Heuberger Bote

Was Liebe kann

„Was gewesen wäre“erzählt die Geschichte von Astrid und ihren Liebhabern

- Von Andrea Barthelemy

E ine Liebesgesc­hichte über Jahrzehnte, Mauern und Zäune hinweg – kann das funktionie­ren? In dem Drama „Was gewesen wäre“müssen sich Christiane Paul und Ronald Zehrfeld genau dieser Frage und der Vergangenh­eit stellen. Eigentlich war es zwar anders geplant: Die Reise nach Budapest sollte für Astrid (Paul) und Paul (Zehrfeld), beide Ende 40 und frisch verliebt, das erste romantisch­e Wochenende werden. Doch im mondänen Gellert-Hotel werden die beiden von Astrids Vergangenh­eit eingeholt – in Form ihrer ersten großen Liebe Julius (Sebastian Hülk), der auch im Gellert zu Gast ist und mit Astrid ebenfalls eine Budapest-Vergangenh­eit hat.

„Was gewesen wäre“, nach dem gleichnami­gen Roman und Drehbuch von Gregor Sander, verhandelt Herzensdin­ge und immer wieder das Thema, welche Entscheidu­ng im Leben den Unterschie­d macht und ob sie nach Jahrzehnte­n vielleicht noch zurückzune­hmen ist. Das ist in der Tat eine spannende Frage. Doch der Film (Regie: Florian Koerner von Gustorf ) kommt beim Versuch, sie zu beantworte­n, zunächst nur langsam in die Gänge. Mag sein, dass es daran liegt, dass Astrid und Paul sich noch abtasten und deshalb etwas schablonen­haft agieren. Aber vom Aufstoßen des Fensterflü­gels mit wehendem Vorhang bis zum Fast-SofortSex im Hotelzimme­r ist da erst einmal wenig Überraschu­ng.

Interessan­ter und vielschich­tiger wird es dann aber, sobald die zweite Erzähleben­e mit Astrids und Julius' Vergangenh­eit in den Blick rückt: 1986 in der DDR beginnt ihre Teenager-Liebesgesc­hichte, die sich zwischen Anpassung und Protest bewegt, nach Auswegen in Subkultur und Künstlerkr­eisen sucht. Natürlich und superpräse­nt: Mercedes Müller und Leonard Kunz als die Jugendlich­en Astrid und Julius.

Schicht für Schicht wird die mäandernde Geschichte der beiden in den Rückblende­n freigelegt. Freiheitsd­rang, Heimatlieb­e, Militärdie­nst, Ausreisean­träge von Freunden, der Wunsch, Medizin zu studieren und schließlic­h eine Flucht über Jugoslawie­n – all das hat darin seinen Platz. Auch Liebe und Verrat.

Zur Halbzeit hat der Film somit deutlich an Fahrt aufgenomme­n – das Wiedersehe­n mit Julius setzt neue Dynamiken frei. Zwischen Astrid und Paul, seinerseit­s lange Jahre ein „Beziehungs­flüchtling“, kracht und lodert es, aber auch in größerer Runde

auf einem gemeinsame­n Treffen mit Julius, seinem Bruder und deren ungarische­n Künstlerfr­eunden, die sich starken Repression­en durch die nationalis­tische Fides-Partei ausgesetzt sehen.

30 Jahre nach dem Fall der Mauer stellt sich in dieser Runde also erneut die Frage: Wie groß ist der Drang nach Freiheit? Gehen oder bleiben? Unter welchen Umständen kann oder möchte ich trotzdem zu jemand anderem stehen? Was sagt mein Herz? Ein zweites illegales Überwinden eines Grenzzauns wird schließlic­h zeigen, wie Astrid für sich die Frage beantworte­t, die sie umtreibt: Was wäre gewesen, wenn …? (dpa)

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FOTO: FLARE FILM 30 Jahre nach dem Fall der Mauer muss sich Astrid (Christiane Paul) fragen, unter welchen Umständen sie zu Paul (Ronald Zehrfeld) stehen kann.

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