Erdbebenhilfe für Kollegen
Wie die Spaichinger Firma Forschner jetzt ihren albanischen Mitarbeitern hilft.
SPAICHINGEN/HAUSEN OB VERENA - Das Erdbeben am frühen Dienstagmorgen im Westen Albaniens mit einer Stärke von 6,4 auf der Richterskala hat auch in unserer Region Betroffenheit ausgelöst – ganz direkt etwa bei der Firma Forschner in Spaichingen, die drei Werke in Albanien betreibt, oder bei Hausens Ex-Bürgermeister Hans-Heinrich Ahlfeld, der enge Beziehungen zu dem Land pflegt.
„Wir sind natürlich täglich, stündlich im Kontakt mit Albanien“, sagt Dietmar Geiger, einer der Geschäftsführer der Spaichinger Eugen Forschner GmbH, die drei Werke in Albanien mit insgesamt 800 Mitarbeitern hat. Zwei Werke befinden sich in Durres an der Westküste Albaniens – mitten im Erdbebengebiet.
An den Gebäuden und Maschinen habe es – bis auf abgebröckelten Putz – keine Schäden gegeben, so Geiger, „aber leider sind einige Mitarbeiter vor Ort betroffen. Aber zum Glück nur leicht verletzt.“Allerdings hätten viele ihre Wohnung verloren, so dass Forschner als schnelle Hilfe für seine Mitarbeiter Unterkünfte und Hotelzimmer gesucht habe, vor allem in der Hauptstadt Tirana.
„Es war gar nicht so einfach, alle Mitarbeiter zu erreichen“, sagt Dietmar Geiger, weil viele die Region ganz verlassen hätten. Nach wie vor gäbe es Nachbeben in Durres. „Erst heute“– Donnerstag – „mittag eines in Stärke 4,0“.
Als Sofortmaßnahme habe man im Unternehmen Spenden gesammelt, um die betroffenen Kollegen zu unterstützen. Wie viele Firmen macht auch Forschner zu Weihnachten keine Geschenke, sondern spendet an gemeinnützige Zwecke – in diesem Jahr natürlich für die Mitarbeiter in Albanien.
Zwei Tage, so Dietmar Geiger, habe die Produktion bei Forschner in Durres komplett still gestanden. Inzwischen
sei sie teilweise wieder angelaufen, wobei man den Mitarbeitern noch freistelle, ob sie zur Arbeit kommen wollen.
Die Abnehmer und Kunden von Forschner zeigten Verständnis für die schwierige Situation, berichtet Dietmar Geiger. „So wichtig es in der Automobilindustrie ist, dass rechtzeitig geliefert wird, so wichtig ist es auch, dass man sich um seine Mitarbeiter kümmert“, so Geiger. Man spreche sich mit den Kunden ab, wo Prioritäten liegen und was zuerst getan werden muss. Wenn die Produktion allerdings für ein, zwei Wochen beeinträchtigt wäre, dann könnte das Kosten etwa in Form von Konventionalstrafen für nicht eingehaltene Termine verursachen. „Rechtlich gesehen wäre das zwar höhere Gewalt“, so Geiger, „aber das nutzt uns ja nichts.“Doch hofft er, dass sich die Situation bis Montag – nach den beiden Nationalfeiertagen in Albanien am 28. und 29. November und nach dem Wochenende – wieder stabilisiert hat.
Enge Beziehungen zu Albanien hat auch Hans-Heinrich Ahlfeld, der ehemalige Bürgermeister von Hausen ob Verena. Nach seiner Bundeswehrund Bürgermeister-Karriere hat Ahlfeld ein Projekt der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit in Albanien geleitet. Noch heute hat er enge Beziehungen und Kontakte in dem Land. Am Donnerstag war Hans-Heinrich Ahlfeld bei der Mitgliederversammlung der Deutsch-Albanischen Wirtschaftsgesellschaft in Berlin, wo wir ihn telefonisch erreicht haben. Mittlerweile, so Ahlfelds Stand von Donnerstagabend, geht man von 45 Toten und 650 bis 700 Verletzten aus.
„In Tirana ist nicht mehr viel passiert“, so Ahlfeld. „Trotzdem herrscht dort natürlich die Angst wegen der vielen Nachbeben. Viele Familien gehen raus aus Tirana, um ihre Kinder und ihre Familien zu schützen. Inzwischen ist Tirana eine Geisterstadt.“Dies habe ihm sein ehemaliger Mitarbeiter Bledar Dollaku
direkt aus dem Land berichtet. Auch Durres sei „wie leergefegt“und sämtliche Hotels in der Gegend überbelegt.
Die meisten Toten gab es dem Verteidigungsministerium zufolge in Durres und im benachbarten Thumana, wo ein fünfstöckiges Haus zusammenstürzte. Was Hans-Heinrich Ahlfeld wenig wundert, da die Statik der meisten Gebäude im Land sehr schlecht sei.
Seine Bürgermeisterkollegen aus Albanien habe er aufgemuntert, sich nicht unterkriegen zu lassen und trotz des bösen Erdbebens den Nationalfeiertag zu begehen, der am 28. und 29. November gefeiert wird: Am 28. November 1912 wurde die Republik Albanien gegründet, und am 29. November 1944 verließen die letzten deutschen Besatzungstruppen Albanien. „Man wusste nicht genau, welchen von beiden Tagen nehmen wir als Nationalfeiertag“, so Ahlfeld, „und so hat man ganz pragmatisch entschieden, beide zu feiern.“