Haarige Spende für kahle Köpfe
Tuttlinger Friseure sammeln abgeschnitte Zöpfe und unterstützen damit Nachsorgeklinik
- Wenn Friseurmeisterin Jaqueline Sieger aus Tuttlingen Haare schneidet, greift sie immer öfter zum Maßband. Mindestens 20 Zentimeter müssen fallen. Dann können die Haare gespendet werden. Für Echthaarperücken an krebskranke Kinder.
„Momentan geht der Trend zur Kurzhaarfrisur. Sind es mehr als 20 Zentimeter, die ich abschneide, frage ich, ob die Kundin spenden möchte“, erzählt Jaqueline Sieger. Dazu bindet die Friseurmeisterin fein säuberlich einen Zopf am Kopf der Kundin. Oberhalb des Haargummis setzt sie die Schere an und schneidet.
Die Bündel sammelt sie in einer kleinen Schublade, bis sie abgeholt werden. „Rund zehn bis 15 Zöpfe kommen so im Monat zusammen“, sagt Sieger. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Haare lockig, glatt, dick oder dünn sind: „Generell geht jede Haarstruktur. Sie dürfen nur nicht blondiert oder dauergewellt sein“, erklärt sie.
Einmal im Monat werden die Zöpfe von der Firma Welker Friseurbedarf aus Aldingen abgeholt. Die schicken die Haare weiter an einen Perückenhersteller nach NordrheinWestfalen. Dafür bekommen sie Geld. Allerdings nicht für den Eigenbedarf. Der Erlös der Haare kommt der Nachsorgeklinik für krebskranke Kinder in Tannheim zugute. „Die Spendengelder werden zum Beispiel für Kletterwände, Pferdeställe für Therapiepferde, Spielplätze oder für andere Dinge eingesetzt, die das Leben der kleinen Patienten leichter machen“, erzählt Marion Welker, Geschäftsführerin des Friseurbedarfs in Aldingen. Auch Echthaarperrücken werden aus diesem Pool gefertigt.
Die Aktion, die die Firma Welker Friseurbedarf ins Leben gerufen hat, gibt es seit 2014. „Zu Beginn haben rund 300 Salons daran teilgenommen. Leider ist die Aktion im Laufe der Zeit etwas eingeschlafen. Es gibt aber einige Friseurgeschäfte und Innungen, die aus eigener Initiative weiter machen“, sagt Welker. Jacqueline Sieger ist mit der Haarmanufaktur Sieger in Tuttlingen schon von Anfang an dabei. Meistens seien es Frauen, die Haare spenden, aber „es haben nun auch schon zwei Kinder ihre Mähne für den guten Zweck fallen lassen“, sagt die Friseurmeisterin.
Die Haare werden nach Kilogramm
abgerechnet. Je länger sie sind, umso besser. „Der längste Zopf, der bei uns gespendet wurde, war ein Meter lang und wog 623 Gramm“, erzählt Marion Welker. Allerdings haben nicht alle Haare die Qualität zur Weiterverarbeitung. „Die werden vorher aussortiert“, sagt sie.
Momentan seien es viele ehemalige Bräute, die sich nach der Hochzeit von ihren langen Haaren trennen. Dabei eignen sich keineswegs nur frisch abgeschnittene Zöpfe für eine Spende. Friseurin Marion Welker erklärt: „Viele verwahren Haare von Kindern und Enkeln in Schubladen und Schatzkästchen. Auch die sind als Spende willkommen und können in den Friseursalons abgegeben werden“.