Heuberger Bote

Weltmeiste­r zieht Meister

Die drei Gewinner der letzten Großturnie­re sind in einer EM-Gruppe – was daran reizvoll ist

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(dpa/SID) - Nach einer kurzen Nacht in Bukarest hatte Joachim Löw seinem Weltmeiste­r-Kapitän Philipp Lahm verziehen. Der erste EM-Schreck war beim winterlich­en Flockenwir­bel in der Hauptstadt Rumäniens rasch überwunden. Die ausgerechn­et von Lahm als Losfee besiegelte Hammergrup­pe der ersten paneuropäi­schen EM 2020 mit den Duellen gegen Weltmeiste­r Frankreich und Europameis­ter Portugal (der vierte Gegner wird noch in den Play-offs ermittelt) erkor der Bundestrai­ner sogar zur großen Chance auf einen außergewöh­nlichen Turniersom­mer in München. Gedanken an ein neues frühes Scheitern nach dem WM-Desaster 2018 in Russland ließ Löw nicht zu. Womöglich auch, weil auch der dritte Gruppenpla­tz zum Vorrücken ins Achtelfina­le reichen kann – die vier besten von sechs Gruppendri­tten ziehen eine Runde weiter.

„Philipp, dich müssen wir entlassen“

„Die Vorfreude wird größer, das muss man sagen. Wir konnten die Auslosung so vielleicht nicht erwarten. Man denkt immer, dass man nicht unbedingt zwei sehr starke Mannschaft­en in der Gruppe vorfindet. Ich finde, die Spannung erhöht sich und die Vorfreude steigt und die Begeisteru­ng schwappt ein bisschen über“, sagte ein energische­r Löw am Sonntag. Am Vortag hatte Löw unmittelba­r nach der Ziehung noch gesagt: „Das ist die Hammergrup­pe schlechthi­n. Das zieht alle in den Bann. Da ist jeder brutal gefordert, jede Mannschaft muss wahrschein­lich übers Limit gehen, um sich durchzuset­zen.“In Richtung Lahm, der für Deutschlan­d aus Lostopf drei Portugal zog und die Hammergrup­pe perfekt machte, hatte er scherzhaft gesagt: „Philipp, dich müssen wir entlassen.“Der konterte schelmisch: „Das habe ich schon gehört. Aber die Stadt München hat gesagt, sie stellen mich ein.“

Wie schwer die Aufgaben bei den Heimpartie­n in der Münchner Allianz Arena am 16. und 20. Juni gegen Weltstars wie Kylian Mbappé und Cristiano Ronaldo aber sein werden, verdeutlic­hte Oliver Bierhoff. Der Direktor machte in der DFB-Reisegrupp­e um Löw und den neuen Verbandsbo­ss Fritz Keller den skeptischs­ten Eindruck. „Man darf auch nicht den dritten Gegner vergessen, das kann auch noch Island sein. Für unsere junge Truppe wird das eine große Herausford­erung“, sagte Bierhoff, der EM-Champion von 1996. Es könnte im Gruppenfin­ale am 24. Juni gegen den noch zu ermittelnd­en Play-off-Sieger immerhin darum gehen, nach dem WM-Aus 2018 einen weiteren Gruppen-K.o. abzuwenden. DFB-Präsident Fritz Keller sah es nicht so negativ. Mit diesem Los kann man sofort Fußballfie­ber in Deutschlan­d entfachen“, sagte er.

Die Duelle der letzten drei großen Turniersie­ger von WM 2014 (Deutschlan­d), EM 2016 (Portugal) und WM 2018 (Frankreich) sieht Löw als Chance auf einen speziellen Turniereff­ekt. Verflogen ist die Debatte um ein Fan-Desinteres­se. Das wird auch der Run auf die EM-Tickets belegen, wenn an diesem Mittwoch die nächste Verkaufsph­ase beginnt. „Die Leute freuen sich auf so eine Gruppe“, meinte Löw. So sieht es auch Karl-Heinz Rummenigge. „Ich wünsche ihnen ein Sommermärc­hen“, sagte der Bayern-Vorstandsc­hef.

Portugal dient als Mutmacher. 2016 mogelte sich Cristiano Ronaldo mit drei Remis durch die Vorrunde, kam als Gruppendri­tter weiter und feierte später in Paris den EM-Titel. Und Löw hat die Titelhoffn­ungen bei seinem vierten EM-Anlauf nicht aufgegeben. „Die letzten Turnierspi­ele sind in London, das ist unser Ziel!“Einige seiner Spieler waren dagegen weniger begeistert und zweifelten sogar den komplizier­ten Auslosungs­modus

an. „Du gewinnst die Qualigrupp­e und hast dann den Weltmeiste­r 2018, Europameis­ter und Weltmeiste­r 2014 – das ist schon etwas fragwürdig“, sagte Leon Goretzka. Auch sein Bayernkoll­ege Joshua Kimmich empfand das als „merkwürdig“. Zum Vergleich: Die Niederland­e, in der EM-Qualifikat­ion noch abgefangen von der DFB-Elf, bekommt es in der Gruppe C mit der Ukraine, Österreich und einem Playoff-Sieger zu tun.

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FOTO: MARC SCHUELER/IMAGO IMAGES Philipp Lahm, nachdem er Deutschlan­d auch noch Portugal zugelost hat.

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