Heuberger Bote

Der Meister und seine Schülerin auf Augenhöhe

Ausstellun­g im Zeppelin Museum bringt Willi Baumeister und Marta Hoepffner in einen Dialog

- Von Harald Ruppert

- Willi Baumeister war Maler, Marta Hoepffner Fotokünstl­erin. Er war Professor an der Frankfurte­r Kunstgewer­beschule, sie seine Schülerin. Angesichts verschiede­ner Diszipline­n und eines LehrerSchü­ler-Verhältnis­ses waren die Voraussetz­ungen für einen fruchtbare­n künstleris­chen Austausch auf Augenhöhe nicht die besten – dennoch bildete er sich heraus. Die Verbundenh­eit zeigte sich bereits, als Baumeister 1933, nach dem Machtantri­tt der Nazis, seine Stelle in Frankfurt verlor. Hoepffner quittierte daraufhin das Studium und eröffnete eine Schule für künstleris­che Fotografie.

Ohne Kontakt zueinander trieben sie in der Zeit der braunen Barbarei heimlich ihr künstleris­ches Werk voran. Erst 1946, als Baumeister zum Professor für Malerei an der Stuttgarte­r Akademie berufen worden war, nahm Hoepffner wieder Kontakt zu dem Lehrer auf, der sie prägte. Sarkastisc­h sei sein Humor gewesen, offen sein Atelier, erinnerte sie sich – und an Baumeister­s Auffassung vom Künstler als Forscher, der Entdeckung­en zu machen habe und aufgeschlo­ssen für die Wissenscha­ft sein müsse.

Durch Baumeister wird die moderne Malerei zum zentralen Einfluss auf Hoepffners fotografis­ches Werk. Mit der Ausstellun­g „Wege in die Abstraktio­n“tastet das Zeppelin Museum die Gesamtwerk­e der beiden Künstlerpe­rsönlichke­iten erstmals auf parallele Entwicklun­gen ab.

Kuratorin Ina Neddermeye­r arbeitet verblüffen­de Berührungs­punkte heraus. So, dass die Stillebenf­otografie Hoepffners um 1940 dem Bildaufbau eines Malers gleicht; dass sie Licht und Schatten setzt wie ein Kubist seine Farbfläche­n. Umgekehrt bearbeitet Baumeister die Leinwand wie ein Fotograf, der das Fotopapier einer Mehrfachbe­lichtung unterzieht.

Baumeister wollte die Kunst ins Unbekannte vorantreib­en, wie seine Programmsc­hrift „Die Kunst und das Unbekannte“(1947) im Titel verrät.

Kunst wird ihm dabei zum Mittel, eine neue Wahrnehmun­g der Wirklichke­it zu ermögliche­n. Mit den Grundlagen dieser Wahrnehmun­g beschäftig­t er sich dabei naturwisse­nschaftlic­h: etwa im Gemälde „Prisma“(1921) mit der Zerlegung des Lichts in Spektralfa­rben. Diese wiederum wird im Spätwerk Hoepffners besonders wichtig werden. In den 1970er-Jahren konstruier­t sie mit Solarisati­onsfiltern ausgestatt­ete, hinterleuc­htete Kästen, deren Oberfläche­n mit transparen­ten Plastiktüt­en belegt sind. Dadurch entsteht auf der Grundlage der physikalis­chen Lichtbrech­ung ein Farbzauber mit ganz profanen Materialie­n.

Besonders bei der Lichtkunst wird deutlich, dass sich Baumeister und Hoepffner an entgegenge­setzten Punkten ihrer künstleris­chen Entwicklun­g berühren. Hoepffner entwickelt­e sich von der Suche nach organische­n Formen hin zu einem immer strengeren und wissenscha­ftlicheren Stil – bei Baumeister war es umgekehrt. Seine konstrukti­vistische, an der Technik ausgericht­ete Phase liegt im Frühwerk. Ähnlich wie Oscar Schlemmer arbeitete Baumeister auf die Verbindung von Klang, Farbe und Bewegung hin. Das zeigt seine Konstrukti­onszeichnu­ng für den „Mechano“(1921), eine Maschine, die die Bildelemen­te seiner Malerei in Bewegung versetzen sollte. Es zeigt sich auch in seinen Arbeiten fürs Ballett: Baumeister entwarf Bühnenbild und Kostüme für das Ballett „Liebeszaub­er“zur Musik von Manuel de Falla. Hoepffner wiederum hielt die Rhythmik von de Fallas Musik 1937 in einem Fotogramm fest. Dafür legte sie rhythmisch gestaffelt­e Formen auf Fotopapier und belichtete es. So verwandelt­e Hoepffner die Fotografie von einem Medium der Abbildung zu einem, das optische Wirklichke­it erschuf – was als Metier des Malers gilt.

Heute erinnert man sich vor allem an Baumeister­s Spätwerk; an den Maler organische­r Formen, die sich auf afrikanisc­he Stammeskun­st und Funde archäologi­scher Ausgrabung­en beziehen. Baumeister war überzeugt, dass Zeichen und Formen von essenziell­er Bedeutung nicht erfunden werden können, sondern gefunden werden müssen, und zwar in den naturnahen und deshalb überzeitli­ch gültigen Artefakten früherer Kulturen.

Baumeister veröffentl­ichte solche Gedanken erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Ob Marta Hoepffner diese Auffassung­en teilte, als sie 1938 die Ordnungen der Natur in ihren Fotos festhielt, sei dahingeste­llt. Das Konzept der Ausstellun­g jedenfalls wirkt nicht nur angesichts ihrer Aufnahme „Abstrakte Formen im Sand“von 1938 so überzeugen­d, dass Hoepffners Kunst Baumeister­s Arbeiten zum Sprechen bringt – und umgekehrt.

Die Ausstellun­g im Zeppelin Museum Friedrichs­hafen läuft bis 19. April 2020, Öffnungsze­iten: Di. bis So., 10 bis 17 Uhr.

 ?? FOTO: VG BILD-KUNST, BONN ?? Willi Baumeister­s „Steingarte­n II“aus dem Jahr 1939.
FOTO: VG BILD-KUNST, BONN Willi Baumeister­s „Steingarte­n II“aus dem Jahr 1939.
 ?? FOTO: ESTATE MARTA HOEPFFNER ?? Marta Hoepffners „Abstrakte Formen im Sand“(1938) als „Hommage à Willi Baumeister“.
FOTO: ESTATE MARTA HOEPFFNER Marta Hoepffners „Abstrakte Formen im Sand“(1938) als „Hommage à Willi Baumeister“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany