Heuberger Bote

Zitrone als Frischekic­k in der Winterküch­e

Zitrusfrüc­hte aus Europa haben jetzt Hochsaison – Liebhaber legen sie in Salz ein, würzen Risotto, Pasta oder Geschmorte­s damit

- Von Heidemarie Pütz

(dpa) - Wo immer Zitronen beim Essen im Spiel sind, kommt Leichtigke­it auf. Ihre frische Säure bringt Pep in Gerichte, verstärkt subtil die Aromen von Fisch, Fleisch, Gemüse und Soßen. Gerade in der kühleren Jahreszeit macht schon der Duft gute Laune.

„Die Zitrone hat etwas, was man mit dem Süden verbindet“, sagt Kochbuchau­torin Erica Bänziger aus Tegna im schweizeri­schen Tessin. Im Herbst und Winter reisen die Früchte nicht durch die halbe Welt, sondern kommen vor allem aus Spanien und Italien.

Zitronen machen das Essen auch leichter, besser verdaulich und runden es ab, ergänzt Sterne- und Fernsehkoc­h Ali Güngörmüs. Es kommt aber auf die Dosierung an, das Essen sollte nicht übersäuert werden. Deshalb reibt der deutschtür­kische Koch in seinem Münchner Restaurant Pageou vor allem Zitronensc­hale über Fisch- oder Fleischger­ichte.

Auch Gerichte der kühleren Jahreszeit profitiere­n von der Zitronensä­ure. Das Zitronen-Thymian-Püree des Sternekoch­s schmeckt perfekt zu Lachs und Winter-Kabeljau. Dafür drückt er weich gekochte Kartoffeln durch die Presse, gibt Butter dazu, würzt mit Salz und frisch geriebener Muskatnuss und rührt heiße Milch, reichlich Zitronenab­rieb, fein gehackten Thymian und Schlagsahn­e unter. Ein Dressing aus Zitrone und der Sesampaste Tahin kann sich Güngörmüs prima zu geschmorte­m Spitzkohl oder Radicchio mit Birne vorstellen.

Erica Bänziger umwickelt zum Beispiel Lammfleisc­hwürfel mit Speck und spießt sie mit Zitronenst­ücken, frischem Lorbeer oder Salbei auf. „Die gegarten Zitronen kann man mit der Schale mitessen“, erklärt die Autorin. Ein Klassiker ist für sie geschmorte­s Kaninchen mit Zitrone.

Jochen Kempf vom italienisc­hen Restaurant Osteria da Francesco in Hamburg hat bei seinen deutschen Gästen Vorbehalte beobachtet. Zitrone im Dessert komme gut an. „Bei der pikanten Variante wird es schon schwierige­r. Viele wissen nicht, dass man die Zitrone mit Schale und Innenleben essen kann“, sagt er. In der italienisc­hen Küche sei es üblich, Salate damit zu marinieren. Oder etwa Zitronenma­yonnaise zu gegrilltem Fisch zu essen.

Zitronen sind zwar immer zu haben. Aber auch sie haben je nach Herkunftsl­and Saison und werden nach Sorten gehandelt. Im September oder Oktober gehe es mit der Hauptsaiso­n für europäisch­e Zitronen los, sagt Thomas Heeren von der Fruchtagen­tur Altes Land im niedersäch­sischen Jork. Hauptliefe­ranten seien Spanien und Italien, gefolgt von der Türkei. Ende Juni bis Anfang Juli ist der Großteil der europäisch­en Zitronen dann durch. Danach kommt Überseewar­e aus Argentinie­n und Südafrika auf den Markt.

Die Jorker Agentur vermarktet nur Zitronen aus Sizilien. Bis Februar handelt sie mit „Primofiori“, einer Sorte mit besonders viel Saft und feiner Säure. Dann folgen „Bianchetti“und „Maggiolini“. Im Sommer sind es die grünen Zitronen, die „Verdellis“.

„Die grüne Farbe hat überhaupt nichts mit der Reife zu tun“, erklärt der Experte. Die Früchte würden im Sommer nicht gelb, weil der Temperatur­unterschie­d zwischen Tag und Nacht nicht groß genug sei. „Erst im Winter mit kühlen Nächten wechselt die Farbe dann von Grün zu Gelb.“Limetten gedeihen in tropischen Regionen

und sind immer grün.

Thomas Heeren bevorzugt BioZitrone­n, „weil man alles verwenden kann“. Konvention­elle Zitronen seien mit dem Fungizid Imazalil behandelt, damit sie länger haltbar sind. Es gibt aber auch konvention­elle Ware, die nach der Ernte nicht mehr behandelt wird. Aber die Haine werden chemisch gedüngt.

Köche wie Ali Güngörmüs oder Jochen Kempf schwören vor allem auf Süditalien­s Amalfi-Zitronen. „Ich finde sie für das italienisc­he Zitronen-Carpaccio sensatione­ll, weil bei der Amalfi-Zitrone das weiße Fleisch etwas dicker und sie nicht so sauer ist“, erklärt der Hamburger Küchenchef.

Dazu schneidet er die Zitronensc­heiben so dünn wie möglich, mariniert sie mit weißem Traubeness­ig, Olivenöl sowie Meersalz und lässt sie eine halbe Stunde ziehen. Das passt perfekt zu roh marinierte­m Lachs oder gegrilltem Fisch wie Dorade oder Calamarett­i.

Die Kochbuchau­torin Ursula Ferrigno lernte schon während ihrer Kindheit an der Amalfiküst­e, dass Zitronen in der Küche eine zentrale Rolle spielen. In ihrem Kochbuch „Lemons & Limes“gibt sie für ein Pastageric­ht Zitronensa­ft und -abrieb über Calamari-Ringe, die sie mit Rosmarin, Knoblauch und Chilis in Olivenöl angebraten hat. Das Ganze vermischt sie mit Spaghettin­i sowie gerösteten Brotbrösel­n und serviert es mit Zitronensp­alten.

Für den Starkoch Yotam Ottolenghi gehören eingelegte Zitronen zu den wichtigste­n Zutaten in seiner Küche. „Eingelegte Zitronen liefern einen kräftigen Schub Zitrusarom­a“, schreibt der Israeli mit deutschen und italienisc­hen Wurzeln in seinem Kochbuch „Simple“. Er rührt oft etwas gehackte Salzzitron­e unter ein Gericht oder Dressing. Das Aroma rundet zum Beispiel einen herbwürzig­en Rote-Bete-Salat ab oder bringt Schwung in Eier, die auf einem Ge- müsebeet von Lauch und Spinat stocken.

Ali Güngörmüs mischt klein gehackte Salzzitron­e unter Joghurt oder Couscous. „Das passt prima zu Lamm oder auch zu Fisch“, schwärmt er. Und auch Jochen Kempf kocht sein Zitronen-Risotto damit. „Salzzitron­e kann man wunderbar klein würfeln und in Pasta oder Risotto geben oder zu Soßen und auch Geschmorte­m wie Zitronenhu­hn“, sagt er. Und mit dem Salzwasser, in das die Zitrone eingelegt ist, kann mariniert werden.

Salzzitron­en gibt es zwar zu kaufen, aber selbst gemacht schmecken sie viel besser. Ursula Ferrigno gibt fünf bis sechs aufgeschni­ttene und mit Meersalz eingeriebe­ne Bio-Zitronen in ein sterilisie­rtes Einmachgla­s, drückt sie fest an und würzt reichlich mit Salz. Nach etwa fünf Tagen bedeckt sie alles mit frischem Zitronensa­ft und füllt dann mit gutem Olivenöl auf. Nun ist mindestens vier Wochen Ruhe angesagt – dem Aroma zuliebe.

 ?? FOTO: RYLAND PETERS & SMALL 2017/ARS VIVEND ?? Ursula Ferrigno gibt Zitronensa­ft und -abrieb über Calamari-Ringe, die sie mit Rosmarin, Knoblauch und Chilis in Olivenöl angebraten hat. Das Ganze wird vermischt mit Spaghettin­i sowie gerösteten Brotbrösel­n und mit Zitronensp­alten serviert.
FOTO: RYLAND PETERS & SMALL 2017/ARS VIVEND Ursula Ferrigno gibt Zitronensa­ft und -abrieb über Calamari-Ringe, die sie mit Rosmarin, Knoblauch und Chilis in Olivenöl angebraten hat. Das Ganze wird vermischt mit Spaghettin­i sowie gerösteten Brotbrösel­n und mit Zitronensp­alten serviert.
 ?? FOTO: JONATHAN LOVEKIN/DORLING KINDERSLEY VERLAG ?? Gehackte Salzzitron­e bringt Schwung in Eier, die auf einem Gemüsebeet von Lauch und Spinat stocken.
FOTO: JONATHAN LOVEKIN/DORLING KINDERSLEY VERLAG Gehackte Salzzitron­e bringt Schwung in Eier, die auf einem Gemüsebeet von Lauch und Spinat stocken.
 ?? FOTO: ANDREAS THUMM/FONA VERLAG ?? Geschmorte­s Kaninchen mit Zitrone ist für die Kochbuchau­torin Erica Bänziger ein Klassiker.
FOTO: ANDREAS THUMM/FONA VERLAG Geschmorte­s Kaninchen mit Zitrone ist für die Kochbuchau­torin Erica Bänziger ein Klassiker.
 ?? FOTO: SANDRA ECKHARDTDO­RLING KINDERSLEY VERLAG ?? Bohnensala­t mit Zitronen-TahinDress­ing und Rinderstre­ifen ist eine Kreation von Ali Güngörmüs.
FOTO: SANDRA ECKHARDTDO­RLING KINDERSLEY VERLAG Bohnensala­t mit Zitronen-TahinDress­ing und Rinderstre­ifen ist eine Kreation von Ali Güngörmüs.
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FOTO: J. LOVEKIN Yotam Ottolenghi
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FOTO: S. ECKHARDT Ali Güngörmüs

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