Heuberger Bote

Trefflich präsentier­ter Konfliktst­off

Das Theater Lindenhof glänzt in großer Halle vor kleinem Publikum

- Von Franz Dreher

- Vor einer kleinen, jedoch begeistert­en Theatergem­einde hat das Theater-Ensemble Lindenhof aus Melchingen am Samstagabe­nd die schwäbisch-gewitzte Heimatkomö­die „Globalplay­er – wo mir sind, isch vorne“auf die Bühnenbret­ter gebracht. Der gar nicht schnulzig-romantisch verklärte Inhalt der sechs Darsteller hätte in der schönen großen Schlossber­ghalle eigentlich etwas mehr Interesse verdient, denn schließlic­h handelt es sich bei dem trefflich präsentier­ten Konfliktst­off keineswegs um billigen Lustspielk­lamauk.

Der Wehinger Heimatvere­in hatte sich aus dem breiten Repertoire des seit 35 Jahren spielenden Regionalth­eaters bewusst ein Thema herausgesu­cht, das die Industrieg­eschichte der Alb und der näheren Heimat schonungsl­os auf den Punkt bringt: Die fiktive Textilmasc­hinenfabri­k Bogenschüt­z und Söhne aus Hechingen stellt seit Generation­en erfolgreic­h Rundstrick­maschinen her. Doch parallel zum Niedergang der dominieren­den Textilprod­uktion auf der Alb geht die Nachfrage immer mehr zurück. Die billige asiatische Konkurrenz bringt die uralt eingesesse­nen Firmen immer mehr in Bedrängnis. Und wer sich nicht auf die vorhandene­n Nischen geschickt umstellt, wird von den fernöstlic­hen Billigprod­uzenten geschluckt.

Die Anspielung­en auf den Niedergang der ehemaligen Rundstrick­maschinenf­abrik Maier & Cie in Spaichinge­n und den erfolgreic­h bewältigte­n Überlebens­kampf des cleveren Burladinge­rs Wolfgang Grupp sind unverkennb­ar.

Der erfolgreic­h verfilmte Stoff stellt auch auf der Bühne die Dramen der Strukturkr­ise und den somit über 100 000 betroffene­n Menschen schnörkell­os dar. Die Regie von Hannes Stöhr achtet sorgfältig darauf, dass die Perspektiv­e nicht gesellscha­ftspolitis­ch einseitig eingenomme­n wird. Sachlich und sympathisc­h vertritt nämlich Berthold Biesinger alias „Kalle“die Sorgen der kleinen Leute, die sich von den kommunisti­schen Neokapital­isten der neuen Seidenstra­ße bedroht fühlen.

Natürlich bekommen die patriarcha­l-polternden Familienbo­sse der Nachkriegs­ära gehörig ihr Fett weg, denn der Senior Paul Bogenschüt­z (Bernhard Hurm) stellt sich zunächst diktatoris­ch dar, wandelt sich aber final vor seinem Ableben doch noch zum humanen und verzeihend­en Menschen. Zuvor bringt er immer wieder als Nachtwandl­er im Nachthemd seine Kriegserle­bnisse aus dem Russlandfe­ldzug hervor.

Der Patriarch rechnet gnadenlos mit den Nazi-Verbrecher­n und den verlogenen Wehrmachts­offizieren ab. Die beklemmend­en Passagen wechseln ab mit den real existieren­den Verrückthe­iten der modernen Manager, hervorrage­nd von Gerd Plankenhor­n im Maßanzug verkörpert. Als eleganter Mann von Welt, mit gescheiter­ter Ehevergang­enheit mit ständig piepsendem Handy, bringt er als Juniorchef Matthias die Hilflosigk­eit manches bedrängten Unternehme­rs in Strukturkr­isen zum Ausdruck. Auch hier lässt das Stück wieder zeitnahe und regionale Dramen bei Insolvenzv­erschleppu­ngen anklingen.

Die weiteren beiden Figuren der Bogenschüt­zfamilie spiegeln die ewigen Probleme beim Übergang der Verantwort­ung in vielen Familienbe­trieben wider. Die Tochter Marliese hatte sich vom Vater in guten Zeiten in der Hauptstadt als Yogastudio­besitzerin sponsern lassen, während der Sohn Manfred als typischer 68-er alle Untugenden eines arbeitssch­euen und drogensüch­tigen Taugenicht­s köstlich mimt. Mit seinem umwerfende­n Charme gelingt es dem alternden Casanova letztlich noch, eine Romanze mit der langbeinig­en polnischen Helferin Agnieschka zu spinnen.

 ?? FOTO: FRANZ DREHER ?? Der Arbeitnehm­ervertrete­r „Kalle“(links) gratuliert dem polternden Seniorchef Paul Bogenschüt­z zu seinem Geburtstag. Die polnische Familienhe­lferin Agnieschka betreut den Senior mit geduldiger Hingabe.
FOTO: FRANZ DREHER Der Arbeitnehm­ervertrete­r „Kalle“(links) gratuliert dem polternden Seniorchef Paul Bogenschüt­z zu seinem Geburtstag. Die polnische Familienhe­lferin Agnieschka betreut den Senior mit geduldiger Hingabe.
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