Ein Spaichinger in Kanada
Thilo Merkt ist seitzehn Jahren in Kanada zuhause und hat zwei Identitäten
Thilo Merkt ist vor zehn Jahren ausgewandert - und Schwabe geblieben.
- In der 9500 Kilometer entfernten Perspektive verliert das Schwäbisch-Sein seine regionale Bedeutung. Denn aus der Sicht der Bewohner eines Landes, in das ganz Deutschland fast 28 Mal reinpasst, relativiert sich einiges. Den Kanadiern sagt Schwaben nichts, nur Deutschland. Thilo Merkt ist inzwischen Bürger von Kanada, ausgewandert vor zehn Jahren, und trotzdem Schwabe geblieben, – und auch keiner mehr.
Die Bindung nach Spaichingen, wo die Eltern wohnen, wo er seine Kindheit verbracht hat und womit er viele schöne Erinnerungen verbindet, ist aber noch immer stark. „Jedes Mal, wenn ich in Spaichingen zu Besuch bin, dann bin ich dort fleißig am Wandern, entdecke so viele Stellen, die ich von Kindesbeinen kenne, wieder, und genieße die Tatsache, dass sich nicht alles verändert hat: Irgendwie immer noch die alte Heimat.“Ganz der Gegensatz ist die Stadt Vancouver, die sich rasant verändere und wachse. Das heimelige Gefühl, etwa in einem Laden Menschen zu treffen, die man kenne, das vermisse er.
Ausgewandert war Merkt aber, um mit seiner damaligen Freundin eine Ranch zu führen, was er acht Jahre lang auch tat, ehe sie die Ranch wieder verkauften: ein Teil Landwirtschaft,
ein teil Tourismus für Weite und Ruhe suchenden Gäste aus aller Welt.
Die Kanadier hätten sich gefreut, „dass Deutsche in ihrem Land leben und arbeiten und zum Wohlstand beitragen wollen.“
Anfänglich sei der Schwabe in ihm schon deutlich zu spüren gewesen, schildert er: Pünktlichkeit und die schwäbische Verbindlichkeit hätten es ihm anfangs nicht ganz leicht gemacht. Aber er habe gelernt, dass die kanadische Freundlichkeit und Lockerheit das alles schnell wett mache. Dinge werden eben langsamer und lockerer gelöst nach dem Motto „Wenn es heute nicht klappt, dann eben morgen.“
„Nach Jahren auf der Ranch habe ich mich dann sogar dabei ertappt, dass ich mich gefragt habe, wenn wir deutsche Gäste hatten, ob ich auch mal so „deutsch“war... oder noch bin?“
Das schwäbische Essen ist aber doch ein Thema für Merkt. Auf der Ranch, wo er für die Gäste gekocht habe, „kam der Schwabe doch immer wieder durch, wenn es dann Flädle und Spätzle gab.“Die Kanadier hätten mit Spätzle nichts anfangen können – war ja weder Pasta, noch sonst etwas Beschreibbares. Flädle mit kanadischem Bacon lieben sie allerdings, so Merkt. „Also kann man sagen, dass aus den schwäbischen Köstlichkeit ein schwäbisch-kanadischer Fusion Mix entstanden ist.“
Aber die neue Heimat prägt auch kulinarisch. Sein Geschmacksempfinden habe sich verändert, auch wenn er für sich ab und zu noch Schwäbisch koche. Beide Länder haben ihren Reiz, was das Essen angeht, auch wenn es in Kanada keine Landgasthöfe gebe. – „Trotzdem würde ich zu Maultaschen und Spätzle nie nein sagen.“
Insgesamt habe er den Eindruck, dass speziell Schwaben sehr gut mit anderen Bedingungen klar kommen. „Ein Schwabe kann meiner Meinung nach mit vielen Menschen, und was der Schwabe für sich selbst vermisst, das bastelt oder probiert er selbst zu lösen.“Das Schwäbisch wurde zwischenzeitlich vom Englischen verdrängt, auch in Gedanken. Aber wenn er mit Schwaben spreche, „dann ist auch mein Schwäbisch ruck zuck wieder da“.