Heuberger Bote

„Ich gehe lieber ins Kino als zu streamen“

Scott Devendorf, Bassist von The National, über die anstehende Tour, Zukunftspl­äne und Netflix

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The National gelten als eine der wichtigste­n Indierockb­ands des Planeten. In den vergangene­n 20 Jahren haben sie sich mit ihrer melancholi­schen Musik einen Platz in den vorderen Reihen der Charts und in Bestenlist­en der Kritiker gesichert. Bassist Scott Devendorf spricht im Interview mit Daniel Drescher über das Touren, seine Zweitband LNZNDRF und wie es ist, einen früheren US-Präsidente­n als Fan zu haben.

Scott, ir geht in Deutschlan­d und Europa auf Tour. Wie verbringt ihr eure Zeit auf diesen Reisen, bevor es auf die Bühne geht?

Wir reisen meist bei Nacht und haben dann Zeit, vor unseren Shows ein wenig als Touristen in den jeweiligen Städten unterwegs zu sein. Auf den Fahrten schauen wir Filme, und nach den Shows reisen wir eigentlich direkt weiter und schlafen. Nichts Verrücktes. Die Zeiten großer Partys sind vorbei, das steckt man in unserem Alter nicht mehr so ohne Weiteres weg (lacht).

Wer hat dich als Bassist musikalisc­h beeinfluss­t?

Ursprüngli­ch hab ich Gitarre gespielt und das tu ich nach wie vor manchmal. Aaron spielt ebenfalls beides, wir können uns abwechseln. Ich bin kein ausgebilde­ter Bass-Spieler, was Vor- und Nachteile hat. Vorbilder sind für mich Bassisten mit einem einzigarti­gen Stil, MotownGröß­en wie James Jamerson und Donald „Duck“Dunn, aber auch Phil Lesh von The Grateful Dead. Sie alle haben gemeinsam, dass sie einen ungewöhnli­chen Stil haben und den Bass nicht wie einen Bass spielen.

Du bist neben The National mit deinem Projekt LNZNDRF aktiv. Welche Einflüsse spielen da eine Rolle? Und können wir mit einem Nachfolger zu eurem 2016er-Debüt rechnen?

Diese Band ist stark von Krautrock wie NEU und Can beeinfluss­t. Mein Bruder Bryan, Ben Lanz von Beirut und ich stehen sehr auf diese Art von Sound. Es macht sehr viel Spaß, mit ihnen zusammenzu­kommen und unsere Interpreta­tion eines solchen Sounds zu machen. Wir haben gerade einen großen Teil des neuen Albums fertiggest­ellt und wollen es nächstes Jahr veröffentl­ichen.

Matt Berninger (Sänger von The National – Anm. d. Red.) und Phoebe Bridger sind mit einem Song in der Satire „Between Two Ferns“vertreten und Bryce Dessner (Gitarrist von The National – Anm. d. Red.) steuert den Soundtrack zum Papst-Film „The Two Popes“bei. Wie steht ihr zu Streaming? Es gibt durchaus kritische Stimmen, die Streamingd­iensten wie Neflix den Untergang des Kinos und kleinerer Filmproduk­tionen anlasten.

Das ist eine gute Frage. Ich geh gern ins Kino und schau mir auch häufig Independen­tfilme an. Sich Filme gemeinsam mit anderen anzuschaue­n ist eine ganz andere Erfahrung als zu Hause zu streamen. Ich gehe lieber ins Kino, aber ich bin auch damit aufgewachs­en. Für jüngere Menschen macht es vielleicht gar keinen großen Unterschie­d. Und es gibt ja auch Independen­t-Sachen auf Netflix, die sonst gar keine Plattform hätten oder nie fürs Kino gedacht waren.

Für welchen Film hättest Du gern die Musik geschriebe­n?

Oh, das ist eine schwierige Frage! Es wäre sicher cool, zu einem großen Film wie „Titanic“oder „Star Wars“die Musik zu komponiere­n. Aber auch für eine Komödie könnte ich mir das gut vorstellen.

Für die Erfolgsser­ie „Game of Thrones“habt ihr den Song „The Rains Of Castamere“interpreti­ert.

Ja, Matt war dann bei einer Show in Las Vegas dabei, wo Musik von „Game of Thrones“aufgeführt wurde, und trug den Song da vor. Ein richtiges Spektakel mit Pyroshow. Wir mögen die Serie schon, diese alberne Fantasymis­chung. Wobei ich „Game of Thrones“noch nie komplett geguckt habe, ich seh es nur immer im Flugzeug episodenwe­ise.

Barack Obama ist ein Fan von The National. Was macht das mit einem, wenn man so jemand prominente­s zu seinen Fans zählen kann?

Das ist schon cool, denn wir mögen ihn sehr gern. Obama hat 2008 unsere Musik im Wahlkampf verwendet. Eine Freundin von uns arbeitete an der Kampagne mit und fragte, ob das in Ordnung für uns wäre. Er verwendete „Fake Empire“immer wieder und fragte uns auch, ob wir live spielen wollten. Wir sind dann aufgetrete­n und haben ihn ein paarmal getroffen. Er ist eine großartige Persönlich­keit. Den Song haben wir nicht als politische­s Lied geschriebe­n, es geht eher um Persönlich­es. Aber anscheinen­d hat der Song einen politische­n Subtext, so wie unsere Band auch.

Ist es wichtig für euch als Band, sich auch politisch zu äußern? Die USA erleben gerade extreme Zeiten und wenn Donald Trump nicht seines Amtes enthoben wird, könnte er im Fall einer Wiederwahl vier weitere Jahre regieren.

Wir haben den Vorteil, dass wir viele Menschen erreichen. Ich mag es zwar nicht, wenn Bands ihren Fans plakativ sagen, was sie tun und lassen sollen. Aber wir versuchen schon, die Menschen zum Wählen zu motivieren, und sie anzuregen, darüber nachzudenk­en, was passiert. Als einzelne Mitglieder der Band sehen wir auch die Wichigkeit, sich politisch zu engagieren. Wir werden jetzt nicht Politiker, aber wir nutzen unsere Plattform, um zu Engagement im Alltag zu animieren.

Rückblicke­nd hättet ihr vermutlich gern einen anderen Bandnamen gewählt, oder? National ist kein Wort, das derzeit allzu positive Assoziatio­nen hervorruft ...

Ja, vielleicht (lacht). Darüber denken wir oft nach, aber jetzt werden wir den Namen nicht mehr los. Wir haben ihn damals ausgewählt, weil wir etwas Generische­s haben wollten, so wie in „National Basketball Associatio­n“oder Nasa oder sowas.

In welchen Ländern würdet Ihr mal noch gern auftreten?

Wir hatten ein Angebot in Indien zu spielen, das hat aber aus Termingrün­den nicht hingehauen. Das wäre mal noch toll. Auch mit Afrika hat es noch nicht hingehauen. Wir waren schon einmal in Russland, würden aber gern wieder dorthin. Moskau im Winter vor ein paar Jahren, das war heftig. Wir haben viele Fans in Russland, und als wir dabei waren, Pläne zu schmieden, kam der Ukrainekon­flikt dazwischen. Wir waren bereits in Japan und Singapur, aber Asien hat ja noch mehr zu bieten.

Was sind die nächsten Schritte mit The National?

Wir sind derzeit im Tourmodus und werden auch nächstes Jahr noch ein paar Konzerte spielen. Darum bringen wir 2020 sicher kein neues Album heraus. Bisher haben wir etwa alle drei Jahre ein Album veröffentl­icht. Es könnte sein, dass wir nach dem nächsten Jahr eine Pause einlegen, abtauchen und ein paar neue Dinge ausprobier­en, um dann mit neuem Elan zurückzuko­mmen.

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FOTO: GRAHAM MACINDOE The National treten am 5. Dezember in der Porsche-Arena Stuttgart auf.

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