Geständnisse eines Torhungrigen
Robert Lewandowski trifft in Belgrad viermal – „Das Wichtigste ist, dass wir Spaß haben“
(dpa/SID/fil) - Der Mann, der zur Verbesserung der Fettverbrennung erst das Dessert isst, ehe er sich über Fleisch und Nudeln zur Suppe vorkämpft, nippte zum krönenden Abschluss einer magischen Nacht genüsslich an einem Glas Rotwein. Vier Tore in einem Spiel gelingen ja selbst einem geborenem Torjäger wie Robert Lewandowski nicht alle Tage. Vier Tore in 14 Minuten und 31 Sekunden, wie geschehen beim 6:0 (1:0) des FC Bayern bei Roter Stern Belgrad, waren zuvor in der Champions League noch niemandem gelungen.
Und so ließ sich Lewandowski beim traditionellen Mitternachtsbankett des FC Bayern nach Auswärtsspielen in der Champions League gerne feiern, geduldig schrieb er Autogramme oder posierte glückselig lächelnd für Erinnerungsfotos.
27 Tore in 20 Pflichtspielen in dieser noch immer jungen Saison, die Königsklassen-Treffer 60 bis 63, dazu noch der 14:31-Rekord. In Belgrad lief die Tormaschine Lewandowski auf Hochtouren.
„Robert ist aktuell in Hochform. Er arbeitet wahnsinnig professionell, macht immer wieder Sonderschichten und hat sich wieder belohnt“, sagte Hansi Flick, der auch dank Lewandowski den besten Trainerstart überhaupt beim FC Bayern für sich verbuchen darf. Vier Siege mit 16:0 Toren – unter Flick spielt der deutsche Rekordmeister wie verwandelt. Lewandowski kann seine Abschlussqualitäten noch besser als zuvor schon nutzen, ein Rädchen greift ins andere. Lewandowski ist nicht mehr die Lebensversicherung und beinahe der einzige Leistungsträger, der trotz seiner verunsicherten Mitspieler nach Belieben trifft, sondern er trifft als Mitglied eines beinahe schon wieder beängstigend starken Kollektivs.
Was die Wiedereinführung eines Positionsspiels und früheres und höheres Anrennen der Gegenspieler doch ausrichten können...
Neuigkeiten für die Zukunft auf der Bayern-Bank, für die der ehemalige Tottenham-Coach Mauricio Pochettino oder Amsterdams Cheftrainer Erik ten Hag als Kandidaten gelten, gab es in der Nacht zum Mittwoch keine. „Wir machen alle unseren Job, Hansi Flick macht auch seinen Job, das läuft im Moment gut“sagte Manuel Neuer. Fachlich, menschlich – alles sei top unter dem Kovac-Nachfolger. „Er nimmt jeden mit, und das ist wichtig. Gerade das, was Jupp Heynckes immer gemacht hat, das setzt er hier fort“, so der Kapitän. „Es ist eine Serie, die langsam ungeheuerlich wird“, staunte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge im rötlich beleuchteten Festsaal.
Die Gegner werden wieder bayernlike dominiert. „Wir haben eine unglaubliche Serie erlebt und den Höhepunkt mit dem 6:0“, sagte Rummenigge beim Bankett. „Neben den Ergebnissen ist Spielqualität das Wichtigste. Alle, die hier sind, haben Spaß am Spiel unserer Mannschaft, und dazu möchte ich dir, lieber Hansi,
herzlich gratulieren.“Niko Kovac, bis vor drei Wochen noch Flicks Chef, hatte Rummenigge öffentlich nie so gelobt. Nach dem Doublegewinn im Frühjahr hatte der Vorstandschef den Trainer in seiner Dankesrede gar vergessen.
Vor einem Monat hatte Rummenigge nach dem 3:2 bei Olympiakos Piräus noch eine alarmierende Rede gehalten. Jetzt sieht die rot-weiße Bayern-Welt wieder viel schöner aus. Der Gruppensieg und damit die Aussicht auf leichtere Achtelfinalgegner steht schon vor dem letzten Spieltag in zwei Wochen gegen Tottenham fest. „Wir haben von A bis Z ein Topspiel gemacht“, sagte Angreifer Thomas Müller.
Dank der Lewy-Party – zudem trafen in Belgrad noch Leon Goretzka zum frühen 1:0 und Corentin Tolisso kurz vor Schluss – ist Bayern bereits sicher Gruppensieger. „Wir spielen einfach gut als Mannschaft, kompakt defensiv und treffen gute Entscheidungen nach vorne“, sagte Lewandowski, der in der Bundesliga vor vier Jahren gegen Wolfsburg schon mal fünf Tore in 8:59 Minuten erzielte. „Das Wichtigste ist, dass wir Spaß haben“, sagte der 31-Jährige zu seinem Erfolgsrezept. „Wir haben super Spieler und können super Fußball zeigen. Früher hat ein bisschen gefehlt, jetzt läuft es einfach.“
Seine Mitspieler verneigten sich verbal vor ihm. „Das sieht nach einem Rekordjahr aus“, sagte Neuer. „Es ist fantastisch, wie er für uns trifft und Tore vorbereitet. Er hat im Moment einen Lauf.“
Der so Gelobte verließ mit dem in einer weißen Plastiktüte verpackten Spielball übrigens schon nach rund einer Viertelstunde den Stehempfang im edlen Teamhotel. „Ich muss gestehen: Ich bin süchtig nach Toren“, schrieb er noch auf Twitter. Obwohl beim Stehempfang allerlei Leckereien gereicht wurden wie knusprige Garnelen, Rinderfilethäppchen und Mini-Cevapcici mit Kajmaksoße – beließ Robert Lewandowski es diesmal beim Wein. Zu spätes Essen gilt ja nicht unbedingt als förderlich für die Fettverbrennung.
„Ich muss gestehen: Ich bin süchtig nach Toren“