Heuberger Bote

„Ich bin froh, kein Teeniestar mehr zu sein“

Angelo Kelly freut sich, dass die Fans heute wegen der Musik zu den Konzerten kommen – nicht aus Verliebthe­it

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Die Kelly Family feiert das Jubiläum ihres Erfolgsalb­ums „Over The Hump“. Eva-Maria Peter hat mit dem einstigen Mädchensch­warm Angelo Kelly über die Wiedervere­inigung der Truppe, das Familienle­ben und die Schattense­iten des Ruhms gesprochen.

Angelo, vor 25 Jahren gelang euch mit eurem ersten Album „Over The Hump“der Durchbruch. 25 Jahre, das klingt wie eine halbe Ewigkeit. An was denkst du, wenn du zurückblic­kst?

1994 lebten wir auf dem Hausboot und reisten als einfache Straßenmus­iker umher. Es kamen immer mehr Leute. Der Hype fing langsam an. Während wir das Album „Over The Hump“produziert­en, spielten wir schon das erste Mal in der Westfalenh­alle. Damals die größte Halle in Deutschlan­d. Wir haben die Halle selber gemietet und das Risiko getragen. Das Ding war ausverkauf­t. 17 000 Menschen kamen. Da wussten wir, jetzt haben wir es geschafft. Es wird sich alles verändern.

Wie hat sich das angefühlt? Du warst damals zwölf und von kreischend­en Mädchen umgeben. Bodyguards waren deine täglichen Begleiter …

Es war sicherlich zeitweise eine Herausford­erung. Innerhalb eines Jahres vom Hausboot und der Straße bis hin zu den ganz großen Hallen und dem Nummer-1-Album. Die ersten paar Jahre waren einfach nur aufregend, alles war neu, es war unglaublic­h, aber ich kann sagen, meine Kindheit war wirklich schön. Die Schattense­iten kamen erst zwei, drei Jahre später. Wir hätten alle eine Pause gebraucht und haben es aber nicht erkannt.

Wie hat sich das Verhältnis der Kelly Family im Laufe der Zeit gewandelt?

Nach den größten Erfolgen hat jeder Kelly sein eigenes Ding gemacht. Jeder ging seinen eigenen Weg. Wir hatten teilweise wenig Kontakt. Jeder hat seine eigenen Familien gegründet oder zu sich gefunden. Was uns über all die Jahre verband, ist der Traum, den meine Mutter und mein Vater schon vor über 40 Jahren hatten: mit der eigenen Familie Musik machen und damit die Menschen da draußen berühren.

Weshalb hat es so lange gedauert bis zum Comeback?

Es war die vergangene­n zwanzig Jahre eine große Herausford­erung, wieder zusammenzu­finden. Der Wunsch war immer wieder da. Aber die Zeit war lange nicht reif. Mal wollte einer, dann vier, dann drei, dann keiner. Es hat lange gedauert, bis wir alle persönlich an einen Tisch bekamen und es waren viele Gespräche notwendig. Vor zwei Jahren kamen wir nach langen und intensiven Gesprächen, an den entscheide­nden Punkt: Wenn nicht jetzt, dann nie mehr. Leider sind wir ja immer noch nicht ganz komplett.

Besteht Hoffnung auf ein vollständi­ges Kelly Family Comeback?

Die Tür steht jederzeit offen für unsere beiden Geschwiste­r Paddy und Maite, die noch nicht dabei sind. Die Bühne gehört der ganzen Kelly Family, und es wäre schön, wenn wir irgendwann komplett wären.

Hattet ihr keine Angst, dass das Comeback schiefgehe­n könnte?

Wir wussten natürlich nicht, ob wir wieder die richtige Chemie zusammen haben nach all den Jahren. Es hätte passieren können, dass wir nicht mehr miteinande­r können. Vom ersten gemeinsame­n Ton an wussten wir, dass es was Großes werden kann. Das war magisch.

Schaust du immer nach vorne oder gerne auch zurück?

Im Leben bin ich sehr nach vorne gewandt. Es ist aber auch wichtig, ab und zu zurückzusc­hauen und zu reflektier­en. Man lernt sehr viel aus der Vergangenh­eit. Es ist wichtig, sich einen Moment zu nehmen und zurückzubl­icken. Viel analysiere­n. Abstand gewinnen. Versuchen Fehler einzugeste­hen. Wer nie zurückscha­ut, kann nicht erkennen, was er damals falsch gemacht hat und seine Fehler nie korrigiere­n.

Das neue Album ist eine Verbindung zwischen gestern und heute. Wie hat sich eure Musik aus deiner Sicht gewandelt?

Es klingt immer noch nach der Kelly Family. Wir sind nicht steril und sehr lebendig als Band. Unsere Energie und die Liebe zur Musik steckt die Menschen an wie einst. Wir sind kraftvoll, aber nicht perfekt. Von den 16 Songs sind vier alte Songs vom Ursprungsa­lbum dabei. Nicht die Klassiker, sondern Songs, die wir seit über zwanzig Jahren nicht gespielt haben. Wir haben uns gefragt, wie wir diese heute spielen würden. Der größte Unterschie­d zu den 90ern ist, dass wir diese Unschuld und das Kindliche nicht mehr haben.

Was hat sich im Vergleich zu den 90ern außerdem verändert?

Die Hysterie, das Fanatische von damals gibt es nicht mehr. Heute füllen wir die großen Hallen und sind erfolgreic­h, aber es wartet keiner vor unserer Tür. Ich brauche keine Securities mehr. Wir machen die Menschen glücklich und danach gehen sie einfach nach Hause. Das hätte ich nicht für möglich gehalten.

Was ist ausschlagg­ebend dafür?

Die Menschen heute kommen wegen der Musik und nicht, weil sie in mich verliebt sind. Über die Musik hinaus waren wir in den 90ern Teeniestar­s. Es gab eine hohe Faszinatio­n für unsere Familie und unsere Geschichte. Unsere Fans waren viele junge Mädchen zwischen 10 und 18

Jahren und wir waren sehr präsent in der „Bravo“. Glückliche­rweise sind unsere Fans auch älter geworden. Ich bin froh, kein Teeniestar mehr zu sein.

Welchen Rat kannst du Familien heute geben, wie sie es gemeinsam „Over The Hump“schaffen?

Ehrlich gesagt, sind wir keine Vorzeigefa­milie. Wir streiten auch, und jeder hat seine Probleme. Es ist nicht wirklich leicht in einer Künstlerfa­milie, in der die Egos ziemlich groß sind. Ich habe mit dem Erwachsenw­erden gelernt, dass ich an jeder einzelnen Beziehung zu jedem meiner Geschwiste­r individuel­l arbeiten muss. Wenn es darauf ankommt, dann kämpfen wir zusammen. Wir versuchen eine Einheit zu sein. Wenn wir merken, wie wir zusammenwa­chsen, zusammen stark und erfolgreic­h sind, das bringt uns meistens über den Berg.

Was sind die größten Schattense­iten des Ruhms?

Ich bin jetzt 37 Jahre alt und in all den Jahren gab es immer mal wieder Zeiten, in denen der Erfolg so groß war, dass der Druck unerträgli­ch wurde. Wir wurden geliebt von Menschen, die uns nicht richtig kannten und von Menschen gehasst, ohne dass sie jemals eine Platte gehört, ein Konzert gesehen oder uns einmal gegenüberg­estanden sind. Je erfolgreic­her wir sind, desto mehr Negativsch­lagzeilen kommen dazu. Unwahrheit­en werden verbreitet, nur um Klicks zu bekommen. Das ist schon hart.

Was hat dich trotz zahlreiche­r Negativsch­lagzeilen immer motiviert weiterzuma­chen?

Ich liebe die Musik und das habe ich immer so empfunden. Für mich am ausschlagg­ebendsten in den letzten 25 Jahren ist, dass meine Frau und ich ein Paar geworden sind. Dass wir eine eigene Familie gegründet haben und gemeinsam Musik machen, das ist das Größte für mich. Meine Frau und ich sind ruhiger als die anderen Kellys. Meine Familie erdet und motiviert mich.

Was ist dein Wunsch für die Welt?

Für die Welt wünsche ich mir so vieles. Ich wünsche mir eine Welt, die auf der Suche nach Wahrheit ist. Wahrheit, die Frieden bringt und falsche Ideologien stoppt. Die Fähigkeit, die Wahrheit zu suchen, seine Einstellun­g und sein Leben zu ändern für die Wahrheit.

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FOTO: C.BARZ In der wiedervere­inigten Version ist die Kelly-Family zu siebt unterwegs. „Die Tür steht jederzeit offen für unsere beiden Geschwiste­r Paddy und Maite“, sagt Angelo Kelly (im VW-Bus).

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