Osram-Werk Herbrechtingen drohen Entlassungen
IG Metall befürchtet Abbau von 350 der 800 Stellen – Klage gegen Übernahmeversuch durch AMS gescheitert
RAVENSBURG/MÜNCHEN/FRANKFURT - Dem Osram-Werk in Herbrechtingen (Landkreis Heidenheim) droht angesichts der desolaten Lage des Leuchtenherstellers ein personeller Aderlass. Nach Informationen der Gewerkschaft IG Metall könnten an dem Standort bis zu 315 der knapp 800 Mitarbeiter ihren Job verlieren. Das bestätigte Tobias Bucher von der IG Metall Heidenheim auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
„Wir sind am vergangenen Freitag über die Pläne des Managements informiert worden. Der Personalabbau soll 260 Stammbeschäftigte und 55 Zeitarbeiter betreffen. In Summe also 315 Mitarbeiter“, sagte Bucher und fügte hinzu: „Dagegen werden wir uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln wehren.“
Osram wollte die Zahlen weder bestätigen noch dementieren. „Das ist Teil der Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern“, sagte ein Konzernsprecher, und bestätigte damit indirekt Personalabbaupläne in Deutschland. Auf die Frage, welche Standorte davon betroffen sein könnten, sagte der Sprecher: „Vornehmlich solche ohne LED-Technologien.“Zuvor hatte auch Osram-Chef Olaf Berlien angedeutet, dass das Unternehmen „weitere Anpassungen“bei den Mitarbeitern vorhabe. Nach Angaben der Gewerkschaft will Osram 800 seiner 5600 deutschen Arbeitsplätze abbauen.
In Herbrechtingen produziert Osram vor allem Halogenlampen für die Autoindustrie – die Abnehmerbranche, die Osram zurzeit die größten Probleme macht und mitverantwortlich für die tiefroten Zahlen im abgelaufenen Geschäftsjahr 2018/19 (30. September) ist. In der vergangenen Woche hatte der Traditionskonzern
einen Umsatzeinbruch um 13 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro und einen Verlust von 467 Millionen Euro gemeldet.
Gewerkschafter Bucher forderte das Osram-Management auf, die Leute an Bord zu halten und zu qualifizieren, anstatt Personal abzubauen. „Es gibt tarifvertragliche Möglichkeiten, um die Beschäftigung zu sichern“, sagte Bucher und verwies auf die Wirtschaftskrise 2008/09, als die maximale Bezugsfrist für Kurzarbeitergeld von 18 auf 24 Monate verlängert wurde.
Mit diesen Forderungen ist die IG Metall nicht allein. Angesichts der
Krise in der Industrie drängen auch die Arbeitgeber auf eine längere Bezugsdauer, da das Interesse der Betriebe an Kurzarbeit wächst.
An die Adresse des Osram-Managements richtete Bucher den Appell, „die Gewinne der vergangenen Jahre nun in Beschäftigungssicherung zu investieren“.
Um dieser Forderung Nachruck zu verleihen haben am Montag mehrere Hundert Osram-Mitarbeiter und Betriebsräte aus ganz Deutschland vor der Münchener Konzernzentrale des Unternehmens gegen den geplanten Stellenabbau protestiert. Die IG Metall verlangte ein Zukunftskonzept
für die Entwicklung neuer Produkte. „Damit haben die Belegschaften ein starkes Signal gesendet“, erklärte Klaus Abel, der stellvertretende Aufsichtsratschef und Unternehmensbeauftragter der IG Metall für Osram. Die Gewerkschaft zählte 800 Teilnehmer. Der Standort Herbrechtingen stellte mit 350 Teilnehmer die größte Fraktion.
Demonstriert wurde auch in Berlin, wo sich ein großer Standort des mehr als 110 Jahre alten Leuchtenherstellers befindet.
Unterdessen ist der Versuch des Osram-Betriebsrats gescheitert, eine Übernahme des Unternehmens durch den österreichischen Sensorhersteller AMS gerichtlich zu stoppen. Das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) lehnte den Antrag des Konzernbetriebsrats auf eine einstweilige Verfügung gegen die Finanzaufsicht Bafin am Montag ab.
Laut Gericht stellt sich die Beschwerde des Konzernbetriebsrats gegen die Bafin als „nicht statthaft und damit als unzulässig dar“. Die Arbeitnehmervertreter hatten verlangt, dass die Bafin das Übernahmeangebot stoppt. Der Osram-Konzernbetriebsrat fürchtet eine Zerschlagung des Unternehmens durch die Österreicher.
AMS hatte kürzlich sein zweites Übernahmeangebot vorgelegt – was nur möglich ist, weil das Unternehmen für jedes der Angebote unterschiedliche Tochtergesellschaften eingesetzt hat. Dadurch umgeht AMS die sonst geltende einjährige Sperrfrist nach einem gescheiterten Übernahmeangebot. Der Konzernbetriebsrat ist der Ansicht, dass die Aufsichtsbehörde dieses Vorgehen von AMS stoppen könnte und müsste.
Die Frankfurter Richter sehen die Rechtslage jedoch anders. Grundlage der Entscheidung ist das Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetz (WpÜG). Im Gesetz sind laut OLG zwar Informationsrechte von Betriebsräten geregelt. Daraus lassen sich demnach aber keine Ansprüche ableiten, die Arbeitnehmervertretern die Möglichkeit geben würden, eine unwillkommene Übernahme zu stoppen. Die Entscheidung ist zwar vorläufig. Doch ließ das OLG keinen Zweifel, dass die endgültige Entscheidung nicht anders ausfallen werde: Es sei „nicht wahrscheinlich“, dass der Antrag des „Beschwerdeführers“– das ist der Konzernbetriebsrat – in der Hauptsache Erfolg habe.