Starkregen wird zum Normalfall
Biberach hält Rekord bei sintflutartigen Niederschlägen und Schadenshöhe
- Das vergangene Jahr blieb den meisten Bürgern wohl als Dürrejahr 2018 in Erinnerung. Doch es war auch das Jahr, in dem es der Himmel über Deutschland am stärksten regnen ließ. 1349-Mal kam es bundesweit zu Starkregen. So viele Ereignisse hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) seit Beginn der Messungen im Jahr 2001 noch nie registriert. Damals kam es nur 281-Mal zu sintflutartigen Regenfällen. Und es werden nach Einschätzung des DWD-Experten Andreas Becker künftig noch mehr. „Alle Klimamodelle zeigen, dass sich Deutschland auf mehr Extremwetter einstellen muss“, warnt Becker.
Ein Befund hat die Wetterforscher des DWD erstaunt. Früher sind sie davon ausgegangen, dass vor allem rund um Gebirge die größte Gefahr von massiven Regenfällen mit vielen Schäden besteht. Die seit 18 Jahren praktizierte Analyse per Radar zeigt, dass sich Starkregen praktisch überall im Land niederlässt. „Kurze heftige Niederschläge treten überall in Deutschland mit einer ähnlich hohen Wahrscheinlichkeit auf“, sagt Becker. Die Schäden durch vollgelaufene Keller, beschädigtes Mauerwerk, zertrümmerte Fahrzeuge oder Erdrutsche sind beträchtlich. Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) summieren sie sich auf 6,7 Milliarden Euro seit Beginn der Aufzeichnungen. Auf drei Viertel des Schadens blieben die Hausbesitzer im Durchschnitt sitzen, weil sie keine Versicherung dagegen hatten. Schon im Juni 2017 haben die Ministerpräsidenten beschlossen, dass die Länder dem einzelnen Hausbesitzer nicht mehr helfen, wenn das Gebäude für eine akzeptable Prämie abzusichern ist. Das gilt für mindestens 99 Prozent, sagt Oliver Hauner vom GDV. Ein Einfamilienhaus koste im Schnitt 100 Euro im Jahr, verweist er auf Vergleiche der Stiftung Warentest.
Regional gibt es durchaus große Unterschiede. In Baden-Württemberg ist der Anteil der gegen Elementarschäden Versicherten Hausbesitzer mit 94 Prozent außergewöhnlich hoch, wohl das Ergebnis einer früher bestehenden Versicherungspflicht – bundesweit sind dagegen nur 43 Prozent
der Gebäude abgesichert. Der GDV hat zwischen 2002 und 2017 immerhin 103 000 Schäden an Wohngebäuden durch heftige Regenfälle im Südwesten gezählt. Es gab in dieser Zeit 1077 Starkregenereignisse mit einem Gesamtschaden von 568 Millionen Euro.
Am stärksten betroffen war der Landkreis Mannheim. Auf 1000 Häuser gab es hier 114 Schadensmeldungen. Dabei liegt Mannheim mit lediglich 15 Starkregentagen nicht an der Spitze der betroffenen Regionen. Diesen traurigen Rekord hält Biberach mit 89 sintflutartigen Regenfällen. Jedes zehnte Gebäude erlitt dabei einen Schaden. Auch war hier die Schadenshöhe mit durchschnittlich 8100 Euro besonders hoch. Becker zufolge gehen die Unterschiede nicht auf die örtlichen Gegebenheiten zurück. Nicht betroffene Gebiete hätten einfach nur Glück gehabt, erläutert der Experte.
Eine exakte Definition von Starkregen gibt es laut DWD nicht. Einzelne Branchen, etwa die Landwirtschaft,
haben eigene Maßstäbe für die Wetterextreme. Bilder davon hat jedoch vermutlich jeder schon einmal gesehen. Generell gilt, dass es sich um vergleichsweise kurze Regenfälle von maximal wenigen Stunden handelt und es dafür nur eine kurze Vorwarnzeit von einer halben Stunde gibt. Diese Extreme hängen mit dem Klimawandel zusammen. Laut DWD bedeutet eine um ein Grad gestiegene Durchschnittstemperatur, dass sieben Prozent mehr Wasserdampf in den Himmel steigt. Ein physikalischer Effekt in den Wolken bewirkt, dass die herabregnende Wassermasse sogar um 14 Prozent zunimmt.
Der GDV fordert die Einrichtung eines bundesweiten Naturgefahrenportals, aus dem sich die Gefährdung einzelner Gebiete bis hin zu einzelnen Häuserzeilen ablesen lässt. Auch dürfe es keine Neubauten mehr in Überschwemmungsgebieten geben, erläutert GDV-Fachmann Hauner. Die Verwendung wasserdichter Baustoffe halten die Versicherer ebenfalls für angezeigt. Schon mit einfachen Methoden wie Schwellen vor Kellergittern oder wasserdichten Kellerfenstern lassen sich Schäden vermeiden. „Die Gefahr von Wasser wird unterschätzt“, warnt Hauner.
„Alle Klimamodelle zeigen, dass sich Deutschland auf mehr Extremwetter einstellen muss.“
DWD-Wetterexperte Andreas Becker