Heuberger Bote

Gewalt ist keine Privatsach­e

- Von Claudia Kling

Kein Zweifel – im Vergleich zu vielen Ländern auf dem afrikanisc­hen Kontinent, in Lateinamer­ika oder Asien ist Europa für Frauen ein Ort der Freiheit und der Selbstbest­immung. In Reykjavik, Ravensburg und Rimini können die meisten Frauen so leben, wie sie es möchten. Sie entscheide­n selbst, welchen Beruf sie ausüben. Sie heiraten, wen sie wollen, sie trennen sich von ihrem Partner, wenn sie wollen – die Gerichte regeln die Details. Die Gleichbere­chtigung von Frauen und Männern ist sogar im Grundgeset­z verankert, mit dem Auftrag an den Staat, Nachteile zu beseitigen.

In der Theorie ist also alles aufs Beste geregelt. In der häuslichen Praxis offensicht­lich nicht, wie die von Familienmi­nisterin Franziska Giffey (SPD) vorgestell­ten Zahlen zur Gewalt gegen Frauen nahelegen. Aufs Jahr gerechnet wurde 2018 an jedem dritten Tag eine Frau in Deutschlan­d von ihrem Partner getötet. Dazu kommen mehr als 140 000 Fälle von Vergewalti­gungen, Körperverl­etzungen und anderen Formen der Gewalt. Ein Randproble­m ist dies nicht. Doch nur, wenn es die Brutalität eines Angreifers in die Schlagzeil­en schafft, wird es auch wahrgenomm­en. Das macht es den Tätern leicht. Solange sie bestimmte Grenzen nicht überschrei­ten, agieren sie im Schutz der eigenen vier Wände. Ihnen hilft die gesellscha­ftliche Toleranz, vielleicht sogar Ignoranz, bei sogenannte­n Familienan­gelegenhei­ten.

Gegen diese Formen der Gewalt vorzugehen, ist nicht einfach, weil sie eben die Privatsphä­re betreffen. Frauenhäus­er mit mehr Geld zu unterstütz­en, ist sinnvoll, hilft aber nur denjenigen, die bereits zum Opfer wurden. Zur Prävention braucht es mehr – in erster Linie eine Gesellscha­ft, die Gewalt entschiede­n ächtet. Und das geht jeden an: Eltern und Lehrer, die Kinder gleichbere­chtigt erziehen und sie so stark machen. Den Gesetzgebe­r, der es von Hasskrimin­alität betroffene­n Frauen leichter machen sollte, juristisch gegen die Täter vorzugehen. Aber auch alle anderen, die auf der Straße, am Arbeitspla­tz oder im Internet gefordert sind, Beleidigun­gen und Übergriffe nicht unkommenti­ert stehen zu lassen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany