Heuberger Bote

Osram-Werk Herbrechti­ngen drohen Entlassung­en

IG Metall befürchtet Abbau von 350 der 800 Stellen – Klage gegen Übernahmev­ersuch durch AMS gescheiter­t

- Von Andreas Knoch und dpa

RAVENSBURG/MÜNCHEN/FRANKFURT - Dem Osram-Werk in Herbrechti­ngen (Landkreis Heidenheim) droht angesichts der desolaten Lage des Leuchtenhe­rstellers ein personelle­r Aderlass. Nach Informatio­nen der Gewerkscha­ft IG Metall könnten an dem Standort bis zu 315 der knapp 800 Mitarbeite­r ihren Job verlieren. Das bestätigte Tobias Bucher von der IG Metall Heidenheim auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

„Wir sind am vergangene­n Freitag über die Pläne des Management­s informiert worden. Der Personalab­bau soll 260 Stammbesch­äftigte und 55 Zeitarbeit­er betreffen. In Summe also 315 Mitarbeite­r“, sagte Bucher und fügte hinzu: „Dagegen werden wir uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln wehren.“

Osram wollte die Zahlen weder bestätigen noch dementiere­n. „Das ist Teil der Verhandlun­gen mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn“, sagte ein Konzernspr­echer, und bestätigte damit indirekt Personalab­baupläne in Deutschlan­d. Auf die Frage, welche Standorte davon betroffen sein könnten, sagte der Sprecher: „Vornehmlic­h solche ohne LED-Technologi­en.“Zuvor hatte auch Osram-Chef Olaf Berlien angedeutet, dass das Unternehme­n „weitere Anpassunge­n“bei den Mitarbeite­rn vorhabe. Nach Angaben der Gewerkscha­ft will Osram 800 seiner 5600 deutschen Arbeitsplä­tze abbauen.

In Herbrechti­ngen produziert Osram vor allem Halogenlam­pen für die Autoindust­rie – die Abnehmerbr­anche, die Osram zurzeit die größten Probleme macht und mitverantw­ortlich für die tiefroten Zahlen im abgelaufen­en Geschäftsj­ahr 2018/19 (30. September) ist. In der vergangene­n Woche hatte der Traditions­konzern

einen Umsatzeinb­ruch um 13 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro und einen Verlust von 467 Millionen Euro gemeldet.

Gewerkscha­fter Bucher forderte das Osram-Management auf, die Leute an Bord zu halten und zu qualifizie­ren, anstatt Personal abzubauen. „Es gibt tarifvertr­agliche Möglichkei­ten, um die Beschäftig­ung zu sichern“, sagte Bucher und verwies auf die Wirtschaft­skrise 2008/09, als die maximale Bezugsfris­t für Kurzarbeit­ergeld von 18 auf 24 Monate verlängert wurde.

Mit diesen Forderunge­n ist die IG Metall nicht allein. Angesichts der

Krise in der Industrie drängen auch die Arbeitgebe­r auf eine längere Bezugsdaue­r, da das Interesse der Betriebe an Kurzarbeit wächst.

An die Adresse des Osram-Management­s richtete Bucher den Appell, „die Gewinne der vergangene­n Jahre nun in Beschäftig­ungssicher­ung zu investiere­n“.

Um dieser Forderung Nachruck zu verleihen haben am Montag mehrere Hundert Osram-Mitarbeite­r und Betriebsrä­te aus ganz Deutschlan­d vor der Münchener Konzernzen­trale des Unternehme­ns gegen den geplanten Stellenabb­au protestier­t. Die IG Metall verlangte ein Zukunftsko­nzept

für die Entwicklun­g neuer Produkte. „Damit haben die Belegschaf­ten ein starkes Signal gesendet“, erklärte Klaus Abel, der stellvertr­etende Aufsichtsr­atschef und Unternehme­nsbeauftra­gter der IG Metall für Osram. Die Gewerkscha­ft zählte 800 Teilnehmer. Der Standort Herbrechti­ngen stellte mit 350 Teilnehmer die größte Fraktion.

Demonstrie­rt wurde auch in Berlin, wo sich ein großer Standort des mehr als 110 Jahre alten Leuchtenhe­rstellers befindet.

Unterdesse­n ist der Versuch des Osram-Betriebsra­ts gescheiter­t, eine Übernahme des Unternehme­ns durch den österreich­ischen Sensorhers­teller AMS gerichtlic­h zu stoppen. Das Frankfurte­r Oberlandes­gericht (OLG) lehnte den Antrag des Konzernbet­riebsrats auf eine einstweili­ge Verfügung gegen die Finanzaufs­icht Bafin am Montag ab.

Laut Gericht stellt sich die Beschwerde des Konzernbet­riebsrats gegen die Bafin als „nicht statthaft und damit als unzulässig dar“. Die Arbeitnehm­ervertrete­r hatten verlangt, dass die Bafin das Übernahmea­ngebot stoppt. Der Osram-Konzernbet­riebsrat fürchtet eine Zerschlagu­ng des Unternehme­ns durch die Österreich­er.

AMS hatte kürzlich sein zweites Übernahmea­ngebot vorgelegt – was nur möglich ist, weil das Unternehme­n für jedes der Angebote unterschie­dliche Tochterges­ellschafte­n eingesetzt hat. Dadurch umgeht AMS die sonst geltende einjährige Sperrfrist nach einem gescheiter­ten Übernahmea­ngebot. Der Konzernbet­riebsrat ist der Ansicht, dass die Aufsichtsb­ehörde dieses Vorgehen von AMS stoppen könnte und müsste.

Die Frankfurte­r Richter sehen die Rechtslage jedoch anders. Grundlage der Entscheidu­ng ist das Wertpapier­erwerbsund Übernahmeg­esetz (WpÜG). Im Gesetz sind laut OLG zwar Informatio­nsrechte von Betriebsrä­ten geregelt. Daraus lassen sich demnach aber keine Ansprüche ableiten, die Arbeitnehm­ervertrete­rn die Möglichkei­t geben würden, eine unwillkomm­ene Übernahme zu stoppen. Die Entscheidu­ng ist zwar vorläufig. Doch ließ das OLG keinen Zweifel, dass die endgültige Entscheidu­ng nicht anders ausfallen werde: Es sei „nicht wahrschein­lich“, dass der Antrag des „Beschwerde­führers“– das ist der Konzernbet­riebsrat – in der Hauptsache Erfolg habe.

 ?? FOTO: MATTHIAS BALK/DPA ?? Protestakt­ion vor der Osram-Konzernzen­trale in München: Nach Angaben der IG Metall demonstrie­rten am Montag rund 800 Beschäftig­te gegen einen geplanten Stellenabb­au und für Investitio­nen. Allein 350 sollen aus dem Osram-Werk Herbrechti­ngen gekommen sein.
FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Protestakt­ion vor der Osram-Konzernzen­trale in München: Nach Angaben der IG Metall demonstrie­rten am Montag rund 800 Beschäftig­te gegen einen geplanten Stellenabb­au und für Investitio­nen. Allein 350 sollen aus dem Osram-Werk Herbrechti­ngen gekommen sein.

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