Heuberger Bote

Parteien nutzen Anschlag in London für ihren Wahlkampf

Premier Johnson verspricht: „Ich werde euch vor Terror schützen“– Opposition sieht schwere langjährig­e Versäumnis­se der Regierung

- Von Sebastian Borger

- Der Terroransc­hlag von London hat Fokus und Ton des britischen Wahlkampfe­s verändert. Premiermin­ister Boris Johnson versuchte die frühere Labour-Regierung dafür verantwort­lich zu machen, dass der als islamistis­cher Terrorist verurteilt­e Attentäter auf freiem Fuß war. 74 vergleichb­are Fälle werden jetzt vom Justizmini­sterium überprüft.

Die Opposition verwies auf die massiven Kürzungen bei Polizei und Justiz durch die seit einem Jahrzehnt regierende­n Torys. Zudem habe ein unabhängig­er Gutachter schon vor drei Jahren der Regierung die bessere Überwachun­g dschihadis­tischer Gefangener sowie eine Reform der Bewährungs­hilfe empfohlen.

Der 28-jährige Usman Khan sollte am Freitag an einer Tagung teilnehmen, bei der es um die Rehabiliti­erung ehemaliger Strafgefan­gener ging. Stattdesse­n schnallte sich der Islamist eine Sprengstof­fgürtelatt­rappe

um, befestigte zwei Messer an seinen Handgelenk­en und ging im Foyer der Halle am Nordende von London Bridge auf mehrere Menschen los. Zwei junge Leute kamen ums Leben, drei weitere Opfer werden im Krankenhau­s behandelt. Auf der Brücke wurde der Täter von Tagungstei­lnehmern und Passanten überwältig­t. Ein Spezialkom­mando der Polizei nahm den scheinbare­n Sprengstof­fgürtel des Täters als Bedrohung ernst und erschoss Khan.

Als Teenager war der junge Brite aus Stoke-on-Trent mit einigen Gesinnungs­genossen wegen geplanter Anschläge auf Rabbiner, Politiker und die Londoner Börse verhaftet und zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Nach Ablauf der halben Strafzeit wurde er im vergangene­n Dezember entlassen. Seither hatte er sich an die Auflagen der Bewährungs­hilfe gehalten, trug bei seinem

Tod noch die elektronis­che Fußfessel, die seinen Aktionsrad­ius einschränk­en sollte.

Während Opposition­sführer Jeremy Corbyn von einem „kompletten Desaster“sprach und eine Untersuchu­ng forderte, führte Johnson ein 2008 erlassenes Gesetz der damaligen Labour-Regierung ins Feld. Dieses habe Khans Entlassung auf Bewährung praktisch erzwungen. Seine Regierung wolle hingegen längere Strafen für Terrormörd­er einführen und die Möglichkei­t zu vorzeitige­r Entlassung auf Bewährung beenden. Den Namensarti­kel des Regierungs­chefs für eine Sonntagsze­itung zierte die Überschrif­t: „Gebt mir eine Mehrheit, und ich werde euch vor Terrorismu­s schützen.“

Im Internet wiesen Tausende auf eine Wortmeldun­g des Vaters eines der beiden Todesopfer hin. Sein 25jähriger Sohn Jack habe eine bewunderns­werte Einstellun­g gehabt und stets die Partei des Underdog ergriffen. „Er würde nicht wollen, dass sein Tod als Vorwand für drakonisch­ere Strafen herhalten muss“, schrieb David Merritt im Kurznachri­chtendiens­t Twitter.

Der Verstorben­e gehörte zu den Mitorganis­atoren der Tagung, die vom Kriminolog­ie-Institut der Uni Cambridge getragen wurde. Auch die zweite Tote, die 23-jährige Saskia Jones, hatte an der Elite-Universitä­t ihren Abschluss gemacht.

Der frühere Gefängnisd­irektor Ian Acheson verwies in der „Sunday Times“auf seinen 2016 im Regierungs­auftrag erstellten Bericht über die Bestrafung und Rehabiliti­erung islamistis­cher Extremiste­n. Von 69 Verbesseru­ngsvorschl­ägen wurden am Ende acht akzeptiert. Eine Reform der Bewährungs­hilfe war nicht darunter.

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FOTO: NIKLAS HALLE'N/AFP Spurensich­erung am Tatort in London.

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