AfD verjüngt Parteispitze
Chrupalla beerbt Gauland – Unvereinbarkeitsliste bleibt
(dpa) - Mit verjüngter Führung will die AfD rasch regierungsfähig werden. Der Bundesparteitag in Braunschweig wählte am Samstag den 44-jährigen Tino Chrupalla zum Nachfolger von Alexander Gauland an die Parteispitze und bestätigte Jörg Meuthen (58) als Co-Vorsitzenden.
Aus Meuthens Sicht muss die AfD jetzt rasch ihre Professionalität erhöhen. „Wir müssen nun regierungswillig und -fähig werden.“Die AfD hält auch deshalb an der sogenannten Unvereinbarkeitsliste fest, mit der Vertreter rechtsextremer Parteien und Organisationen ferngehalten werden sollen. Der baden-württembergische Delegierte Stefan Räpple zog seinen Antrag zur Streichung der Liste am Sonntag zurück. Auf der Unvereinbarkeitsliste stehen rund 250 rechtsextreme Parteien, Vereine und Organisationen, darunter die NPD, „Combat 18“und die „Identitäre Bewegung“.
- Alexander Gauland (78) hat sein Feld bestellt. Auf dem Parteitag in Braunschweig setzt sich sein Wunschkandidat Tino Chrupalla (44) in einer Stichwahl gegen Gottfried Curio durch. Der Bundestagsabgeordnete ist bei seinen Parteikollegen zwar für seine harte Rhetorik gegen Migranten bekannt. So gut in der AfD vernetzt wie Chrupalla ist Curio aber nicht. In der Fraktion gilt er als Einzelgänger.
Nach seinem Wahlsieg überreicht die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch Chrupalla ein Geschenk: eine grüne Krawatte mit gelben Hunden – Gaulands Markenzeichen. Doch ein Schlips allein macht noch keine Führungsfigur. In seine neue Rolle wird der Malermeister aus Sachsen erst noch hineinwachsen müssen. Gauland, der gewiefte Taktierer, hinterlässt eine große Lücke.
Er hat in den vergangenen vier Jahren dafür gesorgt, dass sich die AfD nicht zerlegt hat – keine leichte Aufgabe in einer Partei, in der sich Nationalisten, enttäuschte Konservative, Libertäre, Wirtschaftsliberale, Verschwörungstheoretiker und Nato-Gegner tummeln. Das weiß Chrupalla auch. In seiner Antrittsrede sagt er über Gauland: „Den Zusammenhalt der Partei haben wir vor allem ihm zu verdanken.“
Eine Neuausrichtung der Partei lässt sich an Chrupallas Wahlsieg nicht ablesen. Denn er hat zwar Unterstützung vom rechtsnationalen
„Flügel“erhalten. Geschichtsrevisionismus, Tabubrüche und nationales Pathos, wie sie bei den „Flügel“-Treffen zu hören sind, gehören aber nicht zu seinem Repertoire.
Da wo jeweils ein „Flügel“-Kandidat gegen jemanden antritt, der dem Lager der Gemäßigten zugerechnet wird, zeigt sich: Die Rechtsnationalen können sich inzwischen auf gut 35 Prozent der Delegierten verlassen. Das ist etwas mehr als bei der letzten Wahl vor zwei Jahren.
Jörg Meuthen hat etwas Federn gelassen, seitdem er sich mit den Rechtsaußen-Mitgliedern angelegt hat. Er erhält etwas weniger Stimmen als vor zwei Jahren. Doch nach dem Abgang von Gauland und seiner zweiten Wiederwahl zum Co-Vorsitzenden ist er jetzt das Schwergewicht an der Parteispitze. In Braunschweig versucht er, seine Parteifreunde auf eine mögliche künftige Regierungsbeteiligung
vorzubereiten. „Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, wenn es soweit kommt“, sagt der Baden-Württemberger am Samstagabend. „Die Möglichkeit, ohne uns zu regieren, wird immer schwieriger“, sagte er und schränkte zugleich ein: Auf Länderebene sei eine Koalition unter Beteiligung der AfD aber leichter als im Bund. Auch Alice Weidel, die zur Vize-Sprecherin gewählt wird, bekräftigte: „Wir sind sehr gut vorbereitet auf Neuwahlen.“
Der Ex-Vorsitzende Alexander Gauland, der in Braunschweig zum Ehrenvorsitzenden gewählt wird, mahnt zur Mäßigung: „Ich plädiere für einen realistischen, demokratischen Weg.“Und Meuthen betont, die Partei müsse erwachsen werden. Erst durch eine konservative Führung könne die Partei mehr Wähler anziehen. Er stehe für Patriotismus, nicht aber Nationalismus.
Demonstrativ begrüßt Meuthen deshalb, dass sein Gegenkandidat Wolfgang Gedeon, gegen den ein Parteiausschlussverfahren wegen antisemitischer Äußerungen läuft, ausgebuht wird. Als Gedeon auf die Bühne tritt, verlassen viele Delegierte den Saal. Es ertönen Rufe wie „Pfui“und „Schwein“. „Es war ein schöner Moment“, sagt Meuthen später dazu.
Brandner und Kalbitz im Vorstand
Von Meuthens neuem Co-Chef Chrupalla wird nun erwartet, dass er Osten und Westen verbindet und die unterschiedlichen Kräfte in der Partei zusammenführt. Ob ihm das gelingt? Es fällt zumindest auf, dass Björn Höcke, Frontmann des „Flügels“, während des Parteitags kaum in Erscheinung tritt. Doch das muss nichts bedeuten, zumal der Höckenahe Stephan Brandner in den Vorstand gewählt wird. Als Beisitzer wiedergewählt wird der „Flügel“Stratege Andreas Kalbitz. Unter den weiteren Beisitzern ist der dem „Flügel“nahestehende bayerische Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka. Ebenfalls gewählt wird Joachim Paul, der unter Pseudonym Artikel für eine NPD-nahe Zeitschrift verfasst haben soll. Der Medienausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags hat ihn deshalb im November als Vorsitzenden abgewählt.
Parallel zum Parteitag kommt es zu Demonstrationen, zu denen die Initiative Bündnis gegen Rechts aufgerufen hat. 20 000 Menschen nehmen in Braunschweig an einer Großkundgebung gegen die AfD teil.