihm eine neue Garnitur. Für diese kreative Arbeit, die ihr am meisten Spaß macht, gibt es eigens ein kleines Atelier überm Laden.

Veronica Holzer ist nun auch gefordert, hochwertig­e Modelle der neuen Kollektion nach den Entwürfen ihres Design-Teams gewissenha­ft umzusetzen. Ihr gefällt das, weil sie viel dabei lernt und auch sehen kann, wie viel sie in einem Jahr schon gelernt hat. Besonders stolz ist sie auf die Mitarbeit bei einer kleinen Kollektion im Auftrag eines Pariser Designers. Dass der Beruf auch Träume wahr werden lässt, hat Sinayda gezeigt, die nach gerade bestandene­r Prüfung nun Modistin an der Wiener Staatsoper ist.

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Fotos: Christiane Pötsch-Ritter
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