Rathaussanierung: Eine Baustelle zu viel
Verwaltungsgebäude in Seitingen-Oberflacht bleibt für die nächsten Jahre ein Sanierungsfall
SEITINGEN-OBERFLACHT - Wenn Jürgen Buhl die Heizung in seinem Büro in Seitingen-Oberflacht aufdreht, heizt er die Luft in der Gemeinde gleich mit. Das Rathausdach ist nicht isoliert. „Energetisch ist das eine Katastrophe“, sagt Buhl. Damit ist es nicht getan. Die Mängelliste des Rathauses ist lang. Eine Sanierung wird schon seit Jahren diskutiert. Doch die ist einfach nicht drin. In Seitingen-Oberflacht laufen millionenschwere Bauprojekte. Die nächsten für 2020 stehen schon in den Startlöchern, das Rathaus dagegen hängt in der Warteschleife.
Im Büro von Jürgen Buhl stapeln sich die Akten. Sie bedecken zwei Schreibtische, ein Regal und beide Fensterbänke. Er weiß nicht, wohin mit all den Unterlagen. „Das Treppenhaus ist viel zu groß. Dafür haben wir keinen Platz in den Büros. Die sind viel zu beengt“, sagt Buhl. Das ist nicht nur problematisch, weil die Ordnung in den Büros leidet. „Vor zwei Jahren hat ein Tennisball die Dachrinne verstopft. Da hat es so stark rein geregnet, dass Akten durchnässt wurden.“Eine Mitarbeiterin habe noch rechtzeitig reagieren und die Unterlagen schützen können.
Seitdem ist das zwar nicht mehr vorgekommen. Aber der Zustand des Rathauses belastet auch sonst den Alltag der Mitarbeiter. „Die Bürowände sind so dünn, dass hier jeder bei den Kollegen mithören kann.“Um ein vertrauliches Gespräch zu führen, müsse er sich in den Sitzungssaal zurückziehen, sagt Buhl.
Wer den Weg zum Bürgermeister sucht, findet ihn nur über Treppen. Das Rathaus ist nicht barrierefrei. Seit dem vergangenen Jahr hat man das Bürgerbüro immerhin ins Erdgeschoss verlagert – ein Provisorium.
Das wird erst einmal so bleiben. Ein Bauprojekt reiht sich an das nächste. „Im Juli haben wir das Ganztagsschulgebäude eingeweiht. Das waren drei Millionen Euro“, sagt Buhl. Die Rechnung schreibt sich fort. Die Bauarbeiten an der Ostbaarhalle sind noch nicht abgeschlossen. Die Sanierung schluckt insgesamt 3,5
Millionen Euro. Mehr als ein Drittel davon muss die Gemeinde im kommenden Jahr stemmen.
Eine weitere Million gibt die Gemeinde ab dem kommenden Jahr für den Anbau des Kindergartens aus. „2016 war ein geburtenstarkes Jahr. Anfang 2020 haben wir keinen Platz mehr für Kinder über drei Jahre“, erklärt Buhl. Das Projekt dränge.
Ebenso der Breitbandausbau. Die Breitbandinitiative verlegt 2020 das Basisnetz von Talheim kommend über Seitingen-Oberflacht. Hier rechnet Buhl mit Kosten von rund 130 000 Euro. Plus gut 70 000 Euro für ein Technikgebäude, in dem ein Server unterkommen soll, der die Daten der Endnutzer in das Netzwerk einspeist. Dabei werde es aber nicht bleiben, sagt Buhl. „Insgesamt rechnen wir beim Breitbandausbau mit Ausgaben von rund sechs Millionen Euro.“Eine Belastung. Vor allem, weil die Gemeinde insbesondere für den Ausbau im kommenden Jahr wahrscheinlich keine Fördergelder abgreifen kann. „Dazu müsste die Übertragungsgeschwindigkeit schlechter sein als 30 Mbit pro Sekunde“, erklärt Buhl. Seine Gemeinde
schrappt gerade so an diesem Wert vorbei.
Immerhin: „Irgendwann wird sich der Breitbandausbau refinanzieren. Wenn der Netzbetreiber Verträge mit Kunden abschließt, fließt ein Teil der Gebühren an uns zurück.“Zumindest hier könne man über eine Neuverschuldung diskutieren, sagt Buhl. Ansonsten möchte er diese jedoch lieber vermeiden. „Wir brauchen im kommenden Jahr schon all unsere Rücklagen auf.“
Mal eben so lasse sich das Rathaus nicht sanieren. Oder gar neu bauen. „Statisch ist es gar nicht möglich, eine Wärmedämmung einzubauen, das Gebäude steht schon seit 1965. Da wurde noch anders geplant.“Wenn das Rathaus irgendwann in die Prioritätenliste aufsteigt, werde man sicher Sanierung und Neubau in Betracht ziehen. Letztlich entscheide ein Kostenvergleich, sagt Buhl.
Zum zeitlichen Rahmen kann er nur so viel sagen: „In meiner Wahlkampfrede habe ich versprochen, mich in meiner Amtszeit um das Rathaus zu kümmern.“Ein halbes Jahr ist Jürgen Buhl im Amt. Bleiben ihm noch siebeneinhalb Jahre.