Grüne sorgen sich um die Aufforstung
Forstbesitzer sollen belohnt werden, wenn sie den Schalenwild-Bestand begrenzen
(tja) - In einigen Regionen im Südwesten erlegen Jäger zu wenige Rehe. Die Tiere schädigen aber junge Bäume. Aus Sicht der Grünen behindert das die dringend notwendige Aufforstung. Daher wollen sie Waldbesitzern nur dann Fördergeld zahlen, wenn in einem Gebiet nicht zu viele Rehe leben. „Keiner will die Rehe ausrotten, es geht darum, den Bestand zu regeln“, so der Jagdexperte der Grünen, Reinhold Pix. Waldbesitzer, Jäger und der Regierungspartner CDU sind jedoch skeptisch.
- Um den Wald im Südwesten steht es nicht gut. Nur noch jeder fünfte Baum ist gesund. Die Landesregierung nimmt bis 2021 rund 80 Millionen Euro in die Hand, um aufzuforsten. Doch die Grünen wollen das Geld nur unter einer Bedingung an Waldbesitzer zahlen: Wenn diese nachweisen, dass es nicht zu viele Rehe im Wald gibt. Das geht aus einem Zehn-Punkte-Papier hervor, das der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt. „Was nützt es, Fördergeld von 40 Millionen Euro pro Jahr auszuzahlen, von denen dann 20 Millionen Euro vom Reh aufgefressen werden“, sagt der Forstexperte der Fraktion, Reinhold Pix. Die Waldbesitzer halten wenig von dieser Idee.
Dürre, Hitze und starke Stürme haben in den Wäldern paradiesische Voraussetzungen für Borkenkäfer und andere Schädlinge geschaffen. Mit Geld und neuen Stellen in der Forstverwaltung wollen Grüne und CDU dem Wald helfen. Das Ziel: Der Forst soll resistenter werden gegen die Folgen des Klimawandels. „Der Aufbau klimastabiler Wälder genießt höchste Priorität. Eine naturnahe Waldwirtschaft und der Aufbau klimaangepasster Wälder darf durch Wildschäden nicht maßgeblich beeinträchtigt werden“, formulieren die Grünen in ihrem Papier. Denn Rehe fressen mit Vorliebe Schößlinge, also junge Bäume, die Böcke fegen ihre Geweihe am Holz. Vor diesem Hintergrund wollen die Grünen das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz des Landes ändern.
„Grundsätzlich muss die Gewährung forstlicher Förderung an das Vorhandensein von Schalenwilddichten geknüpft werden, die an die jeweiligen Lebensraumverhältnisse angepasst sind“, fordern sie. Sprich: Wo zu viele Rehe leben, soll kein Geld fließen. Zwar können Waldbesitzer Schadensersatz vom Jagdpächter verlangen, wenn Rehe ihre Bäume schädigen. Doch laut Forstkammer geschieht das noch recht selten. Außerdem bremst das die Wiederaufforstung erheblich.
„Gesetzeskeule“in der Kritik
Die Forstkammer wehrt sich gegen den Vorstoß. Sie vertritt die Interessen der Privatleute sowie der Kommunen, die Wald besitzen. Ihnen gehören zusammen rund drei Viertel der Wälder im Südwesten. „Natürlich gelingt der sicherlich notwendige Waldumbau nur, wenn wir die Verbissschäden im Griff haben“, sagt Geschäftsführer Jerg Hilt. „Und leider gelingt das noch nicht überall im Land.“Das beweisen Zahlen aus dem aktuellsten Forstlichen Gutachten, es stammt allerdings aus 2015. „Das belegt klar: Die Schäden nehmen weiter zu, gerade bei Bäumen, die wir angesichts der neuen Bedingungen brauchen, wie etwa die Eiche“, moniert Hilt. Doch aus seiner Sicht existieren bereits ausreichend Instrumente, um das Problem zu lösen.
Sie müssten nur konsequenter angewandt werden. „Stattdessen kommen die Grünen gleich mit dieser Gesetzeskeule. Doch 95 Prozent der Waldbesitzer haben gar keinen Einfluss darauf, wie sich der Wildbestand in ihren Wäldern entwickelt.“
Jäger weisen auf Probleme hin
Das neue Jagd- und Wildtiermanagement trat 2015 unter der damaligen grün-roten Landesregierung in Kraft, gegen heftige Proteste unter anderem aus der heute mitregierenden CDU. Es schaffte unter anderem behördlich verordnete Abschusspläne für Jagdreviere ab. Stattdessen handeln vor Ort nun Jäger, Forstbesitzer und andere Beteiligte aus, wie viele Rehe Jäger erlegen sollen. Grundsätzlich könnten die Forstbesitzer versuchen, Druck auf die Jagdgenossenschaften zu machen, so Hilt. Aber leider helfe das nicht immer. Hier brauche es mehr Unterstützung vom Land.
Die Jäger ihrerseits bestreiten gar nicht, dass zum Teil zu wenige Rehe erlegt werden. Die Tiere seien nicht leicht zu jagen. In Tourismusregionen kämen weitere Probleme hinzu: Im Bemühen, immer aufregendere Angebote für Gäste zu machen, würden die Besucher oft bis in die tiefsten Wälder geführt, etwa bei Schneeschuhwanderungen. Die scheuen Rehe verließen diese Gebiete und zögen sich noch weiter zurück. „Es ist eben leicht gesagt, die Jäger sollen mehr erschießen, aber nicht so einfach umzusetzen“, sagt Erhard Jauch, Chef des Landesjagdverbandes. Er lobt die Grünen für deren Forderung, runde Tische mit allen Beteiligten einzusetzen, die Abschusszahlen festlegen. Hier müssten auch Tourismusbeauftragte mit an den Tisch, so Jauch. Außerdem sei nicht ausgemacht, dass ein ausreichender Abschuss von Rehen den Erfolg der Wiederaufforstung garantiert“. So würden in einigen Regionen viele Tiere geschossen, doch der Zustand des Waldes verbessere sich nicht.
CDU warnt vor neuer Bürokratie
Eine weitere Forderung der Grünen: Alle Kreise sollen hauptamtliche Wildtierbeauftragte einsetzen. Das können sie bereits, laut Landkreistag haben es auch die meisten bereits getan. Wenn das Land dies zur Pflicht machen wolle, sei das in Ordnung, heißt es beim Landkreistag. Aber dann müsse das Land anders als bisher die Gehälter der Wildtiermanager zahlen. Sie sollen unter anderem darauf achten, dass ausreichend Rehe erlegt werden. „In einigen Regionen gibt es weiter sehr große Verbissschäden, deswegen braucht es diese Beauftragen überall“, begründet der Grüne Pix. „Das verursacht nur zusätzlichen Verwaltungsaufwand und ist wenig praxisnah“, kritisiert dagegen Manuel Hagel, Jagdexperte der CDU-Fraktion. Nun wollen die beiden Regierungspartner sich noch einmal zu Gesprächen treffen, um den Konflikt beizulegen.