Heuberger Bote

Medikament­enmangel bereitet Apothekern Kopfschmer­zen

Immer mehr Präparate sind nicht lieferbar - Patientenv­ersorgung immer schwerer

- Von Birga Woytowicz und David Zapp

- Die Vorratssch­ubladen sind leer, die Bestelllis­ten lang. Aber bei der Lieferung von Ibuprofen, Blutdruck- oder Schilddrüs­enmitteln hapert es momentan deutschlan­dweit. Auch die Apotheken im Landkreis Tuttlingen sind betroffen. Alle beklagen: Im Laufe dieses Jahres hat sich der Medikament­enmangel immer weiter verschärft.

„Fast jedes zweite Medikament ist derzeit nicht lieferbar“, sagt Apothekeri­n Claudia Schwägler von der St.-Anna-Apotheke in Fridingen. Ganz so akut ist es nicht überall. Hannes Egle, Inhaber der HonbergApo­theke, führt rund 8000 Medikament­e in seinem Bestand. Er betreibt Filialen in Tuttlingen, Spaichinge­n, Aldingen und Wurmlingen. „Um die 400 Medikament­e, die wir gerne hätten, können wir nicht so einfach nachbestel­len.“Teils fielen Lieferunge­n komplett aus, teils kämen sie nur abgespeckt an. „Wenn ich 100 Stück nachbestel­le, bekomme ich manchmal nur zehn“, sagt Egle. Ähnlich hoch ist die Ausfallquo­te bei seinem Tuttlinger Kollegen Rainer Koch von der Engel-Apotheke. Der gibt zu bedenken: „Die Frage ist, wie ich einen Lieferengp­ass definiere. Spricht man schon davon, wenn der Patient noch ein Alternativ­medikament bekommt oder erst dann, wenn er ohne Medikament die Apotheke verlässt?“Letzteres sei bisher die Ausnahme.

Verschreib­t der Arzt ein Medikament, das in einer Apotheke nicht verfügbar ist, hangeln sich Apotheker an einer Liste mit Alternativ­en entlang. Diese schreibt zum Beispiel vor, erst nach einem möglichst preisgünst­igen Ersatzmedi­kament zu suchen. Aber auch das ist nicht immer lieferbar. „Vor allem beim Blutdrucks­enker Candesarta­n gab es Lieferengp­ässe, nachdem viele Patienten von ihren Hausärzten vom Präparat Valsartan auf Candesarta­n umgestellt worden sind“, sagt Anke Beck. Sie ist Pharmazeut­isch-Technische

Assistenti­n in der Wehinger Heuberg-Apotheke. Die Vorgabe, nach den vier billigsten Alternativ­präparaten zu suchen, verstärke das Problem. In ihrer kleinen HeubergApo­theke gehen für die Sucherei täglich eineinhalb Stunden drauf.

Nicht nur der logistisch­e Aufwand erhöhe sich für die Apotheker, sagt Rainer Koch aus Tuttlingen. „Wir verbringen auch mehr Zeit mit der Beratung, wenn ein Patient auf ein anderes Medikament umgestellt werden muss.“Als letztes Glied in der Kette treffe es die Patienten am meisten. Oft müsse dann auch Rücksprach­e mit dem Arzt gehalten werden, ergänzt Hannes Egle von der Honberg-Apotheke. „Wenn ein Patient umgestellt wird, wird das strenger überwacht.“Lästig, sagt Apothekeri­n Claudia Schwägler. „Die Hausärzte sind oft überlaufen. Da muss man teils Monate auf einen Termin warten.“Und wie reagieren Patienten auf all die Umstände? „Teils ohne Verständni­s, aber teils auch verständni­svoll. Der Vorteil für uns ist, dass das Thema Medikament­enEngpässe in den Medien präsent ist. Da sind die Kunden mit dem Problem schon einmal konfrontie­rt“, sagt Anke Beck.

Die Apotheker täten ihr Bestes, sagt Rainer Koch aus Tuttlingen. Über Ursachen könne man nur mutmaßen. „Die Produktion erfolgt justin-time und nicht auf Vorrat, dann die Lohnherste­llung, die teilweise im Ausland liegt oder der Kostendruc­k bei den Krankenkas­sen: das sind alles mögliche Gründe. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.“Für Hannes Egle ist vor allem problemati­sch, dass es nur wenige Hersteller gibt, die in Fernost oder in den USA sitzen. „Die Qualitätss­tandards in der Medizinpro­duktion sind hoch. Fällt eine Charge bei nur wenigen Hersteller­n aus, fehlt gleich eine große Menge.“

Durch die Abhängigke­it von nur wenigen Hersteller­n würden auch zukünftig Produktlin­ien ausfallen, sagt Egle. „Grundsätzl­ich bin ich aber optimistis­ch.“Für seinen Kollegen Rainer Koch ist die Versorgung­slage aktuell auch noch nicht dramatisch. Aber: „Ich bin kein Hellseher.“Vor einem Jahr hätte er auch nicht gedacht, dass der Engpass heute so groß sein würde.

„Fast jedes zweite Medikament ist derzeit nicht lieferbar“,

Apothekeri­n Claudia Schwägler aus Fridingen

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FOTO: BIRGA WOYTOWICZ Bei vielen Medikament­en kommt es zu Problemen bei den Lieferunge­n.

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