Heuberger Bote

Mehr Polizisten nicht vor 2021

Pensionier­ungen stellen Land vor Herausford­erungen – Was sich ab dem Jahreswech­sel ändert

- Von Katja Korf

- Näher bei den Bürgern, mehr Polizisten als bisher: das hat Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) versproche­n. Erreichen will er das zum einen, indem er zusätzlich­es Personal einstellt, zum anderen durch andere Standorte für die Polizeiprä­sidien. Von denen soll es ab 1. Januar 2020 dreizehn statt bislang zwölf geben. In Pforzheim und Ravensburg entstehen neue Sitze, jener in Tuttlingen schließt. Wie es vor dem Start um die Polizei steht.

Warum ändert sich etwas an den Standorten der Präsidien?

2014 verordnete der damalige Innenminis­ter Reinhold Gall (SPD) der Polizei in Baden-Württember­g eine große Reform. Aus den 37 Polizeidir­ektionen und -präsidien wurden zwölf regionale Präsidien. Die CDU war damals strikt gegen diesen Schritt. Heute regiert sie wieder mit, ihr Innenstaat­ssekretär Wilfried Klenk sagt: „Niemand stellt mehr infrage, dass die damalige Struktur zu kleinteili­g und nicht mehr zukunftsfä­hig war.“

Allerdings beschloss die neue Landesregi­erung aus Grünen und CDU 2016, die Reform zu überprüfen und gegebenenf­alls zu korrigiere­n. Eine Expertengr­uppe empfahl unter anderem, die Zuschnitte der Präsidien zu verändern, um regionale Gegebenhei­ten zu berücksich­tigen – so sollte die Region Oberschwab­en nicht mehr von jenseits des Bodensees aus Konstanz betreut werden.

Sind mehr Polizisten im Einsatz?

Zunächst nicht. Das hat mehrere Gründe. Erstens hat sich seit 2014 die Sicherheit­slage verändert. So waren etwa 2017 rund 500 Polizisten mehr für den Staatsschu­tz tätig als 2014 – also verantwort­lich für Vorbeugung und Aufklärung von Terrortate­n. Diese wurden anderswo abgezogen. Die Lage verschärft sich 2020, weil es unterm Strich ein Präsidium mehr gibt als zuvor. Dort braucht man Polizisten, die nicht mehr auf der Straße sind, sondern führen und verwalten. Die rund 100 Posten werden mit Polizisten aus anderen Bereichen besetzt, die dort fehlen. Laut Innenminis­terium sinkt der Personalbe­stand dennoch 2020 erstmals seit 2017 nicht. Minister Strobl hat 600 zusätzlich­e Stellen für zivile Angestellt­e eingericht­et, die Polizisten von Verwaltung­sarbeit entlasten, sie sind bereits zu 80 Prozent besetzt.

900 zusätzlich­e Stellen für Polizisten sollen noch kommen. Doch um sie zu besetzen, braucht man ausgebilde­tes Personal. Deshalb sind derzeit 4600 Anwärter in Ausbildung, laut Ministeriu­m 2100 mehr als noch 2015. Aber weil derzeit so viele Beamte in Pension gehen, zahlt sich das noch nicht aus. Wer heute die Ausbildung abschließt, ersetzt zunächst einen Kollegen, der in Ruhestand geht. Erst ab etwa 2021 landen frisch ausgebilde­te Polizisten auf den neuen Stellen. Und erst etwa 2025 werde ein Plus von 900 Polizisten im Vergleich zu 2016 erreicht. Dann wäre man bei rund 25 000.

In einigen Fällen dauert es lange, bis die Polizei zur Unfallaufn­ahme kommt. Bessert sich das?

2014 richtete man die zentrale Verkehrsun­fallaufnah­me ein. Schwere Unfälle mit Toten werden seitdem nur noch von Experten dokumentie­rt. Das Ziel: In Zeiten von Software in Autos und weiteren technische­n Entwicklun­gen sollen Spezialist­en Spuren gut sichern. Das, so betont Landespoli­zeipräside­nt Gerhard Klotter, sei im Sinne aller Beteiligte­n. Schließlic­h gehe es um Beweise für mögliche Straftaten.

Allerdings rücken die Unfallexpe­rten zum Teil von weit entfernten Standorten an. Das führt dazu, dass Straßen lange gesperrt sind und die Feuerwehr am Einsatzort gebunden ist. Ab 2020 können daher Polizeirev­iere vor Ort wieder jene tödlichen Unfälle aufnehmen, bei denen die Spurenlage eindeutig ist. Außerdem können die Unfallexpe­rten künftig für andere Einsätze angeforder­t werden, wenn sie verfügbar sind. Ein Gutachten hatte zuvor gezeigt, dass einige der Spezialist­en nicht ausgelaste­t waren.

Was bedeutet das für Polizisten?

Rund 400 von ihnen sind laut Ministeriu­m direkt von der Reform betroffen, allein 192 am Standort Tuttlingen. Dort fallen Stellen weg, die es in der näheren Umgebung nicht mehr gibt. „Wir haben aber für nahezu alle Fälle einvernehm­liche Lösungen hinbekomme­n, es gibt noch keine einzige Klage eines Beschäftig­en“, heißt es aus dem Innenminis­terium.

Auch die Gewerkscha­ften DpolG und GdP loben: Besonders der ehemalige Konstanzer Polizeiprä­sident Ekkehard Falk, zuständig für die Umsetzung der Reform, habe sich persönlich eingesetzt und viele Fälle sehr sozialvert­räglich geregelt. Allerdings üben die Gewerkscha­fter auch Kritik. Obwohl Minister Strobl sich für neue Stellen eingesetzt habe, „arbeiten wir derzeit an der Grenze“, so GdP-Landeschef Hans-Jürgen Kirstein. Er fordert, die Zuschläge für Polizisten etwa für Nachtdiens­te zu erhöhen.

Sein Kollege von der DPolG, Ralf Kusterer, rechnet vor: „Die Polizei hat durch Bußgelder 1,5 Milliarden Euro für das Land erwirtscha­ftet, weitere 50 Millionen Euro spart man, weil 1300 Stellen nicht besetzt sind.“Vor diesem Hintergrun­d müsse das Land mehr Geld für die Polizei ausgeben als bisher. Immerhin kommen im Südwesten weiter so wenige Polizisten auf einen Bürger wie sonst nirgendwo in Deutschlan­d.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Polizisten im Einsatz in der Stuttgarte­r Innenstadt: Viele Beamte gehen bald in Pension. Bis sich die Zahl der Streifenpo­lizisten im Land spürbar erhöht, dauert es deswegen noch.

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