Angeklagter
Erst vor vier Wochen wurden mehrere katalanische Separatistenführer wegen illegaler Aktivitäten zu hohen Haftstrafen verdonnert. Nun droht die nächste Verurteilung: Kataloniens Ministerpräsident Quim
Torra, Chef der regionalen Separatistenregierung in Barcelona, steht seit Anfang der Woche wegen Ungehorsams vor Gericht.
Dem 56-Jährigen droht zwar kein Gefängnis, aber ein politisches Betätigungsverbot. Eine Verurteilung dürfte den Katalonienkonflikt, der in den letzten Wochen wieder aufgeflammt war, weiter anheizen.
Der Staatsanwalt wirft Torra vor, Anordnungen der spanischen Wahlbehörde ignoriert und damit gegen Recht und Gesetz verstoßen zu haben. Die amtlichen Wahlwächter hatten verfügt, dass vor der nationalen Parlamentswahl ein Transparent der Unabhängigkeitsbewegung von Torras Regierungspalast in Barcelona entfernt werden müsse. Und zwar, weil laut Gesetz in der Vorwahlzeit keine politischen oder parteilichen Botschaften an öffentlichen Gebäuden erlaubt sind. Doch Torra hatte sich geweigert.
Torra, ein enger Vertrauter von Kataloniens geflohenem Ex-Ministerpräsident Carles Puigdemont, gab im Gerichtssaal zu, der Anordnung der Wahlbehörde keine Folge geleistet zu haben. Er berief sich auf die Meinungsfreiheit. Torra bezeichnete die staatliche Verfügung als „einen Akt der Zensur“und somit als eine „illegale Anordnung“.
Diese Interpretation entspricht dem Kurs, auf den Torra seit Monaten seine Sympathisanten einschwört: Regelmäßig ruft er die Befürworter einer Unabhängigkeit, die derzeit knapp die Hälfte der katalanischen Bevölkerung ausmachen, zum „zivilen Ungehorsam“gegenüber dem Staat, der Rechtsordnung und der spanischen Verfassung auf. Ralph Schulze