Heuberger Bote

Eine Frage der Moral

Deutsche Konzerne machen trotz Internieru­ng von Tausenden Uiguren Geschäfte in China

- Von Brigitte Scholtes

- Schon seit Jahren sind deutsche Unternehme­n in der chinesisch­en Autonomier­egion Xinjiang vertreten. Die Region ist reich an Rohstoffen und Bodenschät­zen. Das ist ein Anreiz für Investitio­nen. Aber auch die chinesisch­e Regierung ist interessie­rt daran, westliche Firmen anzulocken.

Doch mit den „China Cables“– Papiere, die das Internatio­nale Konsortium Investigat­iver Journalist­en (ICIJ) jetzt veröffentl­ichte – sind nun erstmals Belege dafür aufgetauch­t, wie dort die Uiguren-Minderheit behandelt wird. Dass etwa eine Million Menschen in Internieru­ngslagern eingesperr­t ist, unterdrück­t und überwacht wird. Noch im April bei der Automesse in Shanghai hatte VW-Chef Herbert Diess „stolz“darauf verwiesen, dass mit dem Engagement der Wolfsburge­r dort viele Arbeitsplä­tze entstanden seien. Auf die Nachfrage eines BBC-Reporters wegen der Internieru­ngslager für Uiguren sagte Diess damals, er wisse nicht, was damit gemeint sei.

Inzwischen heißt es bei Volkswagen, wohl auch wegen der Welle der Empörung nach diesem Interview, man sei sich der Lage in der Region bewusst und bemühe sich, einen Beitrag

zur Entwicklun­g der Region und zum Zusammenle­ben der dortigen Volksgrupp­en zu leisten. „Wir beobachten die Entwicklun­gen und beziehen uns dabei auf die öffentlich zugänglich­en Berichte der Vereinten Nationen“, sagte ein Sprecher. Die Entscheidu­ng 2013 für das Werk in Urumqi, in dem der Volkswagen Santana produziert wird, habe man aus rein wirtschaft­lichen Überlegung­en gefällt. Diese stehen auch weiter im Vordergrun­d. Denn Volkswagen will sein Engagement ausbauen und vom nächsten Jahr an dort ein zusätzlich­es SUV-Modell produziere­n.

Der Chemiekonz­ern BASF wiederum ist in zwei Joint Ventures in der Region aktiv, ein Sprecher nennt ebenfalls wirtschaft­liche Gründe für das Engagement – wie Kundennähe, die Verfügbark­eit von Bodenschät­zen, Energie und Arbeitskrä­ften. Mit den Joint Venture-Partnern habe man sich auf einen Verhaltens­kodex geeinigt.

Wie auch VW schließt BASF mit seinen Mitarbeite­rn direkte Arbeitsver­träge ab. Bei VW sind bisher etwa 650 Menschen beschäftig­t, ein Viertel davon soll Minderheit­en angehören. „Wir gehen davon aus, dass kein Mitarbeite­r unter Zwang arbeitet“, sagte der VW-Sprecher. Auch BASF schließt eine Missachtun­g der Menschenre­chte

für seine eigenen Geschäftsa­ktivitäten zumindest aus. Der Münchener Elektronik­konzern Siemens wiederum ist ebenfalls in einem Gemeinscha­ftsunterne­hmen aktiv, es kooperiert mit dem halbstaatl­ichen chinesisch­en Überwachun­gskonzern CETC. Schwerpunk­t der Zusammenar­beit seien Standardpr­odukte und Lösungen von Siemens „zum Einsatz in Fertigungs­anlagen unseres Kunden“, heißt es in einer Mitteilung. Der Schwerpunk­t liege da im Bereich intelligen­ter Fertigungs­lösungen, die für die Produktion von Fahrzeugen, Haushaltsg­eräten oder medizinisc­hen Prothesen genutzt würden.

Auch Deutsche Bank involviert

Auch verschiede­ne andere deutsche Unternehme­n sind in Xinjiang aktiv – sei es zur Produktion oder mit Verkaufsst­ellen. Auch Banken sind darunter, so hat die Deutsche Bank eine Anleihe für einen Ausrüster von Windkrafta­nlagen dort begeben. Die staatliche Förderbank KfW hat vor vier Jahren in der Stadt Urumqi eine U-Bahn mitfinanzi­ert. „Zum damaligen Zeitpunkt war davon auszugehen, dass die aus Kreditmitt­eln mitfinanzi­erte U-Bahn dezidiert positive Auswirkung­en für das wirtschaft­liche Wachstum sowie die Lebensbedi­ngungen der in Urumqi lebenden Bevölkerun­g haben wird“, sagte eine Sprecherin.

Derzeit plane man jedoch keine weiteren Kreditverg­aben für Vorhaben in Xinjiang. Offener Protest ist von den meisten deutschen Firmen derzeit anscheinen­d nicht zu erwarten. Vielmehr begründen die Firmen ihr Engagement auf dem chinesisch­en Markt auch damit, in Zeiten des zunehmende­n Protektion­ismus Zeichen zu setzen – so etwa VW, das die Investitio­n dort als wichtigen Beitrag zu einer internatio­nalen Ordnung mit offenen Grenzen, freiem Handel, internatio­nalen Verflechtu­ngen“sieht.

Reinhard Bütikofer, Mitglied der Grünen im Europaparl­ament, verlangt jedoch ein entschiede­nes Signal der deutschen Unternehme­n. „Ich stelle die Forderung, entweder sich offen mit der chinesisch­en Politik in Xinjiang anzulegen oder aber dort das Geschäft einzustell­en“, sagte er im Deutschlan­dfunk. Sollte der öffentlich­e Druck auf die deutschen Unternehme­n jedoch weiter steigen, ihr Engagement zu überdenken, dann könnten sie sich gegebenenf­alls im Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft besprechen. Doch es dürfte eine Zeit dauern, bis dann gegebenenf­alls eine Entscheidu­ng falle, ist zu hören.

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FOTO: DPA Eine Angehörige der uigurische­n Minderheit bei einer Demonstrat­ion in der Unruheregi­on Xinjiang in Nordwestch­ina: Erstmals sind Beweise für die systematis­che Unterdrück­ung der Uiguren aufgetauch­t.

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