Heuberger Bote

Keine Störgeräus­che, nur Handball

Behnkes Russland-Abenteuer soll DHB-Frauen bei der Weltmeiste­rschaft beflügeln

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(SID) - Für Julia Behnke war der stundenlan­ge Flug zur WM nach Japan eine eher kürzere Reise. In ihrer neuen Heimat Russland, berichtet die Handball-Nationalsp­ielerin, ist sie manchmal „Tage unterwegs“, bis sie am Spielort ankommt. Die ungreifbar­en Weiten des flächenmäß­ig größten Landes der Welt sind der Grund für die Reisestrap­azen im Ligaalltag – doch die nimmt Behnke gerne auf sich.

„Ich bereue diesen Schritt überhaupt nicht“, sagt Behnke über ihren Wechsel zum russischen Meister GK Rostow am Don im vergangene­n Sommer. Die Kreisläufe­rin ist die erste deutsche Handballer­in, die es nicht nur aufgrund der finanziell lukrativen Aussichten in die Superleagu­e zog. Das Gesamtpake­t ist reizvoll, betont die 26-Jährige: „Ich kann den Fokus komplett auf den Handball richten.“Behnkes Erfahrunge­n sollen nun auch den deutschen Handballfr­auen zugutekomm­en. Wenn das DHB-Team, das sich momentan in Tokushima auf den WMAuftakt gegen Brasilien am Samstag (7 Uhr/sportdeuts­chland.tv) vorbereite­t, in den kommenden Tagen um den angepeilte­n Platz unter den Top Sieben spielt, kommt der 26-Jährigen eine Schlüsselr­olle zu.

Dass die Spielerinn­en vom Handball leben können, ist in der Bundesliga quasi ausgeschlo­ssen. In Russland ist Behnke Profi und wird auch so behandelt. Die Wohnung, das Auto, die Verpflegun­g – all das stellt der Verein. „Ich habe praktisch keine Ausgaben“, sagt die 70-malige Nationalsp­ielerin über die Vorteile der strukturel­len Rahmenbedi­ngungen in Rostow, das Spielort bei der Fußball-WM 2018 war und eher europäisch angehaucht ist.

Im Trainingsz­entrum existieren Sauna und Eisbäder, der Verein stellt Physiother­apeuten und Masseure, es werden umfangreic­he Videoanaly­sen durchgefüh­rt. Zudem sei die Versorgung eine Klasse für sich – ganz im Gegenteil zur Heimat: „Man erwartet in Deutschlan­d von den Spielerinn­en, dass sie auf ihre Ernährung achten, weil ihr Körper ihr Kapital ist. Aber letztendli­ch hat man häufig gar nicht die Möglichkei­t dafür“, sagt Behnke durchaus kritisch.

Der Wechsel von der TuS Metzingen an den Don ergibt in der Theorie

daher durchaus Sinn. Und in der Praxis? Die Sprache beherrscht die Rechtshänd­erin zwar kaum („Zum Essen bestellen reicht es“), eingelebt hat sie sich dennoch längst. Auch, weil sie so viel Zeit dem Handball widmet und keine Störgeräus­che wahrnimmt. Das stets hohe Niveau im Training „macht mich besser“, sagt Behnke überzeugt.

Beim Champions-League-Finalisten der Vorsaison stehen unter anderem eine niederländ­ische, zwei brasiliani­sche und neun russische Nationalsp­ielerinnen unter Vertrag. Die Einheiten seien deutlich härter als bei ihren bisherigen Stationen in Deutschlan­d – teilweise sogar anspruchsv­oller als die Spiele selbst. Das liegt auch daran, dass die anderen Teams in der Liga nicht die Qualität aufweisen wie der unangefoch­tene Tabellenfü­hrer Rostow (elf Spiele, keine Niederlage).

Fakt aber sei, „dass die Bedingunge­n im Ausland deutlich besser sind als in Deutschlan­d“, sagt Behnke. Viele Nachahmer haben sich bisher nicht gefunden: Im WM-Kader der Nationalma­nnschaft ist Behnke neben Shenia Minevskaja (Brest Handball/Frankreich) nur eine von zwei Legionärin­nen. Ob ihr Wechsel der Beginn eines Trends ist, ist fraglich: „So ein Schritt ins Ausland ist immer Typsache“, glaubt Behnke. Und eine Frage der Qualität.

„Man erwartet in Deutschlan­d von den Spielerinn­en, dass sie auf ihre Ernährung achten, weil ihr Körper ihr Kapital ist. Aber letztendli­ch hat man häufig gar nicht die Möglichkei­t dafür.“

Julia Behnke

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FOTO: JULIA RAHN/IMAGO IMAGES Mit Auslandser­fahrung zu hohen Zielen: Julia Behnke entschied sich vor der Saison für ein Profidasei­n in Russland.

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