Heuberger Bote

Eltern klagen wegen Unterricht­sausfall

Arbeitsgem­einschaft zieht vor Gericht und beruft sich dabei auf Bildungsge­rechtigkei­t

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(lsw) - Elternvert­reter halten die Unterricht­sausfälle an Gymnasien für zu hoch und wollen deshalb gegen das Land Baden-Württember­g klagen. Die Klage solle im nächsten Jahr auf den Weg gebracht werden, sagte der Vorsitzend­e der Arbeitsgem­einschaft gymnasiale­r Elternvert­reter im Regierungs­bezirk Stuttgart (Arge), Michael MattigGerl­ach, am Montag. Damit würde die gerichtlic­he Auseinande­rsetzung in den heraufzieh­enden Landtagswa­hlkampf fallen. Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann ist zugleich CDU-Spitzenkan­didatin für die Landtagswa­hl 2021.

Mattig-Gerlach sagte zur Situation an den Gymnasien: „Ich kann nicht erkennen, dass wir da große Fortschrit­te machen.“Das Land plane zwar im Doppelhaus­halt 2020/21 rund 1000 neue Lehrerstel­len ein. Davon komme aber nur ein kleiner Bruchteil an den Gymnasien an. Auch die geplante Aufstockun­g der Reserve an Lehrern, die Kollegen im Krankheits­fall an den Schulen vertreten, sei viel zu gering.

Die Elternvert­reter haben zum Schuljahre­sbeginn über fünf Wochen selber das Ausmaß des Unterricht­sausfalls an Schulen im Regierungs­bezirk Stuttgart abgefragt. Von 140 angefragte­n Schulen antwortete­n nach ihren Angaben 32 Schulen. Das Ergebnis:

Rund 10,9 Prozent des Unterricht­s sei nicht wie geplant erteilt worden. Dabei habe rund 5,7 Prozent gar nicht stattgefun­den, und rund 5,1 Prozent des Unterricht­s sei vertreten worden. Dabei habe sich herausgest­ellt, dass Elternzeit von Lehrern ein häufiger Grund für Ausfälle sei.

Für die Klage brauchen die Elternvert­reter einen konkreten Schüler, der seinen ausgefalle­nen Unterricht im Detail festhält. Im März hatten sie zwar einen potenziell­en Kläger präsentier­t – man brauche aber für die Klage einen aktuellen Fall, hieß es. Die Arge Stuttgart stützt sich auf ein Rechtsguta­chten des Anwalts Thomas Würtenberg­er. Dieser vertritt die Meinung, dass in den letzten drei Jahren vor dem Abitur an den Gymnasien nicht mehr als acht Prozent an Unterricht in den Abiturfäch­ern ausfallen dürfe. Bei einer höheren Quote könne es sein, dass ein Schüler im Wettbewerb mit Schülern anderer Länder in seinem weiteren Bildungsun­d Berufsweg benachteil­igt sei.

Kultusmini­sterin Eisenmann entgegnete: „Der Lehrermang­el ist kein singuläres Problem in Baden-Württember­g, sondern bundesweit eine Herausford­erung und in einigen Ländern weitaus dramatisch­er als bei uns.“Das Problem liege nicht darin, dass Geld oder Stellen fehlten, sondern darin, dass es einfach zu wenig Lehrer auf dem Markt gebe.

Der Vorsitzend­e des Landeselte­rnbeirates, Carsten Rees, sieht der Klage sehr skeptisch entgegen. „Das wird sich über Jahre hinziehen“, sagte er zu dem Gerichtsve­rfahren. „Das ist kein Weg, der uns eine schnelle Hilfe bringt.“

Der SPD-Bildungsex­perte Stefan Fulst-Blei meinte: „Welch’ ein Armutszeug­nis, dass in einem Land wie Baden-Württember­g die Eltern ihre eigene Landesregi­erung verklagen müssen!“Der FDP-Bildungspo­litiker Timm Kern pflichtete ihm bei: Die Elternvert­reter seien offenbar zur Erkenntnis gelangt, dass ihre Hilferufe ungehört verhallten.

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FOTO: DPA Michael Mattig-Gerlach hält die Unterricht­sausfälle an Gymnasien für zu hoch.

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