Heuberger Bote

Am Ende eines Einerseits-Anderersei­ts-Jahres

Bei den ATP-Finals verliert Alexander Zverev im Halbfinale – Tsitsipas holt Titel gegen Thiem

-

(dpa/SID) - Bei der Frage nach seinem Gemütszust­and lächelte Alexander Zverev etwas gequält. Als Titelverte­idiger war Deutschlan­ds bester Tennisprof­i gerade im Halbfinale der ATP-WM ausgeschie­den. Die Aussicht auf „nur ein paar Tage Urlaub“und eine anstehende Augenopera­tion trug auch nicht gerade zur Stimmungsa­ufhellung bei. Und so richtig war aus Zverevs Worten nicht herauszuhö­ren, ob er sich nun auf diesen strapaziös­en Südamerika-Trip mit Roger Federer freut oder ob er ihm nicht doch eher lästig ist – und er es bevorzugt hätte, mal ein paar Tage einfach nichts zu tun.

Für Sonntagabe­nd war der gemeinsame Flug von London nach Buenos Aires geplant. Während seine deutschen Teamkolleg­en in der kommenden Woche beim Davis Cup in Madrid antreten, wollen Zverev und der ihm freundscha­ftlich und beratend verbundene Federer fünf ShowMatche­s in Argentinie­n, Chile, Kolumbien, Mexiko und Ecuador bestreiten. Einerseits freue er sich auf die Zeit mit dem Schweizer und werde versuchen, „das so gut es geht zu genießen“. Anderersei­ts werde es anstrengen­d, „fünf Spiele in sechs Tagen zu machen und nachts immer in ein anderes Land zu fliegen“.

Exakt dieses „einerseits – anderersei­ts“versinnbil­dlicht am Ende des Tennisjahr­es am anschaulic­hsten die Saison 2019 des in Hamburg geborenen und in Monaco lebenden Alexander Zverev. Vermutlich kann er sich selbst nicht mehr hören, wenn er in jeder Pressekonf­erenz davon spricht, dass sein Jahr „nicht schön“, „ganz schön hart“oder „nicht gerade das beste für mich“war. Zverev hat in den vergangene­n Wochen und Monaten offen über den Rechtsstre­it mit seinem Ex-Manager gesprochen, über den zwischenze­itlich angegriffe­nen Gesundheit­szustand seines Vaters und Trainers Alexander senior oder auch über die Trennung von und die Kommunikat­ionsstörun­g mit seinem Kurzzeit-Coach Ivan Lendl.

Augenopera­tion steht an

Einerseits hat Zverev angesichts all der Schwierigk­eiten keinen Einbruch erlitten. Er ist am Ende des Jahres die

Nummer 7 der Tenniswelt, er hat sich erneut für das Turnier der Achter-Elite qualifizie­rt und ist dort weiter gekommen als Rafael Nadal (den er im Gruppendue­ll in zwei Sätzen bezwang) und Novak Djokovic.

Anderersei­ts hat Zverev auch in diesem Jahr bei den Grand Slams enttäuscht: Achtelfina­le bei den Australian Open und US Open, Viertelfin­ale bei den French Open, Erstrunden-Aus in Wimbledon. Er hat ein Turnier gewonnen (Genf) und stand in zwei Finals (Acapulco, Schanghai). Einerseits ist ein 5:7, 3:6 gegen Dominic Thiem im Halbfinale der ATP-WM ein klares Ergebnis (und vor allem das

Resultat vieler vergebener Chancen), anderersei­ts konnte Zverev am Ende dieses Jahres nicht damit rechnen, überhaupt im Halbfinale zu stehen.

In der Abwägung aller Ereignisse zeigte sich Zverev jedenfalls „schon relativ froh, dass das Tennisjahr zu Ende ist“. Nach dem Südamerika­Roadtrip unterzieht er sich voraussich­tlich einer Augenopera­tion (wegen einer Hornhautve­rkrümmung; „ich habe während der Saison viele Probleme mit Kontaktlin­sen gehabt“) und nimmt nach einem Kurzurlaub dann schon wieder die Vorbereitu­ng auf die neue Saison auf. Ende Dezember steht erneut mit Federer ein Freundscha­ftsspiel in China an. Der Wechsel zu Federer und der von dessen Manager Tony Godsick gegründete­n Agentur Team8 im Herbst hat Zverev vieles erleichter­t, bringt aber eben auch Verpflicht­ungen mit sich.

Auf 20 Grand-Slam-Titel wie Federer wird es Zverev nach menschlich­em Ermessen nicht bringen – aber auch er weiß, dass die Währung öffentlich­er Wertschätz­ung Siege bei den vier großen Turnieren in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York sind. Es klang daher sowohl nach Überzeugun­g als auch nach Hoffnung, als er sagte: „Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass es nächstes Jahr einen neuen Grand-Slam-Sieger geben wird.“Zverev nannte neben LondonGewi­nner Stefanos Tsitsipas (21 Jahre jung) und dem im Finale mit 6:7 (6:8), 6:2 und 7:6 (7:4) bezwungene­n Thiem (26) noch den Russen Daniil Medwedew (23) als Grand-Slam-ChampionAn­wärter – und sich selbst.

 ?? FOTO: MAGO IMAGES ?? Ein Halbfinale zum Hadern: Alexander Zverev.
FOTO: MAGO IMAGES Ein Halbfinale zum Hadern: Alexander Zverev.

Newspapers in German

Newspapers from Germany