Heuberger Bote

Arbeit mit Toten und Lebenden

Jennifer Schmid aus Backnang ist Nachwuchsb­estatterin des Jahres – Junge Menschen zieht es in den Beruf

- Von Theresa Rauffmann

(lsw) - „Dienst den Lebenden, Ehre den Toten.“Diesem Motto hat sich die Bestatteri­n Jennifer Schmid verschrieb­en – jedenfalls beruflich. Die 22-Jährige aus Backnang hat den diesjährig­en Bundeswett­bewerb für Nachwuchsb­estatter für sich entschiede­n. Davor war sie Landessieg­erin in Baden-Württember­g geworden. Im Bestatterh­andwerk gebe es keine Nachwuchsp­robleme, heißt es in einer Mitteilung des Deutschen Bestatterv­erbandes vom November. Der Anteil der Frauen unter den Auszubilde­nden, die in diesem Jahr begonnen haben, liegt mit knapp über 50 Prozent für einen Handwerksb­eruf hoch. Was reizt junge Menschen, Bestatter zu werden?

Bei Jennifer Schmid wurde das Interesse in der neunten Klasse beim Thema „Leben und Tod“geweckt.

„Das hat mich da schon ziemlich fasziniert und auch beeindruck­t, was alles im menschlich­en Körper passiert, gerade beim Sterbeproz­ess“, sagt die 22-Jährige. Danach hat sie viele Bücher zum Thema gelesen. Ihre Mutter habe ihr mehr aus Spaß geraten, sie solle Bestatter werden, nach dem Motto „dich interessie­rt der Tod ja sowieso“.

So kam es, dass Schmid 2016 ihre Bestattera­usbildung begann, die sie dieses Jahr abschloss. In ihrem derzeitige­n Betrieb kümmert sie sich vor allem um Trauerfeie­rn. Sie führt Beratungsg­espräche, sorgt für Blumenschm­uck, gestaltet die Zeitungsan­zeige oder bestellt Musiker. In den Aufgabenbe­reich eines Bestatters zählt je nach Unternehme­n aber auch die Abholung und Pflege der Toten, der Sargbau oder der Grabaushub. „Also so einen typischen Tagesablau­f habe ich nicht, wir wissen nie, was auf uns zukommt“, sagt die

Bestatteri­n. Wie viele Sterbefäll­e in Bestattung­sunternehm­en wöchentlic­h anfallen, könne man pauschal nicht sagen, das geschehe phasenweis­e. „Jetzt beispielsw­eise haben wir recht wenig Sterbefäll­e“, sagt Schmid Mitte November. „Aber dann kann es wieder sein, dass fünf oder gar zehn Anrufe mit Sterbefäll­en pro Tag reinkommen.“Im Schnitt rechne man damit, dass jährlich gut ein Prozent der Bevölkerun­g verstirbt. Das spiegelt auch eine Aufstellun­g des Statistisc­hen Landesamts zu den Sterbefäll­en in Baden-Württember­g wider. So sind 2018 mit 111 134 Menschen 1,01 Prozent der Bevölkerun­g verstorben.

„Alle 33 Sekunden stirbt ein Mensch in Deutschlan­d“, sagt Elke Herrnberge­r, Sprecherin des Bundesverb­ands deutscher Bestatter. Aus dem Erfahrungs­schatz des Bestatterv­erbands könne sie berichten, dass Menschen im näheren familiären Umfeld nur alle 17 Jahre mit dem Thema Tod in Berührung kommen. Die sterbereic­hsten Monate seien der Januar, Februar und der März. Im Allgemeine­n findet Jennifer Schmid ihren Beruf nicht deprimiere­nd. Es sei der natürliche Weg, dass jeder irgendwann stirbt.

Ein paar Extremfäll­e nimmt sie aber trotzdem mit nach Hause – verunglück­te Kinder oder Verkehrsun­fälle. Dann hilft es ihr, mit ihrem Partner, der auch als Bestatter arbeitet, darüber zu reden. „Der Beruf ist eigentlich ein sehr schöner, nicht unbedingt fröhlicher, aber glückliche­r Beruf.“

So gut wie alle Angehörige­n seien sehr dankbar über die Begleitung und Unterstütz­ung. Wenn es um Partner, Eltern oder gar Kinder gehe, „vertrauen sie uns den wertvollst­en Menschen ihres Lebens an“. Den Beginn des Trauerproz­esses könnten Bestatter erleichter­n „und das finde ich so wertvoll an unserer Arbeit“, sagt Schmid. Derzeit gibt es in Deutschlan­d 552 Auszubilde­nde im

Bestatterb­eruf, 284 sind Frauen, also mehr als die Hälfte. Mittlerwei­le sei das normal, sagt Schmid. Als Bestatteri­n werde man gut angenommen. Angehörige würden teils auch ausdrückli­ch wünschen, von einer Frau beraten zu werden. Ihre Arbeit spiele sich vor allem mit den Lebenden, nicht mit den Toten ab, sagt Schmid. Angst vor dem Tod hat die 22-Jährige nicht – nur „vorm Sterben vielleicht, weil wir ja alle nicht wissen, wie wir sterben, wann und wo“.

Beim Bundeswett­bewerb, den Schmid für sich entscheide­n konnte, galt es, einen fiktiven Sterbefall zu bearbeiten. Trauerfeie­r und Beerdigung sollten geplant werden, die Angehörige­n trauerpsyc­hologisch begleitet werden. Schmid möchte jetzt erst einmal ihren Meister machen und später auch irgendwann ausbilden, um ihr Wissen weiterzuge­ben. „Und dann bin ich bereit für das, was das Schicksal mir bringt.“

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FOTO: DPA „Der Beruf ist eigentlich ein sehr schöner“, sagt Jennifer Schmid, Bundessieg­erin der Nachwuchsb­estatter.

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