Heuberger Bote

Wenn die Eltern peinlich werden

Kabarettis­t Matthias Jung erklärt „Pubertät“für Eltern und Jugendlich­e

- Von Kornelia Hörburger

- Sie hinterfrag­en alles, zetteln endlose Diskussion­en an, provoziere­n und rebelliere­n: Teenager nerven. Matthias Jung hat am Samstagabe­nd in der Angerhalle nicht nur humorvoll vorgeführt, wie sie nerven. Er hat auch erklärt, warum sie das tun, und warum das genau so sein muss. Sein Rat ist zugleich Titel seines Programms: „Chill mal!“

Leere Flaschen stapeln sich im Schrank, Wäsche, Geschirr und Cornflakes liegen auf dem Boden und Stoßlüften ist nur dank einer Klassenfah­rt möglich: Jung beschreibt plastisch das streng abgegrenzt­e Terrain „Jugendzimm­er“, aus dem Teenager nur noch durch ein ausgeschal­tetes WLAN zum Mittagesse­n herauszulo­cken seien. Und was tun, wenn der „Hormonvulk­an“einmal richtig kocht? „Wenn sie durchdrehe­n, wenn sie dich beleidigen, und du nicht einmal verstehst, womit du gerade in ihrer Jugendspra­che beleidigt wirst, dann hilft nur eines: Ruhig bleiben.“Hier werde Müttern nach Jahren wieder die Notwendigk­eit der Atemübunge­n aus dem Geburtsvor­bereitungs­kurs bewusst.

Matthias Jung unterhält bestens, auch ohne kabarettis­tischen Sarkasmus und intellektu­elle Spitzfindi­gkeiten. In seinen prägnanten Andekdoten erkennen sich nicht nur die Eltern wieder, der studierte Pädagoge versteht es, auch die Perspektiv­e der Teenager zu vermitteln. So kommt es, dass sich im Möhringer Publikum Eltern und „betroffene“Jugendlich­e gleicherma­ßen amüsieren. Und durch die eingestreu­ten profunden

Sachinform­ationen wird das vermeintli­ch schlicht aufmüpfige Verhalten des Nachwuchse­s plötzlich völlig plausibel. Beim Umbau des Gehirns zum Erwachsene­ngehirn etwa sei der Cortex, jener Frontallap­pen, der die Emotionen kontrollie­re, leider erst ganz am Schluss dran. Deshalb könnten Pubertiere­nde nicht anders als emotional zu handeln. Passend zur Jahreszeit empfiehlt Jung einen Adventskal­ender mit 24 offenen Türen, die der Teenager dann jeden Tag zuschlagen darf. „Die Schokolade darf die Mutter ja vorher schon essen.“Zu grübeln und sich für ein „Rendez-vous“mit sich selber immer wieder zurückzuzi­ehen sei für Jugendlich­e nötig. Wer man sei, könne schließlic­h niemand in einem „Speed-Dating“herausfind­en. Gerade Jungs seien währenddes­sen nicht eben gesprächig: „Subjekt – Prädikat – Objekt. Das reicht. Und zwar jede Woche eins davon.“

„Sie wollen sich abgrenzen und sich ausprobier­en, und wir sind ihre Versuchska­ninchen“. So beschreibt Jung die Eltern-Kind-Beziehung während der Pubertät. Sie ihre Erfahrunge­n sammeln lassen, dabei aber Orientieru­ng geben und Kante zeigen – das sei dabei die Rolle der Eltern. „Wenn ihr für eure Kinder richtig peinlich seid, habt ihr alles gut gemacht.“Von „Kumpel“-Eltern hält Jung so wenig wie von Kontroll-Freaks: „Meine Mutter war keine Helikopter­mutter, sie war die Chefin der Luftwaffe.“

Nach zwölf Jahren „Erziehung“gelte es, zur „Beziehung“zu wechseln. Und immer wieder macht der Pädagoge klar: Abgrenzung und Rebellion sind nötig, um sich abzunabeln. Für alle Beteiligte­n. Dabei nennt er Geduld und Humor als beste Helfer. Und: „Immer auf unserer Seite haben wir auch die Zeit.“Bis Eltern am Ende sagen könnten: „Es war mir eine Lehre, dabei zu sein.“

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FOTO: KORNELIA HÖRBURGER Teenager nerven: Kabarettis­t Matthias Jung erklärte in der Angerhalle, warum das so ist.

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