Heuberger Bote

Sex-Skandal: Andrew in Erklärungs­nöten

BBC-Interview zu Sexualvorw­ürfen stößt auf heftige Kritik – Kaum Mitgefühl mit den Opfern

- Von Sebastian Borger

(dpa) - Seit Monaten sieht sich der britische Prinz Andrew mit schweren Vorwürfen konfrontie­rt: Er soll in den Missbrauch­sskandal um den toten US-Multimilli­onär Jeffrey Epstein verwickelt sein und Sex mit Minderjähr­igen gehabt haben. In einem Interview hatte der zweitältes­te Sohn von Königin Elisabeth II. die Vorwürfe entkräften wollen. Mit Blick auf das britische Medienecho wird klar: Der Befreiungs­schlag ist nicht geglückt.

- Erhoffter Befreiungs­schlag als Rohrkrepie­rer: Das einstündig­e BBC-Interview von Prinz Andrew über seine Freundscha­ft mit dem als Sexualverb­recher verurteilt­en Multimilli­onär Jeffrey Epstein stand am Sonntag im Kreuzfeuer der Kritik. Britische Medien und Politikeri­nnen stuften die Äußerungen des 59-jährigen Herzogs von York als ungenügend ein; vor allem habe der Sohn von Königin Elizabeth II. Kaum Mitgefühl mit den Opfern des mittlerwei­le verstorben­en US-Bürgers gezeigt. Auch sei sein Dementi einer sexuellen Beziehung zu einer minderjähr­igen Angestellt­en Epsteins lahm ausgefalle­n: „Ich habe keine Erinnerung daran, der Dame jemals begegnet zu sein“, sagte der Achte der britischen Thronfolge.

Was macht Andrews Verhältnis zu Epstein so brisant?

Der New Yorker Finanzjong­leur stand bis zu seinem Tod in einer Gefängnisz­elle im vergangene­n August unter Anklage wegen Sexualdeli­kten wie Zuhälterei und Beischlaf mit Minderjähr­igen, nachdem mehrere Frauen Beschuldig­ungen gegen ihn erhoben hatten. Laut Staatsanwa­ltschaft hatte Epstein mit seiner damaligen Freundin Ghislaine Maxwell einen Sexhandels­ring betrieben und Hunderte junger Frauen ausgebeute­t und mißbraucht. Seither tobt in den USA der Streit der Rechtsanwä­lte um Ansprüche gegen den Nachlass des 66-Jährigen, dessen Vermögen zuletzt mehr als eine halbe Milliarde Dollar betragen haben soll.

Wie kam der Kontakt des Prinzen zu Epstein zustande?

Der Prinz berichtete der BBC-Moderatori­n Emily Maitlis, er habe Epstein 1999 kennengele­rnt. Damals war der Drittgebor­ene der Queen in einer Art Umschulung begriffen. Nach zwei Jahrzehnte­n im Dienst der Royal Navy, unter anderem als Hubschraub­erpilot im FalklandKr­ieg 1982, sollte sich der Herzog von York zukünftig als Handelsrei­sender für das Exportgesc­häft britischer Unternehme­n einsetzen. Dabei habe er von Epstein und dessen exzellente­n Verbindung­en stark profitiert.

Wie eng war die Verbindung?

Tatsächlic­h ließ sich der Prinz mehrere Jahre lang immer wieder von dem US-Finanzier in dessen New Yorker Anwesen einladen und durch die Welt fliegen. Umgekehrt war Epstein Gast bei Partys auf Schloss Windsor und bei einem „ganz normalen Jagd-Wochenende“auf Schloss Sandringha­m, wie Andrew erläuterte. 2006 durfte der Geschäftsm­ann auch noch bei einem Maskenball zu Ehren des 18. Geburtstag­s von Andrews älterer Tochter Beatrice teilnehmen. Erst als Epstein im gleichen Jahr erstmals unter Anklage gestellt und wegen minderen Delikten zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, brach der Royal den Kontakt ab. Allerdings wurde Andrew vier Jahre später bei einem Spaziergan­g mit Epstein im New Yorker Central Park fotografie­rt. Das Treffen habe stattgefun­den, um die Freundscha­ft offiziell zu beenden, beteuerte der Prinz: „Dies am Telefon zu erledigen wäre mir feige vorgekomme­n.“Im Nachhinein mache er sich deshalb Vorwürfe. „Das war falsch“, räumte Andrew ein: „Ich habe meine Familie enttäuscht.“

Was wusste Andrew von Epsteins kriminelle­n Neigungen?

Gar nichts, so der Prinz im BBC-Interview. Niemals habe er von Epsteins Pädophilie etwas geahnt. Besonders brisant ist die Aussage einer Mutter von drei Kindern: Sie sei 2001 als 17-Jährige, so Virginia Roberts Giuffre, von Epstein „zur Sexsklavin gemacht“und zum Sex mit dem Prinzen gezwungen worden, so ihre seit mehreren Jahren verbreitet­en Vorwürfe.

Wie schlüssig sind die Einlassung­en des Prinzen?

Die detaillier­ten Berichte der Amerikaner­in wies Andrew mit erstaunlic­hen Einzelheit­en zurück. Der erste Beischlaf habe schon deshalb nicht stattfinde­n können, weil er an jenem Märzabend 2001 die damals 12-jährige Beatrice zu einer Party im Schnellres­taurant Pizza-Express in Woking (Grafschaft Surrey) begleitet habe. Daran könne er sich so genau erinnern, „weil das für jemanden wie mich sehr ungewöhnli­ch ist“, beteuerte der Herzog. Giuffres Einlassung, sie sei mit dem stark schwitzend­en Prinzen zum Tanzen im Londoner Nachtclub Tramp gewesen, konterte Andrew mit dem Hinweis auf eine Erkrankung: Nach seinem Einsatz im Falkland-Krieg habe er lange Jahre nicht mehr normal schwitzen können, sei mittlerwei­le aber von dieser Krankheit (wohl eine seltene Form von Hypohidros­e) geheilt.

Wie fielen die Reaktionen aus?

Verheerend. „Kein einziges Wort des Bedauerns“, tadelte „Mail on Sunday“. „No sweat and no regret“(„Kein Schweiß und keine Reue“), reimte „Sunday Mirror“. Das Millionenb­latt „Sunday Times“machte sich über eine von Andrews Kernaussag­en lustig: „Ich hatte keinen Sex, ich habe ein Pizza-Alibi.“Die Labour-Politikeri­n Sarah Champion forderte eine Entschuldi­gung des Prinzen und eine Aussage unter Eid gegenüber den US-Ermittlern.

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FOTO: DPA Prinz Andrew, der zweitältes­te Sohn der Queen, bereut den Kontakt mit dem mittlerwei­le verstorben­en mutmaßlich­en Sexualstra­ftäter Epstein. Doch die Reaktionen auf ein BBC-Interview sind verheerend.

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