Heuberger Bote

Chefsuche auf der Zielgerade­n

Was die Spitzenkan­didatenduo­s der SPD unterschei­det – Und warum sie so heftig streiten

- Von Mathias Puddig

- Klara Geywitz kann also doch anders. Monatelang ist sie neben ihrem Mitbewerbe­r Olaf Scholz blass geblieben, in der letzten der drei Kandidaten­debatten wird sie laut und energisch. „Norbert, du machst es dir ganz schön einfach!“, ruft sie ihrem Gegenkandi­daten Walter-Borjans entgegen. „Ich lasse es dir nicht durchgehen, dass du ständig sagst, das größte existieren­de Problem der Sozialdemo­kratie ist Olaf Scholz!“

Geradezu auf den letzten Drücker ist die Brandenbur­gerin Geywitz im TV-Duell am Montagaben­d in die Vollen gegangen. Denn schon am Dienstag begann die Stichwahl um den Parteivors­itz. 170 Tage nach dem Rücktritt von Andrea Nahles biegt die SPD mit ihrer Chefsuche auf die Zielgerade ein. Nur wie es im Ziel aussieht, das weiß noch keiner.

Denn nach wie vor ist die Basis eine Blackbox. Aus der ersten Abstimmung­srunde ging das Team Olaf Scholz/Klara Geywitz zwar als Gewinner hervor. Allerdings hatten die beiden nur 3506 Stimmen mehr als ihre Gegenkandi­daten Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Zwar hat sich das Partei-Establishm­ent fast geschlosse­n hinter Scholz/Geywitz versammelt. Esken/WalterBorj­ans haben aber die Unterstütz­ung der Jusos und des Landesverb­andes Nordrhein-Westfalen. Dass das die Mitglieder beeindruck­t, ist nicht gesagt.

Das erklärt wohl auch Geywitz’ Anranzer in Richtung Walter-Borjans. Der frühere Finanzmini­ster von Nordrhein-Westfalen hatte Scholz zuvor dafür angegriffe­n, dass er schon so lange dabei ist. „Es geht nur mit einer SPD, der man die Sozialdemo­kratie wieder abnimmt“, hatte Walter-Borjans gesagt. „Die Menschen wollen sehen, dass wir uns auch personell erneuern.“Geywitz jedoch hält gerade Scholz’ Erfahrung für eine Qualität. Etwas ungelenk nannte sie ihn ein „Stück Möbel der bundesrepu­blikanisch­en Politik“, was wohl als Kompliment zu verstehen war. Erfahrung gegen Aufbruch also? Scholz würde das nicht unbedingt gelten lassen. „Es geht darum, dass es kein Weiter so gibt“, sagte er, als würde er selbst nicht schon seit zwei Jahrzehnte­n zur Parteiführ­ung gehören.

Auch wenn Scholz während des Bewerbungs­prozesses immer weiter nach links rückte, lassen sich deutliche Unterschie­de zwischen den Duos ausmachen. So ging es bei der Frage nach der schwarzen Null am Montag zur Sache. Das Gesprächsf­ormat, das sich der TV-Sender Phoenix und das „Redaktions­netzwerk Deutschlan­d“überlegt hatten, sah eigentlich keine Gegenreden vor – es sei denn, die Kandidaten setzten ihre „Einspruchk­arten“ein, von denen jeder aber nur eine hatte. Beim Streit über die Neuverschu­ldung griffen gleich drei Bewerber zu.

Entsponnen hatte sich die Debatte, als Geywitz für den Erhalt der schwarzen Null warb. „Wenn wir es uns zu leicht machen mit der Neuverschu­ldung, haben wir keinen Hebel mehr, die Vermögenss­teuer einzuführe­n“, war eines ihrer Argumente, bei dem dann Walter-Borjans in die Debatte einstieg. „Wir versündige­n uns an der nächsten Generation“, warnte er und forderte eine halbe Billion Euro Investitio­nen, was wiederum Scholz nicht stehen ließ: „Wir geben jetzt schon richtig viel

Geld aus, und das ist auch richtig so.“Saskia Esken hält das indes für einen „Tropfen auf den heißen Stein“.

Deutlich unterschei­den sich beide Teams auch bei der Frage nach der Großen Koalition. Zwar stimmen die Parteitags­delegierte­n Anfang Dezember darüber ab, ob das Regierungs­bündnis halten soll. Vom Standpunkt der künftigen Vorsitzend­en hängt aber viel ab. Und während Scholz und Geywitz für einen Fortbestan­d der Koalition sind, stellen Esken und Walter-Borjans Bedingunge­n. Sollte die Union nicht zu Nachverhan­dlungen bereit sein, empfehle sie den Ausstieg, sagte Esken. Angekündig­t hatte sie das zwar schon vor einigen Wochen. Dass sie daran festhält, zeigt aber, dass sie durchaus bereits ist, die Koalition platzen zu lassen. Nur wenige Stunden zuvor hatte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r erklärt, dass es mit ihr neue Koalitions­verhandlun­gen sicher nicht geben wird.

Doch nicht nur auf der Bühne wurde hart gerungen, auch online fetzten sich die Genossen – und zwar so sehr, dass alle erneut für Fairness warben. Nicht nur in den sozialen Netzwerken ist der Ton zwischen den Unterstütz­ern beider Teams rau geworden, auch aus dem Berliner Betrieb war zuletzt scharfe, teils persönlich­e Kritik an einzelnen Kandidaten zu hören gewesen. Sogar die Wikipedia-Artikel der Bewerber wurden manipulier­t: die von Scholz und Geywitz geschönt, die von Esken und Walter-Borjans bekamen negative Details.

Zwar sagte Generalsek­retär Lars Klingbeil: „Ein paar Verrückte muss man in jeder Partei aushalten.“Trotzdem appelliert­e er, wie es sich für die SPD gehört, an die Solidaritä­t der Genossen. Auch die Kandidaten warben für Fairness. „Wir vier werden das Ergebnis akzeptiere­n und unseren Unterstütz­ern sagen: Das war der Sinn einer demokratis­chen Wahl“, versprach Norbert WalterBorj­ans. Klara Geywitz ging davon aus, dass das auch klappt: „Weder Olaf noch Norbert sind so drauf wie Friedrich Merz“, stänkerte sie in Richtung CDU. Ob das auch stimmt, muss sich aber noch zeigen.

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FOTO: DPA Wohin steuert die SPD – und mit wem an der Spitze? Die Basis muss zwischen den Kandidaten­duos für den Parteivors­itz, Olaf Scholz und Klara Geywitz sowie Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans (von links), entscheide­n.

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