Heuberger Bote

Sanktionen statt Bann

Russland soll wegen Dopingverg­ehen bis 2022 keine internatio­nalen Sportveran­staltungen ausrichten dürfen – wieso Fußball nicht betroffen ist

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(dpa/SID) - Russland erwartet für die dreiste Manipulati­on von Dopingdate­n aus dem Moskauer Labor harte Sanktionen, aber nicht die Höchststra­fe: Das Land muss wohl keinen kompletten Olympia-Ausschluss mehr fürchten. Dafür erwarten Russland vier Jahre, in denen es als Veranstalt­er von der Sportlandk­arte gestrichen sein wird und die Athleten weder bei einer WM, EM oder den Olympische­n Spielen 2020 in Tokio und 2022 in Peking unter der russischen Fahne starten dürfen. Einzelspor­tler könnten internatio­nal nur nach eingehende­r Prüfung als neutrale Athleten starten.

Die Sportwelt reagierte auf diese Empfehlung­en der unabhängig­en Prüfkommis­sion der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA mit Ablehnung und Zustimmung. Für Dagmar Freitag, Sportaussc­hussvorsit­zende im Bundestag, zeigen die Empfehlung­en für Sanktionen „eine erhebliche Schärfe“. Die vier in St. Petersburg stattfinde­nden Spiele der Fußball-EM 2020 werden von den möglichen Sanktionen nicht tangiert. „Die EM 2020 ist nicht betroffen, da es ein kontinenta­les Einzelspor­tereignis ist“, teilte die WADA mit.

Endgültig über Sanktionen entscheide­n wird anhand der Vorschläge erst das WADA-Exekutivko­mitee am 9. Dezember in Paris. „Mit anderen Worten: Die Messen sind noch nicht gesungen“, sagte die SPD-Politikeri­n Freitag. „Die Sportwelt steht an einem

Scheideweg. Denn es geht jetzt darum, die WADA und ihre Gremien als unabhängig­e Experten ohne Wenn und Aber glaubwürdi­g zu machen.“

Max Hartung, Vorsitzend­er des Vereins Athleten Deutschlan­d, weiß fünf Jahre nach Aufdeckung des Staatsdopi­ngs in Russland nicht mehr wirklich, was richtig oder falsch sei. „Es wäre zu wünschen, wenn dies der

Schlusspun­kt sein würde“, sagte der Weltklasse­fechter. „Gefühlt ist es eine unendliche Geschichte, bei der man kein Gefühl mehr hat, was fair ist oder nicht.“Es sei aber nicht richtig, wenn man etwas im Fall Russland entscheide, was „politisch opportun“sei. Es müsse klare Regeln und Konsequenz­en für Verstöße geben.

Falls die WADA die vorgeschla­genen Sanktionen verhängt, hat die vor einer erneuten Sperre stehende russische Anti-Doping-Agentur RUSADA 21 Tage Zeit, das Urteil zu akzeptiere­n. Sonst wird der Fall dem Internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS in Lausanne übergeben, teilte die WADA mit.

Russland wehrt sich dagegen, an den Pranger gestellt zu werden. „Manche möchten Russland in eine Verteidigu­ngshaltung und Lage eines Beschuldig­ten drängen – in allem und überall“, sagte Außenminis­ter Sergej Lawrow. Es könne nicht sein, dass Russland immer schuld sei und gegen alles verstoße, „und alle anderen nach den Regeln leben, die sie selbst aufgeschri­eben haben“. Er forderte einen ehrlichen Dialog auf Augenhöhe.

Kein Wort verlor Lawrow über die manipulier­ten Daten aus dem Labor in Moskau, die „weder komplett noch vollständi­g authentisc­h“waren, so die WADA. Hunderte von auffällige­n Testbefund­en seien ebenso entfernt worden wie eine Vielzahl von PDFDateien. Einige Daten sollen erst Ende 2018 beseitigt worden sein, bevor sie den WADA-Experten Anfang des Jahres übergeben wurden. Zum Vergleich hatte die WADA eine Kopie der Moskauer Dateien, die ihr im November 2017 von einem Whistleblo­wer zugespielt wurden.

Auf das Schärfste verurteilt das Internatio­nale Olympische Komitee die Daten-Fälschung. „Diese offensicht­liche Manipulati­on ist ein Angriff auf die Glaubwürdi­gkeit des Sports selbst und eine Beleidigun­g für die weltweite Sportbeweg­ung“, heißt es in einer Stellungna­hme. „Das IOC wird die härtesten Sanktionen gegen alle Verantwort­lichen dieser Manipulati­on unterstütz­en.“

Zu den Empfehlung­en der Prüfkommis­sion erklärte das IOC, dass Sanktionen „den Regeln der natürliche­n Gerechtigk­eit folgen und die Menschenre­chte achten“sollten. Die

„Präsident Putin muss eingreifen.“

Russlands Anti-Doping-Chef Juri Ganus hofft auf Beistand von oben

Schuldigen sollten „wegen der Schwere dieses Verstoßes auf die härteste Art und Weise bestraft werden“. Die WADA solle alle Akten im Fall Russland an den Europarat und die Unesco weiterleit­en. „Am Ende dieses Prozesses hoffen wir, dass endlich Gerechtigk­eit herrscht und es vollständi­ge und angemessen­e Sanktionen geben wird.“

Russlands Anti-Doping-Chef Juri Ganus forderte derweil Staatspräs­ident Wladimir Putin zum Handeln auf. „Präsident Putin muss eingreifen. Ehrlicherw­eise warte ich darauf “, sagte der Generaldir­ektor der nationalen Anti-Doping-Agentur RUSADA. „Wir stürzen in eine neue Phase von Russlands Dopingkris­e. Das ist die Realität“, sagte der RUSADA-Chef.

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FOTO: JAN WOITAS / DPA Zumindest die Flagge Russlands muss bei Olympische­n Spielen wohl weiter draußen bleiben.

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