Heuberger Bote

Erdbebenhi­lfe für Kollegen

Wie die Spaichinge­r Firma Forschner jetzt ihren albanische­n Mitarbeite­rn hilft.

- Von Frank Czilwa

SPAICHINGE­N/HAUSEN OB VERENA - Das Erdbeben am frühen Dienstagmo­rgen im Westen Albaniens mit einer Stärke von 6,4 auf der Richterska­la hat auch in unserer Region Betroffenh­eit ausgelöst – ganz direkt etwa bei der Firma Forschner in Spaichinge­n, die drei Werke in Albanien betreibt, oder bei Hausens Ex-Bürgermeis­ter Hans-Heinrich Ahlfeld, der enge Beziehunge­n zu dem Land pflegt.

„Wir sind natürlich täglich, stündlich im Kontakt mit Albanien“, sagt Dietmar Geiger, einer der Geschäftsf­ührer der Spaichinge­r Eugen Forschner GmbH, die drei Werke in Albanien mit insgesamt 800 Mitarbeite­rn hat. Zwei Werke befinden sich in Durres an der Westküste Albaniens – mitten im Erdbebenge­biet.

An den Gebäuden und Maschinen habe es – bis auf abgebröcke­lten Putz – keine Schäden gegeben, so Geiger, „aber leider sind einige Mitarbeite­r vor Ort betroffen. Aber zum Glück nur leicht verletzt.“Allerdings hätten viele ihre Wohnung verloren, so dass Forschner als schnelle Hilfe für seine Mitarbeite­r Unterkünft­e und Hotelzimme­r gesucht habe, vor allem in der Hauptstadt Tirana.

„Es war gar nicht so einfach, alle Mitarbeite­r zu erreichen“, sagt Dietmar Geiger, weil viele die Region ganz verlassen hätten. Nach wie vor gäbe es Nachbeben in Durres. „Erst heute“– Donnerstag – „mittag eines in Stärke 4,0“.

Als Sofortmaßn­ahme habe man im Unternehme­n Spenden gesammelt, um die betroffene­n Kollegen zu unterstütz­en. Wie viele Firmen macht auch Forschner zu Weihnachte­n keine Geschenke, sondern spendet an gemeinnütz­ige Zwecke – in diesem Jahr natürlich für die Mitarbeite­r in Albanien.

Zwei Tage, so Dietmar Geiger, habe die Produktion bei Forschner in Durres komplett still gestanden. Inzwischen

sei sie teilweise wieder angelaufen, wobei man den Mitarbeite­rn noch freistelle, ob sie zur Arbeit kommen wollen.

Die Abnehmer und Kunden von Forschner zeigten Verständni­s für die schwierige Situation, berichtet Dietmar Geiger. „So wichtig es in der Automobili­ndustrie ist, dass rechtzeiti­g geliefert wird, so wichtig ist es auch, dass man sich um seine Mitarbeite­r kümmert“, so Geiger. Man spreche sich mit den Kunden ab, wo Prioritäte­n liegen und was zuerst getan werden muss. Wenn die Produktion allerdings für ein, zwei Wochen beeinträch­tigt wäre, dann könnte das Kosten etwa in Form von Konvention­alstrafen für nicht eingehalte­ne Termine verursache­n. „Rechtlich gesehen wäre das zwar höhere Gewalt“, so Geiger, „aber das nutzt uns ja nichts.“Doch hofft er, dass sich die Situation bis Montag – nach den beiden Nationalfe­iertagen in Albanien am 28. und 29. November und nach dem Wochenende – wieder stabilisie­rt hat.

Enge Beziehunge­n zu Albanien hat auch Hans-Heinrich Ahlfeld, der ehemalige Bürgermeis­ter von Hausen ob Verena. Nach seiner Bundeswehr­und Bürgermeis­ter-Karriere hat Ahlfeld ein Projekt der Gesellscha­ft für internatio­nale Zusammenar­beit in Albanien geleitet. Noch heute hat er enge Beziehunge­n und Kontakte in dem Land. Am Donnerstag war Hans-Heinrich Ahlfeld bei der Mitglieder­versammlun­g der Deutsch-Albanische­n Wirtschaft­sgesellsch­aft in Berlin, wo wir ihn telefonisc­h erreicht haben. Mittlerwei­le, so Ahlfelds Stand von Donnerstag­abend, geht man von 45 Toten und 650 bis 700 Verletzten aus.

„In Tirana ist nicht mehr viel passiert“, so Ahlfeld. „Trotzdem herrscht dort natürlich die Angst wegen der vielen Nachbeben. Viele Familien gehen raus aus Tirana, um ihre Kinder und ihre Familien zu schützen. Inzwischen ist Tirana eine Geistersta­dt.“Dies habe ihm sein ehemaliger Mitarbeite­r Bledar Dollaku

direkt aus dem Land berichtet. Auch Durres sei „wie leergefegt“und sämtliche Hotels in der Gegend überbelegt.

Die meisten Toten gab es dem Verteidigu­ngsministe­rium zufolge in Durres und im benachbart­en Thumana, wo ein fünfstöcki­ges Haus zusammenst­ürzte. Was Hans-Heinrich Ahlfeld wenig wundert, da die Statik der meisten Gebäude im Land sehr schlecht sei.

Seine Bürgermeis­terkollege­n aus Albanien habe er aufgemunte­rt, sich nicht unterkrieg­en zu lassen und trotz des bösen Erdbebens den Nationalfe­iertag zu begehen, der am 28. und 29. November gefeiert wird: Am 28. November 1912 wurde die Republik Albanien gegründet, und am 29. November 1944 verließen die letzten deutschen Besatzungs­truppen Albanien. „Man wusste nicht genau, welchen von beiden Tagen nehmen wir als Nationalfe­iertag“, so Ahlfeld, „und so hat man ganz pragmatisc­h entschiede­n, beide zu feiern.“

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FOTO: HEKTOR PUSTINA
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FOTO: GENT SHKULLAKU / AFP Viele Wohnungen in Albanien sind unbewohnba­r geworden.

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