Heuberger Bote

TV-Kommissare stürmen die Bestseller­listen

Schreibend­e Schauspiel­er wie Matthias Brandt und Christian Berkel sind für Verlage ein Glücksgrif­f

- Von Martin Weber

ormalerwei­se gehen sie im „Tatort“oder anderen Krimireihe­n auf Mörderjagd und glänzen auch in Spielfilme­n. Doch das ist diesen Schauspiel­ern nicht genug: Immer mehr TV-Kommissare versuchen sich als ernsthafte Romanautor­en. Fernsehsta­rs wie Ulrich Tukur und Axel Milberg (beide „Tatort“) oder Matthias Brandt (bis vor kurzem „Polizeiruf 110“), die viele Zuschauer als hartnäckig­e Ermittler aus Krimis kennen, haben in jüngerer Zeit Romane veröffentl­icht, die von der profession­ellen Literaturk­ritik mal mehr, mal weniger gut besprochen werden.

Milbergs Familiensa­ga „Düsternbro­ok“kommt bei den Literaturk­ritikern schlechter weg als Brandts in den 70er-Jahren spielende, hochgelobt­e Geschichte „Blackbird“über einen 15-jährigen Gymnasiast­en, dessen bester Freund an Krebs erkrankt. Das autobiogra­phische Familienep­os „Der Apfelbaum“von Christian Berkel, der in der ZDF-Krimiserie „Der Kriminalis­t“als Berliner Kommissar Bruno Schumann ermittelt, fand eine freundlich­ere Aufnahme als Ulrich Tukurs als ziemlich verstiegen empfundene­r Roman „Der Ursprung der Welt“.

Für die Verlage sind die schreibend­en Schauspiel­er allerdings in jedem Fall ein Bombengesc­häft, denn prominente Autoren verkaufen sich einfach besser als die allermeist­en profession­ellen Schriftste­ller, die oft nur wenige kennen. Der Autorenver­band PEN hat trotzdem kein Problem mit den dichtenden TV-Kommissare­n. „Warum sollen nicht auch Schauspiel­er zur Feder greifen dürfen?“, sagt die deutsche PEN-Präsidenti­n Regula Venske auf Anfrage. Bei Stars wie Tukur, Brandt und Co. sei die Fallhöhe zwar groß. „Aber wenn es gelingt, so sei ihnen ihr Erfolg von Herzen gegönnt“, unterstrei­cht die Präsidenti­n des in Darmstadt ansässigen PEN-Zentrums Deutschlan­d.

Venske hat sich selbst als Autorin von Kriminalro­manen und Jugendbüch­ern einen Namen gemacht und wurde 1996 für ihren Krimi „Rent a Russian“mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeich­net.

Dass sich Schauspiel­er künstleris­ch auch anderweiti­g verwirklic­hen, ist für Regula Venske völlig legitim. Schließlic­h gebe es auch „Poeten, die erst berühmt werden, wenn sie auch zu singen anfangen, wie the one an only Leonard Cohen“.

Es gibt Romanautor­en, die zugleich exzellente Pianisten sind wie Yorck Kronenberg. Und es gibt Bildende Künstler, die sogar literaturn­obelpreisw­ürdige Romane schreiben, wie der verstorben­e Ehrenpräsi­dent des deutschen PEN-Zentrums, Günter Grass, verweist Venske auf einen der bekanntest­en deutschen Autoren der Nachkriegs­literatur. Günter Grass (1927–2015) begann seine Künstlerka­rriere einst als Bildhauer, schrieb in den 1950erJahr­en den Welt-Bestseller „Die Blechtromm­el“und erhielt 1999 für sein Lebenswerk den Nobelpreis für Literatur.

Vom Nobelpreis sind die schreibend­en TV-Kommissare zwar noch weit weg, aber zumindest im Vermarkten ihrer Bücher sind sie ganz groß: Berkel, Tukur und Co. geben Interviews, absolviere­n Auftritte bei Buchmessen und sind wegen ihrer TV-Prominenz gern gesehene Gäste in Talkshows wie der „NDR Talkshow“oder „3 nach 9“.

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FOTOS: DPA Ihre Romane kamen beim Publikum bestens an, aber auch die Literaturk­ritiker zeigten sich gnädig: Matthias Brandt (links) und Christian Berkel sind inzwischen auch erfolgreic­he Autoren.

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