Ärger um den Kassenbon
Ab 2020 müssen alle Betriebe Bons ausstellen – Die Bäcker im Südwesten wehren sich
(sz) - Zehn Milliarden Euro entgehen dem Fiskus jährlich wegen Kassenmanipulationen. Daher sollen ab Januar 2020 auch kleine Läden Bons ausdrucken. Die badenwürttembergische Bäckerinnung will gegen die Regelung vorgehen. „Kein Kunde wird den Kassenbon für zwei Brezeln abheften und fein säuberlich in seinem Haushaltsbuch aufschreiben“, sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Körber.
- Morgens in der Bäckerei Heinrichs in Ravensburg: „Eine Brezel und zwei Vollkornbrötchen“bestellt der Kunde. Die Verkäuferin tippt den Betrag – 2,94 Euro – in die Kasse. Der Kunde bezahlt, nimmt die Tüte mit dem Gebäck vom Tresen und geht. So kennt man es aus jeder beliebigen Bäckerei in Deutschland.
Nach einem Bon fragt der Kunde nicht, also druckt die Verkäuferin auch keinen aus – so wie es bisher in wohl allen Bäckereien gehandhabt wird. Künftig aber wird genau das nicht mehr gehen. Ab dem 1. Januar 2020 muss die Verkäuferin zwingend einen Kassenbon für den Kunden ausdrucken. So will es das Kassengesetz 2020. Dieses soll Steuerhinterziehung in den Betrieben erschwert werden, in denen fast ausschließlich bar bezahlt wird – also auch in Dönerläden, Metzgereien oder Bäckereien. Besonders Bäcker wehren sich derzeit lautstark gegen die neue Regelung. Sie fürchten extra Aufwand, extra Kosten und extra viel Müll.
Der Hintergrund des neuen Gesetzes: Zehn Milliarden Euro entgehen dem Fiskus jährlich wegen Kassenmanipulation. Beträge werden beispielweise gar nicht erst in die Kasse eingegeben oder Kriminelle nutzen Betrüger-Software, um Einnahmen nachträglich zu frisieren. Die Politik hat das Problem schon eine Weile auf dem Radar. 2016 wurde das Kassengesetz verabschiedet. Jetzt kommt es zur Anwendung.
Es umfasst vor allem zwei Änderungen, auf die sich Betriebe nun einstellen müssen. Zum einen müssen sie ihre Kassen mit einem Sicherheitssystem aufrüsten, das nachträgliche Änderungen oder das Löschen von Einträgen verhindern soll, erklärt eine Sprecherin des Finanzministeriums Baden-Württemberg auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Dazu haben sie aber noch bis Oktober 2020 Zeit.
Akuter ist die Kassenbonpflicht. Sie gilt bereits ab dem 1. Januar. Die Bons würden sicherstellen, dass ein Kaufvorgang auch wirklich in die Kasse eingegeben wird, sagt die Ministeriumssprecherin. „Werden Kaufvorgänge nicht erst eingetippt, hilft auch das beste Sicherheitssystem nicht weiter.“Die Belege seien außerdem für Kassenprüfer wichtig. Bei unangekündigten Kontrollen könne man dann mithilfe des Bons und im Abgleich mit den eingetippten Zahlen in der Kasse eine Manipulation leichter feststellen. Bußgelder sind bei einem Verstoß gegen die Bonpflicht offenbar nicht geplant. Er könnte aber als Indiz dafür gewertet werden, dass die Aufzeichnungspflichten nicht eingehalten wurden.
Daniela Heinrichs führt die Ravensburger Bäckerei Heinrichs mit drei Filialen und 24 Mitarbeitern. Sie ärgert sich extrem über die neue Bonpflicht. Diese sei unnötig, denn die Verkäuferinnen würden ja bereits alle Beträge in eine elektronische Kasse eingeben. „Und die kann ausgelesen werden, um zu sehen, ob alles korrekt abgerechnet wurde.“Dies sei jederzeit möglich. „Das ist halt wieder bürokratischer Aufwand für uns“, sagt sie. Sie müsse all ihre Mitarbeiter einweisen, hat Unkosten wegen zusätzlicher Bonrollen. „Der Staat lässt sich immer mehr einfallen, um uns kleine Betriebe ins Aus zu drücken“, so Heinrichs.
Und dann ist da noch der Müll. „Das ist Verschwendung“, sagt Heinrichs. Im Einzelhandel in Deutschland rechnet der Handelsverband Deutschland mit mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr. Besonders Unternehmen, die viele günstige Artikel verkaufen sind betroffen. Aus Protest fotografierte ein Bäcker aus dem nordrhein-westfälischen Münsterland einen Haufen ausgedruckter
Bons, die auf dem Boden vor seiner Ladentheke liegen. 600 Zettel seien in zwei Tagen aus der Kasse gequollen. Stefan Körber, Hauptgeschäftsführer der Bäckerinnung BadenWürttemberg, sagt im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“: „Auf der anderen Seite geben Bäcker Rabatt auf Kaffee, wenn jemand seinen Mehrwegbecher mitbringt, damit die Umwelt geschont wird. Und auf der anderen Seite sollen sie jetzt diesen Sondermüll produzieren.“Er meint damit das Bonpapier, für das häufig Thermopapier verwendet wird. Dieses enthält Schadstoffe und darf deshalb auch nicht im Altpapier entsorgt werden. „Das kann nicht sein“, findet Körber.
Zum Müllproblem teilt das Bundesfinanzministerium mit, dass die Chemikalie Bisphenol A ab 2020 als Beschichtung von Thermopapier verboten sei. Außerdem habe das Ministerium „die Belegausgabepflicht bewusst technologieoffen ausgestaltet, um es den Kasseninhabern zu ermöglichen, den Bon auf digitalem Wege und damit auf umweltfreundliche Art auszugeben.“Die Möglichkeit, den Kassenzettel direkt auf dem Handy abzurufen, ist bisher aber keine Praxis. Weder Händler noch Kunden tun dies flächendeckend – sie müssten dazu entsprechende Apps auf dem Handy haben.
Und am Ende seien es doch ebenjene Kunden, die die Bons überhaupt nicht haben wollen, sagt Körber von der Bäckerinnung. „Kein Kunde wird doch den Kassenbon für zwei Brezeln daheim abheften und fein säuberlich in seinem Haushaltsbuch aufschreiben.“„Die Kunden lachen sich doch tot, wenn wir ihnen den Bon geben wollen“, sagt auch Heinrichs. Eine Annahmepflicht besteht für die Kunden indes nicht. „Der Händler muss in jedem Fall einen Bon ausdrucken und der Kundschaft anbieten. Der Kunde muss den Beleg aber nicht annehmen“, sagt die Sprecherin vom Landesfinanzministerium. Und: „Nicht angenommene Bons muss der Händler auch nicht aufbewahren.“
Für Stefan Körber wird die ganze Lage dadurch noch absurder. „Wenn es nicht so wahr wäre, könnten wir drüber lachen“, sagt er und will die Regelung nicht auf sich sitzen lassen. Gesammelt für die Bäcker in BadenWürttemberg will er einen Antrag auf Befreiung von der Bonpflicht bei der Oberfinanzdirektion in Karlsruhe stellen. Ausnahmen sind nämlich möglich, „wenn die Belegpflicht unzumutbar ist“, sagt die Ministeriumssprecherin. Bei Gewerbetreibenden, die ohnehin Registrierkassen betreiben, sei es aber kein unzumutbarer Aufwand, dass ein Beleg für den Kaufvorgang gedruckt wird.
„Die Kunden lachen sich doch tot, wenn wir ihnen den Bon geben wollen.“
Daniela Heinrichs, Inhaberin der Bäckerei Heinrichs in Ravensburg