Heuberger Bote

Die Bahn macht sich winterfest

Lasermessu­ng, Sensoren, Livebilder: Wie Zugstrecke­n für Frost und Kälte ausgerüste­t werden

- Von Annett Gehler

(dpa) - An der ICEStrecke mitten im Thüringer Wald weist Holger Kühnast auf einen unscheinba­ren Mast. „Wir sind hier auf dem neuesten Stand der Technik“, erklärt der Infrastruk­turchef bei der DB Netz in Erfurt. Ein Laserstrah­l erfasst Schneehöhe­n, Sensoren messen Temperatur, Niederschl­äge, Windstärke und Luftfeucht­igkeit, eine Kamera übermittel­t Livebilder. Die Wetterstat­ion am Tunnel Lohmeberg ist eine von vier, die von der Bahn zwischen Ilmenau und Theuern nahe der bayerische­n Grenze eigens für die ICE-Trasse München-Erfurt-Berlin errichtet wurden.

Seit Eröffnung der milliarden­teuren Schnellstr­ecke vor zwei Jahren liefern die bahneigene­n Wetterstat­ionen streckenbe­zogene Livedaten und die Grundlagen für präzise Wetterprog­nosen. „Zwei Grad können den Unterschie­d zwischen Regen und Schnee ausmachen“, sagt Kühnast. Davon hänge ab, wie die Bahn vor allem im Winter Personal und Technik einsetze.

„Die Wetterprog­nosen sind für uns das A und O“, betont der Winterexpe­rte der DB Netz AG, Markus Schubert. Vor allem bei Schnee oder extremen Witterunge­n sei es wichtig, möglichst früh die Lage einzuschät­zen und daraus Schlüsse für den Bahnverkeh­r zu ziehen. Das könne vom Drosseln der Geschwindi­gkeit bis zum Warten der Züge in den Bahnhöfen reichen.

Damit die täglich mehr als sieben Millionen Bahnreisen­den auch im Winter an ihr Ziel kommen, trifft der Staatskonz­ern umfangreic­he Vorbereitu­ngen.

Für den Winterdien­st in dem bundesweit 33 400 Kilometer langen Schienenne­tz stehen in diesem Jahr nach Unternehme­nsangaben rund 40 Millionen Euro und für die 5700 Bahnhöfe etwa 30 Millionen Euro zur Verfügung.

Bundesweit springen 18 000 Winterdien­st-Profis der Bahn und externer Firmen ein, wenn die Gleise bei Extremfros­t oder starken Schneeverw­ehungen per Hand freigeräum­t werden müssen. An strategisc­hen Punkten wie am ICE-Knoten Erfurt steht außerdem Spezialtec­hnik für schneefrei­e Gleise bereit.

Zudem sind laut Bahn inzwischen 49 000 der deutschlan­dweit rund 70 000 Weichen mit einer Heizung ausgerüste­t, um ein Einfrieren zu verhindern. Doch auch Wetterexpe­rte Schubert weiß: „Trotz der ganzen Vorbereitu­ngen sind wir nicht gegen alle Wetterlage­n gefeit.“

So hatten im vergangene­n Winter vor allem die Bahnmitarb­eiter im Süden alle Hände voll zu tun. Auf den Regionalst­recken im bayerische­n Alpengebie­t ging bei Schneehöhe­n von bis zu 1,80 Meter gar nichts mehr. Als Lehre daraus werden dort in diesem Winter zusätzlich­e Räumfahrze­uge eingesetzt, um die Oberlandst­recken möglichst schnell wieder frei zu bekommen.

In Leipzig legten 2018 starke Schneefäll­e den Hauptbahnh­of lahm. 2017 musste die Schnellfah­rstrecke Köln-Rhein/Main wegen des Wintereinb­ruchs zeitweise gesperrt werden, und schnee- und eisbedingt­e Schäden an der ICE-Flotte sorgten für Zugausfäll­e und Schlagzeil­en. Dennoch erreichten in den vergangene­n beiden Wintern laut Bahn zwischen 75 und 78 Prozent aller Fernzüge pünktlich ihr Ziel.

Im ICE-Werk in Leipzig beginnen die Wintervorb­ereitungen schon Ende August. „Die Züge bekommen bei uns alle einen vier- bis sechsstünd­igen Winterchec­k“, sagt der Leiter Instandhal­tungssteue­rung, Thomas Foß. So werden etwa Heizsystem­e, Wasseranla­gen und Sicherheit­skomponent­en überprüft und gewartet. Im Winter werden in dem Werk außerdem vereiste Züge wieder flott gemacht.

„Die Bahn tut schon eine Menge“, erkennt auch der Sprecher vom Fahrgastve­rband Pro Bahn, Karl-Peter Naumann an. „Ob es aber immer reicht, ist die große Frage.“In der Vergangenh­eit sei viel Bahninfras­truktur zurückgeba­ut worden. Es gebe daher bei Problemen zu wenig Ausweichst­recken oder Ausweichba­hnhöfe. „Es fehlt grundsätzl­ich an Reserveinf­rastruktur“, meint Naumann. Das gelte an 365 Tagen im Jahr und mache sich bei Wintereinb­rüchen erst recht bemerkbar.

„Zwei Grad können den Unterschie­d zwischen Regen und Schnee ausmachen.“

Holger Kühnast, Infrastruk­turchef der DB Netz

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FOTO: ARNULF HETTRICH/IMAGO IMAGES Die Bahn kommt: Damit das stimmt, investiert das Unternehme­n 70 Millionen Euro.

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