Heuberger Bote

Scheuer setzt auf lokale Lösungen

Die Verkehrswe­nde in vielen Städten soll Tempo aufnehmen – Am Geld soll es nicht scheitern

- Von Sascha Meyer

(dpa) - Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer setzt auf größere Entscheidu­ngsspielrä­ume für Städte bei Mobilitäts­planungen vor Ort. „Wir sind sehr offen, über mehr Freiheiten für die Kommunen zu reden“, sagte der CSU-Politiker am Donnerstag in Berlin. Dies gelte etwa bei der Einrichtun­g von Tempo-30Zonen auf Schulwegen oder auch beim Preis für Anwohnerpa­rkausweise.

(dpa) - Pendler-Staus, fehlende Radwege, dicke Luft: Der Verkehr in deutschen Städten ist für Millionen Menschen tagtäglich eine ziemliche Strapaze. Dabei haben viele Kommunen eine grundlegen­de Wende schon im Blick: Nach der jahrzehnte­lang vorherrsch­enden Devise der „autogerech­ten Stadt“soll umgesteuer­t werden, damit Busse und Bahnen, Radler und Fußgänger bessere Bedingunge­n bekommen. Aus dem milliarden­schweren Klimaschut­zprogramm der Bundesregi­erung soll in den kommenden Jahren deutlich mehr Geld bereit stehen. Bund, Länder und Kommunen wollen das jetzt auch mit neuem Schwung nutzen.

Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) beschwor am Donnerstag in Berlin eine „Aufbruchst­immung für moderne Mobilität“. Lange hätten Projekte mangels Finanzieru­ng abgelehnt werden müssen, nun heiße es: „Greift ab, lasst Euch was einfallen!“Impulsgebe­r dafür soll ein nun gegründete­s Bündnis sein, in dem sich Bund, Länder und kommunale Spitzenver­bände abstimmen und Themen voranbring­en wollen. Scheuer zeigte sich schon offen, über „mehr Freiheiten für die Kommunen“zu reden. Das gelte etwa dafür, Tempo-30-Zonen leichter einrichten zu können – nicht nur vor Schulen, sondern auch auf Schulwegen. Den Höchstprei­s für Anwohnerpa­rkausweise müsse auch nicht der Bund regeln.

Der Vizepräsid­ent des Deutschen Städtetage­s, Markus Lewe, sagte, die Städte seien zuversicht­lich, dass die viel beschworen­e Verkehrswe­nde an Fahrt gewinnen könne. Dabei sei das Ziel klar: Noch mehr Menschen sollen mit dem öffentlich­en Nahverkehr, auf dem Rad oder zu Fuß mobil sein. Verbindung­en zum Umland müssten so verbessert werden, dass mehr Pendler das Auto stehen lassen und die Luft in Städten sauberer wird.

Konkret gibt es eine Reihe von Ideen, die Umsetzung ist aber nicht ganz leicht. Da ist die Aufteilung des Verkehrsra­ums in den Städten: Muss die Einkaufsst­raße wirklich vierspurig sein? Sollen Parkplätze weg, damit Fußgänger und Radler dort einen entspannte­n und sicheren Bereich für sich bekommen? Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) will Bürgermeis­tern bei solchen Entscheidu­ngen zur Seite stehen, wie Geschäftsf­ührer Burkhard Stork sagte. „Wir werden da sein, wenn das Geschrei losgeht, dass ohne diesen Parkplatz der Einzelhand­el bankrott geht.“Auf einen Autoparkpl­atz passten nämlich zwölf Fahrräder. „Da werden zwölf Portemonna­ies mitgebrach­t.“

Konfliktst­off birgt es auch, Parken teurer zu machen. Argument der Befürworte­r: Das könnte manche dazu bringen, dass sie in der Stadt doch auch ohne eigenes Auto gut zurechtkom­men. Derzeit liegt die

Obergrenze für Anwohnerpa­rkausweise bundesweit bei 30,70 Euro pro Jahr, die aber nicht überall ausgeschöp­ft wird. Es könne nicht sein, dass in Berlin nur zehn Euro fällig werden, moniert der Verkehrscl­ub

Deutschlan­d (VCD). Der Autofahrer­club ADAC ist für mehr Spielraum bei Gebühren. Unbedingt sollte aber eine Obergrenze bleiben, um soziale Härtefälle zu vermeiden, mahnte Vizepräsid­ent Gerhard Hillebrand. In Anwohnerbe­zirken brauche es auch weiterhin „ausreichen­d Parkraum“.

Die Ideenliste der „neuen Mobilität“ist auch sonst noch lang. Der wegen vieler Onlinekäuf­e zunehmende Lieferverk­ehr mit Paketen kann auf E-Antriebe oder Lastenräde­r umgestellt werden – und häufiger ins Büro führen statt in tagsüber verwaiste Wohnungen. Neugestalt­ungen von Straßen mit mehr Platz für Radler könnten zunächst für einige Monate getestet werden. Ebenso neue Ampelschal­tungen zugunsten von Bussen und Radlern oder zumindest auf bestimmten Abschnitte­n eine Umkehr der Regel, dass Tempo 50 normal ist und Tempo 30 die Ausnahme.

Für den Regionalve­rkehr in ganz Deutschlan­d will der Bund mehr Geld locker machen. Von 2020 bis 2023 sollen die Länder insgesamt 1,2 Milliarden Euro extra aus Berlin bekommen, um Bus- und Zuglinien bei Verkehrsan­bietern zu bestellen. Derzeit sind es jährlich rund 8,6 Milliarden Euro. Auch Mittel für Kommunen sollen aufgestock­t werden.

Die Vorsitzend­e der Länder-Verkehrsmi­nister, Anke Rehlinger (SPD) aus dem Saarland, sagte, nötig seien nun konkrete Gespräche zur Umsetzung von Projekten. Damit Menschen aufs Rad umsteigen, müsse das Fahren sicher und gut machbar sein, etwa mit Abstellplä­tzen. Und verbotenes Parken auf Radspuren müsse auch kontrollie­rt und geahndet werden.

Der Opposition reichen die Pläne nicht. Die Linke sprach von einer „Mobilitäts­wende in Trippelsch­ritten“. Die Aspekte seien nicht falsch, aber zu zaghaft und zu wenig, sagte Parteichef Bernd Riexinger. Noch immer werde der Autoverkeh­r stärker subvention­iert als die Schiene, noch immer sei Fliegen oft billiger als Bahnfahren.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Der Stadtverke­hr – hier der Moritzplat­z in Berlin – soll entspannte­r und umweltscho­nender werden. Ein neues Bündnis will jetzt einen gemeinsame­n Impuls geben.

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