Kurt Gärtner nimmt Spieler mit „Durchs Ländle“
Der Bodnegger leitet 20 Jahre lang ein Medizinlabor – Dann entwickelt er ein erfolgreiches Gesellschaftsspiel
- Kurt Gärtner ist ein besonnener Mann. Wenn er über sein Leben spricht, wählt er seine Worte mit Bedacht und hält inne. Dabei tragen die Erinnerungen des 70-Jährigen aus Bodnegg eine gewisse Wehmut. Der pensionierte Labormediziner wollte eigentlich mal Lehrer werden oder Journalist. Sprache begeistert ihn, Neugier treibt ihn an. Fast 50 Jahre hat es gedauert, bis er damit etwas anzufangen weiß. 1997 legt er Pipette und Petrischale beiseite und bringt mit „Durchs Ländle“sein eigenes Gesellschaftsspiel heraus – welches nun in dritter Auflage erschienen ist.
„Eigentlich habe ich meinen Beruf verfehlt“, sagt Gärtner heute. Nach dem Abitur studiert der gebürtige Weingartener auf Drängen des Vaters hin Medizin und macht später seinen Facharzt in Labormedizin. Sein Bruder und er übernehmen anschließend das Labor des Vaters in Ravensburg und leiten es 20 Jahre lang gemeinsam erfolgreich. Irgendwann werden Gärtner die Stunden im Labor aber zu viel. Ihm fehlen der persönliche Kontakt mit den Patienten und die inhaltliche Auseinandersetzung mit anderen Themen. Auch die ständigen technischen Neuerungen und organisatorischen Aufgaben der Laborleitung stören ihn.
Gärtner engagiert sich in Politik und Umweltschutz – er ist Mitbegründer der Ravensburger Ortsgruppe des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz). Mit Freunden spielt er regelmäßig Akkordeon und Klavier. Und vor allem liest er leidenschaftlich alles, was ihm in die Hände
fällt: Bücher über Philosophie, Naturwissenschaften und Geschichte, Zeitschriften und Zeitungen. Immer wieder stolpert er über Passagen und macht sich Notizen. Das neue Wissen konserviert er in seinem Kopf. Er fängt an, mit einer Idee zu spielen: einem eigenen Quiz.
Die Idee hinter dem Spiel
Die Quizsendungen im Fernsehen langweilen ihn, die Angebote auf dem Spielemarkt auch. Innerhalb von drei Jahren schreibt Gärtner Tausende Fragen und Antworten auf – alles neben seiner Arbeit. Er entwickelt das Konzept zu seinem eigenen Spiel: „Durchs Ländle“. Ein Reiseund Quizspiel mit überwiegend regionalem Bezug. Bis zu fünf Spieler ziehen mit ihren Spielfiguren durchs schwäbische Oberland. Zwischen
Oberschwaben, Bodensee und Westallgäu müssen die Spieler auf ihrem Weg zum Ziel verschiedene Orte passieren. An jedem Ort wartet eine Frage auf sie.
Ein Freund von Gärtner zeichnet die „Ländle-Karte“und designt das Spielfeld. „Durchs Ländle“ist fertig. Die großen Verlage interessieren sich allerdings nicht für das Spiel mit dem regionalen Bezug – der potenzielle Käuferkreis ist ihnen zu klein. Gärtner sucht sich eine Druckerei und produziert es in Eigenregie. Dafür tritt er mit einer sechsstelligen Summe in Vorkasse. 1996 erscheint die erste Auflage des Spiels. „Es geht mir dabei nicht ums Geld. Ich bin froh, wenn ich die Produktionskosten wieder rein bekomme“, sagt Gärtner. Was ihn vielmehr antreibt ist die Liebe zu seiner Heimat – der
Landschaft, den Menschen und dem Wissen um die Region. „Wer das Kleine nicht kennt, der versteht auch nicht das Große.“
Ein Drittel aller Fragen drehen sich ums „Ländle“– etwa: Welche Stadt hieß als mittelalterliches Dorf noch Sisinga? Was meint der Schwabe mit dem „blauen Done“(ein Tipp: Es ist nicht der besoffene Anton)? Oder wo liegt eigentlich das Naturschutzgebiet Rohrspitz? Die restlichen Fragen fallen in den Bereich des Allgemeinwissens (Europa, Natur und Umwelt, Mensch und Kultur oder Rätsel und „Bleedsinn“). Somit ist das Spiel nicht nur für schwäbische Urgesteine gedacht, sondern bewusst auch für „Reig’schmeckte“– gut integrierte Zugezogene – geeignet.
Das Spiel kommt an: Die Schwaben kaufen die erste Auflage von 3000 Exemplaren komplett auf. Gärtner legt weitere 3000 Exemplare mit doppelt so vielen Fragen nach; auch sie sind nach zweieinhalb Jahren vergriffen. Nun hat Gärtner eine neue, dritte Auflage, mit aktualisierten Fragen herausgebracht. „Ich will Familie und Freunde mit dem Spiel wieder an einen Tisch bringen und weg von ihren Smartphones“, sagt er. Am besten gehe dies mit den Abenteuern vor der eigenen Haustür. Das Ländle fasziniert ihn immer noch – den Labormediziner, Hobbymusiker und Spielemacher: Kurt Gärtner.