Alarmstufe Rot
Nach Ferraris Fiasko bleibt die Einsicht auf der Strecke: Schuld ist immer der andere
(SID/dpa) - Sebastian Vettel erschien nicht im Motorhome, der für ihn reservierte rote Plastikstuhl blieb leer. Nach dem Ferrari-Fiasko beim großen Formel-1-Preis von Brasilien durfte der zutiefst frustrierte Heppenheimer nichts mehr sagen, auch Charles Leclerc bekam einen Maulkorb verpasst. Weil die Rivalität zwischen den beiden Alphatieren auf der Strecke so spektakulär eskaliert war, sagte die Scuderia die übliche teaminterne Medienrunde mit ihren beiden Crashpiloten kurzerhand ab. Immerhin äußerte sich der in die Schusslinie geratene Teamchef Mattia Binotto ausführlich. Der 50-Jährige kündigte eine ausführliche Krisensitzung, aber nur sehr vage Konsequenzen für seine beiden Streithähne an: „Natürlich müssen wir uns jetzt zusammensetzen und gemeinsam entscheiden, wo die Grenzen liegen – um sicherzustellen, dass so etwas nicht wieder passiert.“
Binotto vermied es, Vettel oder Leclerc die Hauptschuld für den unnötigen Unfall in der 66. von 71 Runden zu geben. „Es ist noch nicht an der Zeit, ein Fazit zu ziehen“, sagte der Mann mit der markanten Brille: „Wir werden uns alle Daten und Bilder in Ruhe anschauen und sie analysieren.“Einen Rüffel gab er seinen beiden hochbezahlten Angestellten aber noch mit auf den Weg: „Frei gegeneinander zu fahren heißt nicht, verrückte Sachen zu machen.“Auf eine Teamorder hatte Ferrari in dieser Saison verzichtet.
Es ging um den Status als Nummer 1
Dass es zwischen Vettel und Leclerc mal richtig krachen würde, hatte sich lange angedeutet. Immer wieder gab es zwischen dem viermaligen Weltmeister aus Hessen und dem Riesentalent aus Monaco kleine Sticheleien, in Monza, Singapur und Sotschi waren sie bereits aneinandergeraten. „Vettels Reaktion dokumentiert den Frust und die Spannung, die er in diesen schwierigen Monaten im internen Duell mit dem jungen Teamkollegen angesammelt hat“, schrieb die Zeitung „La Stampa“.
In São Paulo flogen beim Sieg von Max Verstappen und Red Bull erstmals so richtig die Fetzen. An Leclercs Auto brach die Vorderradaufhängung, der rechte Vorderreifen platzte, Vettel zerriss es den linken Hinterreifen. Um 15.36 Uhr Ortszeit war an diesem 17. November 2019 nichts mehr wie zuvor bei Ferrari. Es war ja eigentlich nur um Platz vier gegangen – und doch um so viel mehr: den Status der teaminternen Nummer 1.
Sowohl Vettel als auch Leclerc präsentierten sich auf Anweisung von Binotto vor den TV-Kameras reumütig und äußerten ihr Bedauern gegenüber den Ingenieuren und Mechanikern, versuchten aber auch, dem jeweils anderen die Schuld zu geben. „Ich hatte nicht viel Platz rechts neben ihm“, sagte Vettel, aber Leclerc fand: „Er hat es auf der Außenseite versucht, wo wenig Platz war. Aber ich habe ihm Platz gelassen.“
Leclerc: „Sind erwachsen genug“
Spannend wird sein, wie der „Krieg im Haus Ferrari“(„La Repubblica“) weitergeht, in zwei Wochen steigt das Saisonfinale in Abu Dhabi. „Nein, sollten wir nicht brauchen“, sagte Vettel auf die Frage, ob klarere Spielregeln nötig sind. „Ich bin mir sicher, dass wir erwachsen genug sind, um das hinter uns zu lassen“, sagte Leclerc. Alarmstufe Rot! Auf Mattia Binotto wartet eine Menge Arbeit.