Gewalt in Hongkong eskaliert
Gericht hebt Vermummungsverbot auf – EU ist besorgt
(dpa) - Inmitten der Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten hat Hongkongs Regierung eine peinliche Niederlage hinnehmen müssen. Ein Gericht verwarf das im Oktober verhängte Vermummungsverbot am Montag als verfassungswidrig. Die Zusammenstöße zwischen radikalen Aktivisten und Sicherheitskräften dauerten auch am Montag bis in den Abend an. Nach schweren Zusammenstößen in der Nacht zum Montag an der Polytechnischen
Universität belagerte die Polizei zudem das Gelände, auf dem noch bis zu 200 Studenten festsaßen. Aktivisten hatten dort Brandsätze auf Sicherheitskräfte geschleudert und mit Pfeil und Bogen auf Polizisten geschossen. Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini sagte am Montag in Brüssel, man habe Berichte gesehen, nach denen Ersthelfer festgenommen wurden, als sie Verletzten halfen. „Das ist Anlass für große Besorgnis“, sagte sie.
(dpa) - Die Lage in Hongkong eskaliert. Nach schweren Ausschreitungen belagert die Polizei eine Universität in der chinesischen Sonderverwaltungszone.
Feuer lodert in den nächtlichen Himmel. Eine Universität, ein Flammenmeer. Auch ein Mannschaftswagen der Polizei brennt – von einem Molotowcocktail getroffen. „Wenn wir brennen, brennt ihr mit uns“, zitieren Hongkonger Demonstranten gerne aus der dystopischen ScienceFiction-Filmreihe „Die Tribute von Panem“. Ein Kampf des Guten gegen das Böse? Ist es so einfach?
Am Morgen danach gleicht die Polytechnische Universität einem Schlachtfeld. Die Straßen übersät mit Trümmern und Backsteinen. Obwohl einige fliehen können, sitzen am Montagabend noch weiter Hunderte junge Leute auf dem Gelände fest. Die Polizei hat einen Belagerungsring um die Hochschule gezogen.
An einer Polizeiabsperrung im Stadtviertel Tsim Sha Tsui haben sich Eltern versammelt. Unter Tränen bitten sie die Polizisten, den jungen Leuten in der Hochschule zu erlauben, wieder herauszukommen. Eine Mutter fällt weinend auf die Knie. Ihre Tochter sei auf dem Campus. „Ich bin besorgt. Als Elternteil fühle ich mich hilflos“, sagt sie dem Rundfunksender RTHK.
Schulvertreter appellieren an die Behörden, die jungen Leute aus der Universität herauszulassen. Am Abend konnten Verletzte mithilfe von medizinischem Personal das Gelände verlassen, mussten aber der Polizei ihre Personalien geben, wie RTHK berichtete. Eine andere Gruppe von Demonstranten habe aus der Universität flüchten können, indem sie sich aus acht Meter Höhe auf eine Hochstraße abgeseilt hätten.
Am Abend zuvor hatten die Sicherheitskräfte den Studenten ein Ultimatum bis 22 Uhr gesetzt, um das Gelände durch einen vorgegebenen Ausgang zu verlassen. Kurz danach setzte die Polizei Tränengas ein. Die Demonstranten errichteten Barrikaden, legten Brände. Im Morgengrauen unternahm die Polizei einen neuen Versuch, auf das Gelände vorzudringen. Die Aktivisten entzündeten wieder ein Feuer, um die Uniformierten abzuwehren.
Die Polizei bestreitet, das Gelände „gestürmt“zu haben. Es ist vielmehr von einem anhaltenden Einsatz die Rede. „Aufrührer, die sich auf dem Gelände versammelt haben, legten Feuer und richteten schwere Schäden an“, teilt die Polizei mit. „Explosivstoffe, brennbare Materialien und gefährliche Güter stellen dort auch eine Gefahr für alle dar.“
Die Hochschulen sind die neuen Brennpunkte der seit fünf Monaten anhaltenden Proteste. Vorzeitig wurden die Semester beendet und die Studenten in die Ferien geschickt. Der Unmut im Volk ist groß – ebenso wie die Unterstützung für die jungen Leute. Jetzt wird nicht nur am Wochenende protestiert, sondern auch unter der Woche – selbst in der Mittagspause. Auch am Dienstag sollten alle Schulen und Kindergärten erst einmal geschlossen bleiben.
Eigentlich sollen am Sonntag Bezirksräte gewählt werden. Nun aber denkt die Regierung laut darüber nach, die Abstimmung zu verschieben – und nährt damit nur den Verdacht des demokratischen Lagers, dass Wahlen bei den Reichen und Mächtigen ohnehin unerwünscht sind. Zuvor wurde schon der Vorwurf der Manipulation laut: Joshua Wong, ein Wortführer der Demokratiebewegung, war als Kandidat disqualifiziert worden.