Sex-Skandal: Andrew in Erklärungsnöten
BBC-Interview zu Sexualvorwürfen stößt auf heftige Kritik – Kaum Mitgefühl mit den Opfern
(dpa) - Seit Monaten sieht sich der britische Prinz Andrew mit schweren Vorwürfen konfrontiert: Er soll in den Missbrauchsskandal um den toten US-Multimillionär Jeffrey Epstein verwickelt sein und Sex mit Minderjährigen gehabt haben. In einem Interview hatte der zweitälteste Sohn von Königin Elisabeth II. die Vorwürfe entkräften wollen. Mit Blick auf das britische Medienecho wird klar: Der Befreiungsschlag ist nicht geglückt.
- Erhoffter Befreiungsschlag als Rohrkrepierer: Das einstündige BBC-Interview von Prinz Andrew über seine Freundschaft mit dem als Sexualverbrecher verurteilten Multimillionär Jeffrey Epstein stand am Sonntag im Kreuzfeuer der Kritik. Britische Medien und Politikerinnen stuften die Äußerungen des 59-jährigen Herzogs von York als ungenügend ein; vor allem habe der Sohn von Königin Elizabeth II. Kaum Mitgefühl mit den Opfern des mittlerweile verstorbenen US-Bürgers gezeigt. Auch sei sein Dementi einer sexuellen Beziehung zu einer minderjährigen Angestellten Epsteins lahm ausgefallen: „Ich habe keine Erinnerung daran, der Dame jemals begegnet zu sein“, sagte der Achte der britischen Thronfolge.
Was macht Andrews Verhältnis zu Epstein so brisant?
Der New Yorker Finanzjongleur stand bis zu seinem Tod in einer Gefängniszelle im vergangenen August unter Anklage wegen Sexualdelikten wie Zuhälterei und Beischlaf mit Minderjährigen, nachdem mehrere Frauen Beschuldigungen gegen ihn erhoben hatten. Laut Staatsanwaltschaft hatte Epstein mit seiner damaligen Freundin Ghislaine Maxwell einen Sexhandelsring betrieben und Hunderte junger Frauen ausgebeutet und mißbraucht. Seither tobt in den USA der Streit der Rechtsanwälte um Ansprüche gegen den Nachlass des 66-Jährigen, dessen Vermögen zuletzt mehr als eine halbe Milliarde Dollar betragen haben soll.
Wie kam der Kontakt des Prinzen zu Epstein zustande?
Der Prinz berichtete der BBC-Moderatorin Emily Maitlis, er habe Epstein 1999 kennengelernt. Damals war der Drittgeborene der Queen in einer Art Umschulung begriffen. Nach zwei Jahrzehnten im Dienst der Royal Navy, unter anderem als Hubschrauberpilot im FalklandKrieg 1982, sollte sich der Herzog von York zukünftig als Handelsreisender für das Exportgeschäft britischer Unternehmen einsetzen. Dabei habe er von Epstein und dessen exzellenten Verbindungen stark profitiert.
Wie eng war die Verbindung?
Tatsächlich ließ sich der Prinz mehrere Jahre lang immer wieder von dem US-Finanzier in dessen New Yorker Anwesen einladen und durch die Welt fliegen. Umgekehrt war Epstein Gast bei Partys auf Schloss Windsor und bei einem „ganz normalen Jagd-Wochenende“auf Schloss Sandringham, wie Andrew erläuterte. 2006 durfte der Geschäftsmann auch noch bei einem Maskenball zu Ehren des 18. Geburtstags von Andrews älterer Tochter Beatrice teilnehmen. Erst als Epstein im gleichen Jahr erstmals unter Anklage gestellt und wegen minderen Delikten zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, brach der Royal den Kontakt ab. Allerdings wurde Andrew vier Jahre später bei einem Spaziergang mit Epstein im New Yorker Central Park fotografiert. Das Treffen habe stattgefunden, um die Freundschaft offiziell zu beenden, beteuerte der Prinz: „Dies am Telefon zu erledigen wäre mir feige vorgekommen.“Im Nachhinein mache er sich deshalb Vorwürfe. „Das war falsch“, räumte Andrew ein: „Ich habe meine Familie enttäuscht.“
Was wusste Andrew von Epsteins kriminellen Neigungen?
Gar nichts, so der Prinz im BBC-Interview. Niemals habe er von Epsteins Pädophilie etwas geahnt. Besonders brisant ist die Aussage einer Mutter von drei Kindern: Sie sei 2001 als 17-Jährige, so Virginia Roberts Giuffre, von Epstein „zur Sexsklavin gemacht“und zum Sex mit dem Prinzen gezwungen worden, so ihre seit mehreren Jahren verbreiteten Vorwürfe.
Wie schlüssig sind die Einlassungen des Prinzen?
Die detaillierten Berichte der Amerikanerin wies Andrew mit erstaunlichen Einzelheiten zurück. Der erste Beischlaf habe schon deshalb nicht stattfinden können, weil er an jenem Märzabend 2001 die damals 12-jährige Beatrice zu einer Party im Schnellrestaurant Pizza-Express in Woking (Grafschaft Surrey) begleitet habe. Daran könne er sich so genau erinnern, „weil das für jemanden wie mich sehr ungewöhnlich ist“, beteuerte der Herzog. Giuffres Einlassung, sie sei mit dem stark schwitzenden Prinzen zum Tanzen im Londoner Nachtclub Tramp gewesen, konterte Andrew mit dem Hinweis auf eine Erkrankung: Nach seinem Einsatz im Falkland-Krieg habe er lange Jahre nicht mehr normal schwitzen können, sei mittlerweile aber von dieser Krankheit (wohl eine seltene Form von Hypohidrose) geheilt.
Wie fielen die Reaktionen aus?
Verheerend. „Kein einziges Wort des Bedauerns“, tadelte „Mail on Sunday“. „No sweat and no regret“(„Kein Schweiß und keine Reue“), reimte „Sunday Mirror“. Das Millionenblatt „Sunday Times“machte sich über eine von Andrews Kernaussagen lustig: „Ich hatte keinen Sex, ich habe ein Pizza-Alibi.“Die Labour-Politikerin Sarah Champion forderte eine Entschuldigung des Prinzen und eine Aussage unter Eid gegenüber den US-Ermittlern.