Fast jeden Tag eine versuchte Tötung
Am Landgericht wird die Gewalt an Frauen in Beziehungen thematisiert
- Wie steht es um den Schutz von Frauen vor gewalttätigen (Ex-)Partnern? Auf Einladung des Bewährungshilfevereins hat Katrin Lehmann aus Stuttgart am Mittwoch im Landgericht Rottweil über das brisante Thema referiert.
Seit Anfang Januar 2002 gibt es in Deutschland das Gewaltschutzgesetz. Demnach muss nicht das Opfer, sondern der Täter die Wohnung verlassen. Über die Umsetzung und Erfahrungswerte dieses Gesetzes in Baden-Württemberg hat die Referentin für Mädchen und Frauen im Bereich Krisenintervention und Existenzsicherung beim Paritätischen Wohlfahrtsverband berichtet. Zahlreiche Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte sowie Vertreter von haupt- und ehrenamtlichen Einrichtungen waren für den Vortrag ins Landgericht gekommen. „Sicher gibt es auch Männer, die von Gewalt in der Partnerschaft betroffen sind“, sagte Lehmann, doch ernsthafte Verletzungen gäbe es dabei nur in Einzelfällen.
Ganz anders bei Frauen: 122 wurden 2018 von ihrem aktuellen oder ehemaligen Partner getötet. Fast jeden Tag ereignet sich in dieser Konstellation ein versuchtes Tötungsdelikt. Um dem vorzubeugen, ist eine frühe Intervention dringend geboten. Lehmann hatte sich in ihrer Dissertation intensiv mit der Situation von 30 betroffenen Frauen befasst und zitierte aus deren Stellungnahmen, hatte aber auch landesweit gültige Statistiken und Details über Aktionspläne bereit. Sie erläuterte anhand einer Grafik die „exemplarische Interventionskette“, sprich den Ablauf eines Platzverweisverfahrens nach einem Vorfall von häuslicher Gewalt. Nicht nur der Vollzugsdienst, sondern auch Ordnungs- und Jugendamt, Staatsanwälte sowie verschiedene Gerichte und Fachberatungsstellen sind – im Idealfall – involviert.
In Extremfällen führt jedoch der Weg in eines der derzeit 42 Frauenhäuser in Baden-Württemberg. Jedoch sind die dort vorhandenen 340 Betten fast immer vergeben. Außerdem zeigte Lehmann anhand einer Landkarte auf, wie ungleich Frauenhäuser geografisch verteilt sind. Im Landgerichtsbezirk Rottweil, der auch die Landkreise Tuttlingen und Freudenstadt umfasst, gib es derzeit nur ein einziges – in Tuttlingen. Doch soll sich zumindest im Kreis Rottweil in absehbarer Zeit etwas tun, hieß es in der Diskussionsrunde, die sich an den Vortrag anschloss.
Auch die Notwendigkeit einer intensiven Beratung des Aggressors gleich nach dem Platzverweis wurde angesprochen. Eingeladen zu dem Termin hatten Karlheinz Münzer, Richter am Landgericht und Vorsitzender des Bewährungsvereins, sowie dessen Geschäftsführerin Sabine Oswald.
Kathrin Lehmann.