„Die große Ertragszeit ist vorbei“
Klimawandel macht Wald zu schaffen - Trossingen rechnet für 2020 noch mit kleinem Plus
- Vom Wald als großer Einnahmequelle wird sich die Stadt verabschieden müssen. Der Klimawandel macht dem Forst in Form von Hitze und Borkenkäfern zu schaffen, die Preise auf dem Holzmarkt fallen. Trotzdem stehe Trossingen im Vergleich mit anderen Gemeinden und Regionen noch gut da, erläuterte die Leiterin des Kreisforstamts, Verena Dorsch, in der Gemeinderatssitzung am Montagabend.
„43 Prozent des baden-württembergischen Walds sind geschädigt“, stellte Dorsch fest. Auch der Landkreis Tuttlingen sei dieses Jahr „gebeutelt“mit 56 000 Festmetern beschädigtem Holz. Zur Käferplage kam Schneebruch auf dem Heuberg dazu. „Die trockenen, heißen Sommer 2018 und 2019 haben dem Wald stark zu schaffen gemacht“, sagte Dorsch. Im Winter fehlte der Niederschlag, und was an den Bäumen zehrte, waren beste Bedingungen für Borkenkäfer.
Auch in Trossingen machte sich dies bemerkbar: 52 Prozent des Holzeinschlags war 2019 auf Schädlinge zurückzuführen, nur 48 Prozent erfolgten planmäßig. Diese Zahl überraschte Jürgen Vosseler (CDU) trotz Kenntnis um die Käferplage dann doch, wie er sagte. „Und dabei ist Trossingen noch mit einem blauen Auge davongekommen“, meinte die Forstamtsleiterin. Grund sei die Höhenlage, die kühlere Temperaturen mit sich bringe. Anderswo sei die Situation deutlich schlimmer - in Waldshut etwa „fressen die Käfer wirklich den Wald.“
Das betrifft auch den finanziellen Aspekt. Während Gemeinden wie Durchhausen im kommenden Jahr mit einem Minus rechnen (mehr auf
Seite 16), ist für Trossingen 2020 immerhin noch ein Plus von 13 900 Euro geplant. 3000 Festmeter Holz sollen eingeschlagen werden. Im Vergleich zu den Vorjahren ist das wenig: 2018 spülte der Wald 61 000 Euro in die Stadtkasse, dieses Jahr werden es voraussichtlich 40 000 Euro sein.
Hilmar Fleischer (FDP) wollte wissen, ob man den Borkenkäferbefall einfach hinnehmen müsse. „Leider kann man den Käfern nicht vorbeugen“, bedauerte Dorsch, „man kann den Wald nicht mit Pflanzenschutzmitteln abspritzen oder ähnliches.“Gefragt seien die Revierförster vor Ort: Befallene Bäume müssten rasch entdeckt und abgeholzt werden. Wird ein Käferbaum nicht gefunden, befällt die erste Generation beim Ausschwärmen 20 Bäume, die zweite 400 und die dritte 8000 Bäume. Käferfallen, beantwortete Dorsch eine Frage von Wolfgang Steuer (Offene Grüne Liste) dienen lediglich dazu, einen Überblick über die Käfermenge zu bekommen - abschöpfen ließen sich die Schädlinge dadurch nicht.
Steuers Fraktionskollege Gerhard Brummer betonte, dass der Wald für die kommenden Generationen erhalten werden müsse. Ob nicht andere Baumarten helfen könnten? „Wir wollen uns breit aufstellen“, bestätigte Dorsch. Es gebe Versuche mit verschiedenen Baumarten, die mehr Wärme vertragen. Sie machte allerdings unmissverständlich klar: „Die große Ertragszeit aus dem Wald ist vorbei.“Der Stadtwald ist derzeit von Nadelholz geprägt, mehr Laubbäume sollen eingebracht werden.
Ein ganz anderes Anliegen hatte Susanne Reinhardt-Klotz (Offene Grüne Liste), die Revierförster Klaus Butschle darum bat, im Wald Haufen von Totholz liegen zu lassen. Diese seien für Insekten und Säugetiere wichtig als Futter und Unterschlupf.
Für den Wald, das legten Dorsch und Butschle dar, stehen also Veränderungen an. Ab dem 1. Januar 2020 startet die neue Forstorganisation: Kommunen können sich auf Wunsch fortan selbst um ihren Wald kümmern, wobei bis auf Tuttlingen, Geisingen und Immendingen alle Gemeinden beim Landkreis verbleiben werden. 14 Kreisreviere wird es künftig geben, dazu ein Kreisrevier Hegaualb, das für den Immendinger Privatwald zuständig sein wird. „Wir sind jetzt zukunftsfähig aufgestellt“, kommentierte Dorsch die Reform, „und hoffen, dass Ruhe einkehrt.“Doch auch wenn sich der bürokratische Trubel legt, in Sachen Käfer wird es wohl keine Verschnaufspause geben. „Es wird wohl wieder ein schwieriges Jahr“, sagte sie. „Wir hoffen auf einen nassen, milden Winter.“